Dass die Fussballwelt noch immer seltsam ist, sieht man alleine daran, dass Liverpool und Leipzig sich in Budapest treffen müssen, um in einem leeren Stadion zu kicken. Die Viertelfinals der Champions League werden sich noch seltsamer anfühlen. Denn erstmals seit 16 Jahren sind dann, wenn die heisse Phase beginnt, weder Lionel Messi noch Cristiano Ronaldo mit ihren Teams dabei.
Man kann – und man wird – noch lange diskutieren, ob nun Messi oder Ronaldo besser war als der andere. Fakt ist, dass die zwei Fussballer eine Ära prägten. Der 33-jährige Argentinier Messi führte den FC Barcelona zu vier Champions-League-Triumphen. Der 36-jährige Portugiese Ronaldo durfte den Henkelpott gar fünf Mal in die Höhe stemmen, erst mit Manchester United und dann vier Mal mit Real Madrid.
Nach wie vor liefern die zwei Fussballer Leistungen der Sonderklasse. Messi führt die Torschützenliste in Spanien an, Ronaldo jene in Italien. Sie sind immer noch Weltklasse.
Liegt es also bloss an ihren Mitspielern, dass weder Barcelona (Zweiter, sechs Punkte hinter Leader Atlético Madrid) noch Juventus (Dritter, sieben Verlustpunkte hinter Inter Mailand) an der Tabellenspitze stehen? Nein. Auch die zwei Überflieger sind nicht mehr auf ihrem allerhöchsten, bisweilen fast ausserirdisch guten Niveau.
Ronaldo zog beim Juve-Ausscheiden am Dienstag gegen den FC Porto einen sehr schwachen Abend ein. Dass die Mensch gewordene Maschine sich beim entscheidenden Gegentreffer in der Freistoss-Mauer ängstlich abdrehte und eine Lücke entstehen liess, durch die der Ball seinen Weg ins Tor fand, brachte Ronaldo Hohn und Spott ein.
Messi glich beim Out von Barcelona gegen Paris St-Germain zunächst mit einem grandiosen Distanzschuss der Marke Messi aus. Und verschoss dann einen Penalty. Das kann zwar immer mal wieder vorkommen, doch in den letzten sechs Jahren kam es bei Messi in der Champions League nicht vor. Der Fehlschuss war das perfekte Bild zum Barça-Scheitern.
Nach wie vor ist unklar, wo der «Zauberfloh» seine Karriere fortsetzt. Sein Vertrag in Barcelona endet im Sommer, er hat noch keinen neuen unterschrieben. Gestern vor dem Spiel kursierte erneut das Gerücht, Messi werde Barça sicher verlassen. Offen sei noch, ob er sich PSG oder Manchester City anschliesse.
Auch ein Verbleib von Cristiano Ronaldo bei Juventus steht in den Sternen. Zwar hat er noch ein Jahr Vertrag, aber die Turiner würden ihrem Schwerverdiener vermutlich keine Steine in den Weg legen, würde dieser wechseln wollen. CR7 wurde geholt, um nach einer Serie überlegener Meistertitel endlich die Champions League ins Piemont zu holen. Juve und Ronaldo scheiterten in drei Anläufen, zuletzt zwei Mal schon in den Achtelfinals.
Die letzten beiden Abende haben uns wieder einmal vor Augen geführt, dass alles im Leben vergänglich ist. Lionel Messi und Cristiano Ronaldo haben dem Weltfussball in den letzten eineinhalb Jahrzehnten ihren Stempel aufgedrückt. Sie haben uns tief beeindruckt. Wir haben uns immer wieder neu in sie verliebt. Manche in beide, manche nur in einen. E-Junioren in der Schweiz tragen ihre Trikots, Strandbesucher in Spanien, Marktverkäufer in Vietnam und Minibusfahrer in Mali.
Der scheue Argentinier und der exzentrische Portugiese haben absurd viele Tore geschossen, Saison für Saison. Aber die Jugend drängt. So wie Roger Federer nicht mehr jedes Turnier gewinnt, so dürfen nun auch im Fussball andere Spieler Trophäen gewinnen. Weltfussballer wurde 2020 Robert Lewandowski, der polnische Torjäger von Bayern München.
Federer spielt immer noch Tennis – er spielt wieder Tennis. Gestern Abend, wenige Stunden bevor Messi aus der Champions League ausschied, gab der «Maestro» nach 405 Tagen Verletzungspause sein Comeback. Er siegte, aber es war ein harter Kampf. Die Leichtigkeit seiner besten Tage, als jeder Schlag wie von Zauberhand automatisch gelang, wird wohl nie wieder kommen. Doch die Leute waren glücklich, Federer überhaupt noch einmal das Racket schwingen zu sehen.
Genau so wird es auch mit Lionel Messi und Cristiano Ronaldo sein. Die beiden haben Grenzen verschoben. Aber irgendwann wird auch für sie Schluss sein. Je näher ihre Karriereenden rücken, umso mehr sollten wir alles, was noch von ihnen kommt, geniessen. Uns wird noch genug Zeit bleiben, ihre Nachfolger zu bestaunen, egal ob sie nun Kylian Mbappé, Erling Haaland, Ansu Fati oder Jadon Sancho heissen.
Muchas gracias, Leo!
Muito obrigado, Cristiano!