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Aarau-Trainer Alex Frei sagt: «Ich kontrolliere den Schlaf der Spieler»

Der neue Aarau-Trainer Alex Frei sagt: «Ich kontrolliere den Schlaf der Spieler»
Der neue starke Mann beim FC Aarau: Alex Frei.Bild: Mathias Förster
Interview

Der neue Aarau-Trainer Alex Frei sagt: «Ich kontrolliere den Schlaf der Spieler»

Alex Frei stellt sich als neuer Trainer des FC Aarau vor. Der 43-jährige Basler verrät im Interview, welche Ziele er verfolgt und worauf sich die Spieler einstellen müssen. Und er erklärt, weshalb er sich für Aarau entschieden hat und weshalb die Zeit beim FC Basel lehrreich, aber kein Karriereknick war.
15.06.2023, 06:42
Stefan Wyss und François Schmid-Bechtel / ch media
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Warum wechselt ein Trainer, der zuletzt beim grossen FC Basel engagiert war, zum FC Aarau in die Challenge League?
Alex Frei: Weil ich ein Typ bin, der gerne mithilft, etwas aufzubauen und zu entwickeln. Ich bin auch ein Typ. der das Bodenständige mag. Selbstverständlich gibt es modernere Stadien in der Schweiz als das Brügglifeld. Aber hier gibt es noch puren Fussball. Und auch die Leute im und um den Klub, die ich bis jetzt kennen gelernt habe, sind bodenständig und enthusiastisch. Das behagt mir. Es riecht hier nach Fussball. Das Projekt FC Aarau behagt mir.

Hat es Ihnen in Basel zu wenig nach Fussball gerochen?
Nein. Ich bin dem FCB dankbar für die Chance, die man mir geboten hat. Die Zeit in Basel war sehr lehrreich. Aber ich will jetzt nicht gross über den FC Basel reden.

«Auch in Aarau werde ich an den Resultaten gemessen.»

Was haben Sie in diesen knapp acht Monaten als Trainer in Basel gelernt?
Wie man ein Team mit Nationalspielern führt. Wie man ein Team führt, in dem viele Spieler den Anspruch haben, zügig den nächsten Schritt zu machen. Lehrreich war auch die Planung, jeden dritten Tag zu spielen. Oder, wie man den im Vergleich zu Aarau wesentlich grösseren Staff führt, damit jeder seine Rolle und seine Zufriedenheit findet und die individuellen Bedürfnisse gestillt werden.

Es tönt, als sei der Trainerjob in Aarau entspannter als jener in Basel.
Der Trainerjob ist nirgends einfach, wenn man so funktioniert wie ich es tue. Dass ich mehr Aufmerksamkeit generiere als andere Trainer, ist ein Stück weit Schicksal, aber nicht immer einfach für mich. Auch wenn ich gelernt habe, damit umzugehen. Deshalb ist es nirgends einfach für mich als Trainer. Aber Aarau wird in dieser Hinsicht vielleicht etwas entspannter für mich, weil die Schnelllebigkeit des Fussballs nicht so ausgeprägt ist wie beim FC Basel. Aber auch hier werde ich an den Resultaten gemessen.

Was entgegnen Sie Menschen, die sagen, das Engagement in Basel habe sich für Sie als Karriereknick entpuppt?
Das sagen Menschen, die mich nicht kennen. Die Ligazugehörigkeit des neuen Arbeitgebers interessiert mich als Trainer herzlich wenig. Für mich sind andere Fragen entscheidend: Spüre ich den Fussball? Kann ich etwas bewegen? Herrscht Enthusiasmus vor? Ich sehe es auch als meine Aufgabe, mit unserer Spielweise den Zuschauerschnitt zu erreichen, den wir uns wünschen. Wir streben eher durchschnittlich 5000 als 3000 Zuschauer im Stadion an.

Basels Trainer Alex Frei reagiert im Fussball Meisterschaftsspiel der Super League zwischen dem FC Winterthur und dem FC Basel im Stadion Schuetzenwiese, am Samstag, 16. Juli 2022 in Winterthur. (KEYS ...
Alex Freis Zeit beim FC Basel endete mit einer Entlassung.Bild: keystone

Sie sprachen vom Projekt FC Aarau. Können Sie dieses etwas genauer umschreiben?
Das ist meine Welt. Auch beim FC Aarau stehen arrivierte Spieler im Kader. Dazu werden einige Nachwuchsspieler zumindest in der Vorbereitung integriert. Schliesslich geht es auch darum, den Talenten eine Perspektive zu bieten. Ihnen den Glauben zu vermitteln, dass der Sprung in die Profimannschaft nicht utopisch ist und man Identifikation schaffen kann. Ich werde nicht das Messer am Hals spüren, weil der Aufstieg ultimativ gefordert wird. Selbstverständlich kann man als FC Aarau auch nicht sagen: «Hurra, wir spielen auch mit.» Wir sind ambitioniert, wollen vorne dabei sein. Wie die Definition von vorne dabei sein lautet, werden wir im Verlauf der Saison sehen. Vor allem in der Challenge League baut man bis Februar, März auf. Danach folgen die Monate, die zählen, wo man die Differenz machen muss.

Wir kennen Sie auch nicht so, dass Ihnen jemand das Messer an den Hals setzen muss. Das besorgen Sie doch eher selber.
(Lacht.) Ist das so? Mir ist es zu einfach, Alex Frei als Synonym für Ehrgeiz zu benutzen.

Es spricht wenig gegen Ehrgeiz.
Mag sein. Aber in meinem Fall habe ich schon das Gefühl, dass es negativ konnotiert ist. Was heisst ehrgeizig? Ich will ein Team entwickeln, jeden Spieler entwickeln. Wenn uns das gelingt, werden wir auch erfolgreich sein. Und klar, ich komme nicht hierher mit dem Ziel, in sieben Jahren peilen wir den Aufstieg an. Aber, und das ist vielleicht eine Lehre aus der letzten Saison: Je weniger man über den Aufstieg spricht, desto eher wird er eintreffen.

«Die Gefahr besteht, dass sich die Enttäuschungen der letzten Jahre im Unterbewusstsein einnisten.»

War das der Vorteil von Winterthur? Als Sie im Februar 2022 kamen, lag die Mannschaft auf Platz drei und niemand sprach von Aufstieg.
Die Geschichte von Winterthur war folgende: Entweder spielte man eine sensationelle Vorrunde und stürzte danach ab. Oder man verspielte mit einer grottenschlechten Hinrunde fast alle Aufstiegschancen. Ich bin nicht mit der Erwartung angetreten, dass wir aufsteigen, obwohl die Mannschaft grosses Potenzial hatte. Meine Erwartung war: Alles dafür zu tun, so lange wie möglich die Teams vor uns (Red., darunter auch Aarau) zu provozieren, und vielleicht reicht es dann sogar. Es ist uns im Verlauf der Saison gelungen, im Team eine Stimmung zu kreieren, die den Glauben an den Aufstieg gestärkt hat.

Wie gross ist in Aarau die Gefahr, dass der Klub vom Blues der verpassten Aufstiege erdrückt wird?
Die Gefahr besteht, dass sich die Enttäuschungen der letzten Jahre im Unterbewusstsein einnisten. Es ist meine Aufgabe zusammen mit dem Staff, dieses Gefühl zu vertreiben und den Glauben an den Erfolg zu vermitteln. Den Aargau und den FC Aarau kenne ich von früher so, dass man sich eher kleiner gemacht hat als man ist. Das ist nicht per se unsympathisch. Aber der FC Aarau hat eine grosse Tradition und wird in der ganzen Schweiz wahrgenommen. Auch wenn Tradition keine Spiele gewinnt, gilt es doch … wie soll ich sagen?

Mehr Selbstbewusstsein entwickeln?
Aufgepasst! Selbstbewusstsein kann schnell auch in Arroganz münden. Auch dafür sind wir da, damit das nicht passiert. Sie können davon ausgehen, dass wir jene, die zu fliegen beginnen, sehr schnell wieder auf den Boden zurückholen werden. Ich glaube eher, dass man den FC Aarau etwas wecken und anstupsen muss.

02.08.2019 Stadion Brügglifeld Aarau , SCHWEIZ , Saison 2019/2020 Fussball Challenge League 3.Spieltag FC Aarau - Grasshopper Club Zürich Sportchef Sandro Burki (FC Aarau) *** 02 08 2019 Stadion Brügg ...
Sandro Burki hat Alex Frei eingestellt.Bild: imago images / Geisser

Ist das auch ein Grund, weshalb man sich für Sie entschieden hat?
Das müssen Sie Sandro Burki, unseren CEO und Sportchef fragen.

Sie spürten es vielleicht in den Gesprächen.
Ich bin einfach ich. Authentisch. So werde ich mich auch der Mannschaft vorstellen. Ich werde Fehler machen, wie jeder andere Trainer Fehler macht. Und wenn mir offensichtliche Fehler passieren, werde ich vor die Mannschaft stehen und die Verantwortung dafür übernehmen. Mein Ziel ist es, ein Team zu formen, das die Leute begeistert. Dann kann man auch mal ein Spiel verlieren, das gehört zum Sport. Aber wir wollen definitiv näher zusammenrücken.

Wie viel von der Mannschaft von Vorgänger Boris Smiljanic können Sie übernehmen?
80 bis 90 Prozent des Kaders sind zusammen. Das ist ein grosser Vorteil im Hinblick auf die Vorbereitung. Klar, man muss immer damit rechnen, dass einer in die Super League wechselt. Aber da sind wir gut vorbereitet, haben unsere Ideen. Es werden viele junge Spieler aus dem Nachwuchs zu uns stossen, zumindest für den ersten Moment. Es liegt dann an ihnen, das Gefüge durcheinander zu wirbeln. Wenn ich sehe, dass ein Eigener gut ist, dann müssen wir keinen Neuen holen.

«Als wir uns mit dem FC Basel für die Gruppenphase der Conference League qualifizierten, waren in der Kabine 19 von 23 Spielern am Handy.»

Wie denken Sie über die junge Generation?
Ich kann nicht beurteilen, wie die Jungen hier in Aarau sind. Da muss ich abwarten. Ich habe die U18 gesehen in den Playoff-Viertelfinals gegen den FC Basel. Das war ein sehr guter Auftritt. Aber ich muss den Charakter der Spieler erst noch kennen lernen, die dann auch mit uns trainieren.

Und wie sind die Jungen von heute ganz generell?
Meine Erfahrung ist: Wer klare Strukturen hat im Leben, der hat sie auch auf dem Platz. Die Gesellschaft ist heutzutage so, dass man alles relativ schnell bekommt. Es gibt einen grossen Informationsfluss, die Jungen haben auch ein grosses Mitteilungsbedürfnis …

Alex Frei im Interview mit den Journalisten von ch media.
Alex Frei im Interview mit den Journalisten von CH Media.Bild: Mathias Förster

… Instagram und Twitter …
Das bekommt man nicht mehr weg. Man kann es etwas steuern, aber als Trainer muss man damit zurechtkommen. Als wir uns mit dem FC Basel für die Gruppenphase der Conference League qualifizierten, waren in der Kabine 19 von 23 Spielern am Handy. Das hat mich schon überrascht. Ich habe eher gekannt, dass sich 23 Spieler in den Armen lagen, Sprüche machten und Wasser herumspritzten. Aber anscheinend ist das nicht mehr so.

War früher alles besser?
Als Trainer bin ich angehalten, die junge Generation so zu nehmen, wie sie ist. Man kann den Spielern aber gewisse Werte mit auf den Weg geben. Und die Spieler brauchen ein Stück weit Regeln. Es gibt solche, die braucht es heute sogar mehr als früher.

Etwa Regeln zum Gebrauch des Handys?
Ich appelliere an die Eigenverantwortung. Die Spieler sollen lernen, was es braucht für die beste Leistung. Je schneller einer dies lernt, umso besser ist es. Wenn ich dann sehe, dass einer immer die gleichen Fehler macht oder sich nicht konzentrieren kann, werde ich klar sagen, wie ich es mir vorstelle. Aber man muss auch bedenken: Je mehr vorgegeben wird, desto weniger wird die Kreativität auf dem Platz gefördert. Das heisst nicht, dass ich ein Trainer bin, der alles an der langen Leine lässt. Ich werde zwar auch mal eine fünf gerade sein lassen, aber wer die Regeln nicht befolgt, der wird es schwer haben.

«Ich bin nicht Felix Magath und kontrolliere nicht alles.»

Wie sieht es mit dem Schlaf der Spieler aus?
Es ist die Idee, dass ich das kontrolliere. An der ETH Zürich habe ich einen Vortrag über das Schlafen gehört. Je länger man vor dem Schlafen am Handy ist, desto weniger schnell kann man einschlafen. Das habe nicht ich erfunden. Studien belegen dies. Es ist mir aber zu blöde, die Handy-Zeit der Spieler zu kontrollieren. Doch ich werde mitteilen, wie wichtig der Schlaf ist. Er ist das beste Mittel, um zu regenerieren.

Wie viele Stunden sind optimal?
Da gibt es Unterschiede. Es gibt ältere Spieler, die mit sieben oder siebeneinhalb Stunden problemlos durchkommen. Es gibt aber auch Spieler, die mehr brauchen. Aber ich denke, dass ein Mindestmass von acht Stunden Schlaf von Vorteil wäre.

Gibt es eine Deadline, wann die Spieler im Bett sein müssen?
Ich bin nicht Felix Magath und kontrolliere nicht alles.

Schade, wir dachten, das Training mit den Medizinbällen wird in Aarau wieder eingeführt.
Achtung! Es ist nicht alles falsch bei Felix Magath. Auch nicht mit den Medizinbällen. Wenn Roger Federer damit trainieren kann, dann ist es wohl für die Fussballer auch nicht schädlich. Aber eben: Grundsätzlich bin ich kein Kontrollfreak. Ich beobachte und schaue zu, bis ich das Gefühl habe, dass es jetzt genug sei. Dann gibt es ein Gespräch und danach wird es schwierig. Aber dann ist es nicht mein Problem, sondern das Problem des Athleten. Ich erwarte von den Spielern, dass sie alles für den Erfolg machen.

Profitieren Sie im Umgang mit den Spielern davon, dass Sie eine grosse Karriere hingelegt haben?
Das muss man die Spieler fragen. Ich bin mit meiner Karriere im Reinen, aber ich spreche nicht von mir aus mit den Spielern über meine Laufbahn. Das habe ich früher gehasst, wenn einer immer in der Vergangenheit geschwelgt hat. Aber ich bin 16 Stunden für die Spieler da. Sie können mit mir über alles reden. Über private Probleme genauso wie über Fussball.

Glauben Sie, dass einer wie Shkelqim Vladi eher in Aarau bleibt, weil sie nun hier Trainer sind?
Grundsätzlich ist das sein Entscheid. Wir werden alles dafür tun, dass er in Aarau bleibt. Aber es gibt Konstellationen, die man als FC Aarau akzeptieren muss. Wenn er wechselt, muss es eine Win-win-Situation für beide Parteien sein. Was ich von Vladi gesehen habe, ist sehr interessant, auch wenn ich glaube, dass er noch viel Luft nach oben hat.

Erkennen Sie in ihm sich selbst als Spieler?
Das kann ich so nicht beurteilen, weil ich mir nicht anmasse, irgendwelche Vergleiche zu ziehen.

Und wie steht es um Vladis Sturmpartner Andrin Hunziker? Er gehört dem FC Basel.
Er hat ein Profil, das sehr interessant ist für den FC Aarau. Nach meinem Wissensstand macht er die Vorbereitung beim FCB. Wir haben da keine Handhabe, deshalb wird er in den ersten Wochen nicht bei uns sein. Andrin ist ein cooler Spieler und ein Super-Typ, der für eine Mannschaft immer ein Gewinn ist. Aber als FC Aarau können wir nicht warten, bis der FCB das Gefühl hat, er könne jetzt zu uns zurückkehren. Da müssen wir vorbereitet sein. Wenn es so sein sollte, dass sich die Möglichkeit einer Rückkehr ergibt, dann steht die Türe offen. Aber wenn es eine andere Möglichkeit gibt für uns, die genauso Sinn macht, dann ist diese vielleicht die bessere Variante. (aargauerzeitung.ch)

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6 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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ändu aus B (weder Bärn noch Basel)
15.06.2023 09:58registriert Februar 2016
Frei hat Winterthur in die Superleague gebracht. Jetzt ist Aarau dran. Dann schauen wir mal, ob er auch grösseres (internationales) kann. Dass es mit Basel nicht funktioniert hat, muss nicht unbedingt an ihm gelegen haben.
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Marsupilami123
15.06.2023 08:54registriert Juni 2016
Cooler, ehrlicher Typ. Viel Erfolg!
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