Bernhard Burgener ist ein Mensch des Entertainments und der Filme. Seine Videothek machte ihn zum Millionär, mit seiner Firma Constantin Film produziert er laufend Blockbuster, welche die Massen ins Kino locken. Und so bedient sich der cinephile Burgener oft bei Metaphern aus der Welt der Filme. «Momente des Misserfolgs schweissen zusammen. Und auch Helden müssen leiden», sagte der Präsident des FC Basel beispielsweise nach dem desaströsen 1:7 bei YB 2018. Ob Burgener sich selbst damals als Helden bezeichnete, soll sein Geheimnis bleiben. Seit der griechischen Antike aber ist bekannt, dass Helden immer eine Schwachstelle haben: die nach Achilles benannte Ferse. Es ist die einzige Stelle, an welcher ein Held verwundbar ist. Und genau eine solche Schwachstelle hat auch Burgener: Die Fans.
Während sich der Mann, der seit 2017 FCB-Mehrheitsaktionär ist, unbeeindruckt zeigt von interner sowie medialer Kritik, ist ihm die Meinung der Fans immens wichtig. Vielleicht, weil er in ihr die Basis eines Fussballvereins erkennt. Vielleicht aber auch, weil er sich immer noch selber als Fan sieht und nicht müde wird, dies zu betonen.
So dürfte es Burgener am Mittwochmorgen wie ein Pfeil in der Achillesferse getroffen haben, als die Muttenzerkurve ihr Schreiben veröffentlichte. Unter dem Titel «Zit zum goo!» fordert die Kurve die komplette Führung dazu auf, aus allen Verantwortungspositionen zurückzutreten. Namentlich wären dies Burgener, CEO Roland Heri, die Verwaltungsräte der FC Basel Holding AG Peter von Büren und Karl Odermatt sowie den Verwaltungsrat der FC Basel 1893 AG Massimo Ceccaroni. Ausgenommen von der Rücktritts-Forderung ist einzig FCB-Mitbesitzer David Degen.
Die Kurve pflegte lange direkten Kontakt zu den kritisierten Personen, stärkte der Führung den Rücken. Als letzte Instanz wohl. Aber jetzt ist genug. «Der Austausch führte uns zur endgültigen Einsicht, dass wir unter der aktuellen Führung keine Perspektiven mehr für den FCB sehen. Wir erachten sie nicht als fähig, durch die Krise zu führen beziehungsweise die kommenden Herausforderungen zu meistern», so die Fans in ihrem Schreiben. Noch nie positionierte sich die Kurve so deutlich. Noch nie war ihr Appell do dringend. Die Fans sprechen von mangelndem Vertrauen sowie einem Club, der «mit jedem Tiefschlag umso mehr auseinanderbricht». Es fallen Worte wie Intransparenz, Schönrederei und nicht vorhandenem Lerneffekt.
Es sind in der Summe viele Vorwürfe, in ihrer Essenz aber allesamt richtige. Dass die Fans diesen Weg wählen – den öffentlichen statt wie gewohnt den direkten – zeigt, wie zerrüttet das Verhältnis ist. Burgener hat sich seine letzte Unterstützung verspielt. Und das, obwohl er bei seinem Amtsantritt stets betonte, die Fans in den Mittelpunkt zu stellen. In seiner Präsentation «Für immer Rot-Blau» widmete er ihnen Seite 4 und damit die erste, die sich nicht um ihn dreht. Fans first, so die implizite Nachricht. Jetzt verliert er als letztes deren Zuspruch.
Es ist die logische Konsequenz seiner Misskommunikation. Gerade in Zeiten von Corona, in der ein Fussballclub nur gewinnen konnte, schaffte es Burgener, noch mehr Kredit zu verspielen. Mit desaströsen Communiqués und Interviews wie jenem vom letzten Sonntag, als er offenbarte, seine Misswirtschaft zu verkennen. Die bewusste Irreführung hat das Fass zum Überlaufen gebracht.
Ohne den Rückhalt der zwar stets kritischen aber genauso solidarischen Fans ist Burgener ein Held, um den es einsam geworden ist. Und einer, der endlich einsehen muss, dass seine Taten alles andere als heroisch waren. Der drastische, einmalige Schritt der Kurve zeigt, dass das Verhältnis nicht mehr zu kitten ist. Nicht, solange Burgener federführend ist. Und nicht ohne Figuren wie einen Marco Streller, dem das Treiben aber bereits letzten Sommer zu bunt geworden ist. Einen wie ihn bräuchte es. Einen, dem der Club und nicht die Finanzen am Herzen liegen. Einen, der aufmüpft und die Fans nicht als «Kunden» bezeichnet. Und einen, der trotz Fehlern Fans und Mitarbeitern nicht das Gefühl gibt, sie zu belügen und für dumm zu verkaufen.
Was Burgener jetzt kassiert, ist die ganz teure Quittung. Vielleicht hätte sie früher kommen müssen. Aber wichtig ist vor allem, dass sie kommt. Dass der Präsident einkalkulierte, dereinst nicht mehr vollen Rückhalt zu spüren, davon zeugt diese Aussage von der letzten Generalversammlung: «Ich werde mich sicher nicht gegen eine Mehrheit stellen. Wenn man das Gefühl hat, der Weg ist der falsche und es gibt einen besseren, dann finden wir schon einen neuen Präsidenten.» Steht Burgener zu seinen Worten, muss er jetzt handeln. Den Hut nehmen, den Club verkaufen und ihm so die Chance geben, wieder das zu werden, was er vorher einmal war: Eine tief in der Bevölkerung verankerte Institution. Vielleicht würde der Held dann leiden müssen. Erneut. Aber für alle anderen wäre es eine Befreiung, die einer Heldentat gleicht.
Hoffentlich ist Burgener wenigstens jetzt zur Einsicht fähig.