Sag das doch deinen Freunden!
Den «Loser-Pokal» hat er sie genannt, die Europa League. Torhüterlegende Sepp Maier hat sich in giftigem Ton über den unwichtigeren der beiden europäischen Klubwettbewerbe ausgelassen. Ich will dem Welt- und Europameister nicht zu nahe treten und ihm auch nicht die Kompetenz absprechen, aber in der Wortwahl hat sich der Deutsche definitiv vergriffen.
Die Europa League quasi als Hinterwäldler-Wettbewerb (Zitat: «Europa League? Wer spielt denn da alles mit? [...] Da gibt es Städte, die kenne ich gar nicht, von denen habe ich in meinem Leben noch nie etwas gehört.») abzutun ist schlicht falsch. Auch wenn ich zugeben muss, dass auch ich nicht genau weiss, wo exakt Dnipropetrowsk, Korça, Herning, Qäbälä oder Agdam zu liegen kommen (Auflösung in der Info-Box unten).
Woher ein Verein kommt und wie gross oder klein er ist, ist aber auch nicht so relevant. Als Fussballliebhaber kann man die Europa League unmöglich kategorisch als zweitklassig abtun. In Sachen Glamour und Star-Potenzial mag das zutreffen. Doch da drauf geschissen! Welcher aufrichtige Fussballfan schaut primär auf Stars und Glamour? Kein aufrichtiger Fussballfan, richtig.
Im Fussball sollte es zuallererst um Fussball gehen. Fussball mit Herz, Leidenschaft, Taktik, Technik und Klasse. Was beispielsweise Manchester City und Real Madrid im Hinspiel des Champions-League-Halbfinals abgeliefert haben, kann ich schlicht nicht verstehen. Das war bestbezahlte Arbeitsverweigerung. Es ist nicht so, dass Real viel besser gewesen wäre, doch wie kann man als Heimteam auf der grössten Bühne des Klubfussballs eine derart bescheidene Leistung an den Tag legen?
Das Argument «war ja nur das Hinspiel» lasse ich nicht gelten. Es geht ja nicht um die goldene Ananas, sondern um den Einzug in den Champions-League-Final, da ist jede gespielte Minute wichtig. Und dieses «Nicht-Spiel» mit Taktik zu begründen, ist ebenfalls nichtig. Um Taktik richtig umzusetzen, ist grosser Einsatz nötig – und gewisse Spieler haben im Etihad Stadium nicht eine Schweissperle vergossen.
Da lob' ich mir dann eben wieder die Europa League. Logischerweise treten da nicht die aller-allerbesten Teams auf, sonst wär's ja die Champions League 2, doch die Teilnehmer geben sich wenigstens alles. Klar gibt es auch in der EL Ausnahmen, doch stellt man die Halbfinals beider Klubwettbewerbe nebeneinander, ist der Unterschied frappant.
Das Spiel zwischen Sevilla und Donezk habe ich nicht in voller Länge gesehen, doch anhand der Highlights wage ich zu behaupten, dass es auch nicht so schlecht gewesen sein kann. Und was Liverpool und Villarreal abgeliefert haben ... einfach Weltklasse! Mit welcher Intensität das Spiel an der Anfield Road geführt wurde. Feinste Fussballkost!
Wann immer ein Villarreal-Spieler einen Ball stoppen wollte, er konnte sich sicher sein, dass längst ein Liverpool-Akteur mit dem Messer zwischen den Zähnen zu ihm unterwegs war, um den Zweikampf anzunehmen. Wollten sich die Gelben mal sicher von hinten hinauskombinieren, wurde sogar der Aussenverteidiger schnell einmal von drei Roten in die Mangel genommen. Liverpool schlug eine immense Intensität an und zog diese über satte 90 Minuten durch. Villarreal trug ebenfalls einen wesentlichen Teil zum grossartigen Spiel bei, war sich für keinen Zweikampf zu schade und so auch in Unterzahl noch weitestgehend ebenbürtig.
Alles in allem ist für mich die Frage, ob ich mich mehr auf den EL- oder den CL-Final freue, ziemlich einfach zu beantworten. Das «Derbi madrileño» im San Siro wird sicher kein schlechtes Spiel, für das ist die Affiche viel zu brisant, doch das Duell zwischen Liverpool und Sevilla kann gar nicht anders als sensationell werden.
Traumfinal. Grosses europäisches kino in basel ist programmiert. Besser geht in diesem wettbewerb nicht. Klopp wird rocken. Wow!
— Sven Schoch (@svenssonair) 5. Mai 2016
Für Liverpool geht es zum ersten Mal seit langem wieder um einen Titel, selbstredend wäre es der erste unter Jürgen Klopp. Der Gewinn der Europa-League-Trophäe würde einer verkorksten Saison doch noch ein Happy End bescheren. Sevilla dagegen spielt vier Tage nach dem Duell in Basel noch den Final der Copa del Rey (gegen Barcelona). Die Andalusier wollen sich aber die Chance auf das historische Europa-League-Triple auf keinen Fall entgehen lassen und dafür sorgen, dass Fussball-Europa ganz in spanischer Hand bleibt. Der St.Jakob-Park kann sich auf ein Riesenspiel gefasst machen.