24 Minuten anstatt 47 Stunden. So lange muss Mujinga Kambundji heute Abend beim Leichtathletik-Meeting in Lausanne auf Ditaji warten. Um 20.59 Uhr startet die ältere Schwester über 100 m, um 21.23 Uhr folgt das zehn Jahre jüngere Nesthäkchen über die Hürden.
Bei den Europameisterschaften vergangene Woche lagen beinahe zwei volle Tage zwischen den Auftritten der eng verbundenen Kambundji-Schwestern. Einerseits wurde es der 30-jährigen Mujinga in dieser Zeit nicht langweilig. Schliesslich durfte sie als frischgebackene Europameisterin über 200 m die Siegerehrung als Mittelpunkt erleben und so manchen Interviewtermin wahrnehmen.
Andererseits entsprach ihr Platz bei der Familie auf der Tribüne während des EM-Finallaufs ihrer Schwester nicht dem Lieblingsszenario der Schweizer Rekordhalterin über die beiden Sprintdistanzen. Denn eigentlich wäre geplant gewesen, dass Mujinga Kambundji unmittelbar nach dem Auftritt von Ditaji mit der Schweizer Staffel eine dritte persönliche Medaille abräumt. Doch das Quartett überstand den Vorlauf ohne ihre stärkste Athletin überraschend nicht.
So konnte Mujinga Kambundji für einmal einen Wettkampf ihrer Schwester aus der Zuschauerperspektive erleben. Und kurz nach dem Zieleinlauf von Ditaji laut in den Münchner Nachthimmel hinausschreien. «Als Zuschauerin realisiere ich das Resultat viel schneller als nach einem eigenen Rennen. Da bin ich sehr fokussiert und dieser Zustand hält auch nach dem Zieleinlauf noch eine Weile an», erklärt die zweifache EM-Medaillengewinnerin.
Die Familienbande der Kambundjis ist eng. Nachdem die zwei Schwestern bereits in München das Zimmer teilten, sassen sie auch während der fünfstündigen Zugfahrt nach Hause nebeneinander, wenn auch grösstenteils schlafend.
Der gemeinsame Auftritt am Pressetermin von Athletissima, zusammen mit Weltstars wie US-Sprinter Noah Lyles oder Norwegens Superläufer Jakob Ingebrigtsen war bei den Kambundjis bereits am Sonntagabend nach dem Bronzelauf von Ditaji ein Thema und die Vorfreude gross. Sie finden es toll, wenn man einen Erfolg miteinander teilen kann.
Doch nur sich zeigen und die Ehrerweisung des Publikums geniessen wollen die beiden schnellen Bernerinnen heute Abend in Lausanne keinesfalls. Mujinga Kambundji sagt, sie freue sich enorm auf die Auftritte in der Schweiz zum Saisonende. Beide Schwestern denken, dass für sie mit erstklassiger Konkurrenz eine noch schnellere Zeit herausschauen kann, wenn die Verhältnisse stimmen. Mujinga misst sich mit sieben WM-Finalistinnen und den drei schnellsten Frauen der Welt. «Eine unglaubliche Besetzung», sagt sie.
Der Ort, aber auch die starke Konkurrenz seien sehr motivierend. Die Frage aus der Runde, ob sie sich in der Form ihres Lebens befinde, bejaht die WM-Fünfte. Um anzufügen: «Das heisst aber nicht, dass es in Zukunft nicht noch besser geht».
Ditaji Kambundjis Ziel ist es, «so lange wie möglich mitzuhalten». Sie sagt zwar, sie habe in diesem Jahr den Schritt von der Juniorin zur Elite geschafft. Aber die 20-Jährige weiss auch, dass bis zu den Weltbesten noch ein Loch von knapp einer halben Sekunde klafft. Auf ihre eigenen Grenzen angesprochen, sagt Ditaji Kambundji: «Ich habe das Gefühl, dass ich noch viel schneller laufen kann».
Zum Abschluss des gemeinsamen Auftritts würdigt Mujinga Kambundji noch einmal die Rolle der Familie. «Meine Eltern freuten sich ganz einfach, dass wir Kinder Sport trieben. Sie hätten uns in jedem Sport unterstützt, für den wir uns begeistern konnten.» (aargauerzeitung.ch)