Die Schweiz ist eines der reichsten Länder mit einer der besten Sportinfrastrukturen. Keine Frage: Die Schweiz ist dazu in der Lage, Olympische Winterspiele 2030, 2034, 2038 oder 2042 zu organisieren.
Die Debatte, ob die Schweiz Olympische Winterspiele tatsächlich braucht, ob das Spektakel nachhaltig ist, ob einzelne Sparten – wie Tourismus – tatsächlich davon profitieren, braucht nicht geführt zu werden, weil in solchen Debatten Befürworter und Gegner gute Argumente haben und keine Einigung erzielt werden kann. Es geht bei der Frage um die Olympischen Winterspiele in der Schweiz um etwas ganz anderes. Naiverweise wird das zentrale Thema – der Elefant im Raum – schon fast als lästige Nebensächlichkeit behandelt: die tatsächlichen Kosten für die öffentliche Hand. Es geht um eine ehrliche, transparente Kostenrechnung, zu der auch die vom Staat zu erbringenden Aufwendungen für die Sicherheit gehören. Auch wer kein Kulturpessimist ist, kommt zum Schluss: Die Sicherheitskosten werden höher sein als jetzt budgetiert.
Die Kostenwahrheit ist der zentrale, der wunde Punkt. Bei den Olympischen Winterspielen darf das IOC mit Einnahmen von über einer Milliarde Franken – also über tausend Millionen – rechnen. Der internationale Sport hat durch global operierende, kaum mehr zu kontrollierende Konzerne wie das IOC oder die FIFA das System «Kosten sozialisieren, Profite privatisieren» zur Perfektion entwickelt: Zu Lasten der Allgemeinheit wird das Olympische Spektakel zelebriert. Die Profite aber kassiert der eigentlich juristisch als nicht profitorientiert eingestufte Sportkonzern IOC mit Sitz in Lausanne. Das IOC ist auch im Genuss von weitreichenden Steuerprivilegien.
Es macht Sinn, dass eine Stadt, ein Kanton oder der Bund eine Weltmeisterschaft finanziell unterstützt, die dem Veranstalter und dem entsprechenden Sportverband keinen oder lediglich einen überschaubaren Profit einbringt. Es macht erst recht Sinn, dass eine Stadt, ein Kanton oder der Bund Sport-Infrastrukturen mitfinanziert. Der Sport ist zwar auch ein Wirtschaftszweig (Profisport). Aber eben nicht nur: Vor allem der Breitensport und der lokal verankerte Profisport haben eine soziale, eine gesellschaftliche Bedeutung, die heute nicht hoch genug bewertet werden kann.
Olympische Winterspiele haben hingegen mit staatlich zu förderndem Sport nichts mehr zu tun. Diese Veranstaltung ist eine hochprofitable «Gelddruckmaschine», die auf Kosten des Staates läuft und als Treibstoff Steuergelder verbrennt.
Mit einer schon beinahe erschütternden Naivität werden beim Projekt «Olympische Winterspiele 2030» die Kosten schon fast als Nebensache betrachtet und von einer transparenten, seriösen Kostenwahrheit kann bei diesem «Olympischen Phantasieprodukt» keine Rede sein. Dass die Gegner dieses Projektes von Fall zu Fall die demokratischen Instrumente der direkten Demokratie auf den verschiedenen Stufen zu spielen wissen (z. B. Finanzreferenden) ist anzunehmen. Eine einzige politische Abstimmung kann beim eng getakteten Zeitplan aus dem Projekt «Olympische Winterspiele 2030» Makulatur machen.
Olympische Winterspiele haben in diesem Land nur eine Chance und machen nur Sinn, wenn sie zu hundert Prozent privat finanziert werden. Ohne städtische, kantonale oder eidgenössische Subventionen oder Defizitgarantien auskommen und die Kosten von mindestens 1,5 Milliarden vollumfänglich von den Organisatoren getragen werden.
Die Schweizer Wirtschaft hat bei weitem das Potenzial, um Olympische Winterspiele zu alimentieren und wenn dieses «Jahrhundert-Ereignis» so nachhaltig ist und eine so helle Strahlkraft hat, wie die Befürworter sagen, dann haben die Konzerne und Unternehmen in diesem Land auch ein starkes Interesse daran, für die Finanzierung aufzukommen. Dann kosten die Spiele die Steuerzahlenden nichts und dann können politische Abstimmungen vermieden werden.
Alle Versuche, die Olympischen Winterspiele nach 1928 und 1948 zum dritten Mal in die Schweiz zu holen, sind im Grunde an der Naivität der Initianten gescheitert. Am spektakulärsten war die Bewerbung um die Winterspiele von 2006 von Sion gegen den Mitbewerber Turin. Damals gab es einen bitterbösen Spruch, der viel Wahrheit enthält: Warum hat Sion gegen Turin verloren? Weil die Verantwortlichen beim IOC den Unterschied zwischen einem geschenkten Ferrari und einem offerierten Raclette kannten.
Die Welt ist heute eine andere als in den Zeiten der Bewerbung für die Spiele von 2006. Geblieben ist die Naivität der Schweizer Olympia-Träumer. 2006 scheiterten sie in erster Linie, weil sie die Art und Weise nicht richtig verstanden, wie die Vergabe damals tatsächlich funktionierte. Sie scheiterten «aussenpolitisch». Das Projekt 2030 ist nicht mehr in erster Linie durch das Vergabe-System gefährdet. Sondern durch die innenpolitische Naivität der Planenden. Das «Ja» des Sportparlamentes zu einer Bewerbung für die Winterspiele 2030 hat nicht viel mehr innenpolitische Wirkung als die Abgabe eines Wunschzettels. Ende der Polemik.
Das hat eine gewisse Logik.
Will heissen, wer die Gewinne abschöpft, soll auch für die Investitionen und Kosten aufkommen.