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Les Bonbons de Klaus

Nach Fall Khelif: Olympiasiegerin Stanisława Walasiewicz war keine Frau

Les Bonbons de Klaus

Schon vor 92 Jahren – eine Olympiasiegerin, die keine Frau war

Die Geschlechterfrage treibt die olympischen Gralshüter schon fast hundert Jahre um. Nur weil Stanisława Walasiewicz im Alter von 69 Jahren bei einer Schiesserei das Leben verliert, kommt heraus, dass eine der ganz grossen Leichtathletinnen der olympischen Geschichte eigentlich keine Frau war.
05.08.2024, 03:0706.08.2024, 19:01
klaus zaugg, paris
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Ihr Name ist heute weitgehend vergessen. Stanisława Walasiewicz (nach Heirat ab 1946 Stella Walsh-Olson) lebt vom 11. April 1911 bis zum 4. Dezember 1980. Sie ist nach einem abenteuerlichen Leben als ein intergeschlechtlicher Sportstar in die Geschichte eingegangen.

Stanisława Walasiewicz holte 1936 Gold im 100 Meter Sprint
Stanisława Walasiewicz holte für Polen zahlreiche Medaillen.Bild: pd

Sie wird im damals zum russischen Reich gehörenden polnischen Weichselland geboren. Ihre Eltern emigrieren in die USA, als sie zwei Jahre alt ist. Der amerikanische Pass wird ihr wiederholt angeboten. Aber sie lehnt ab, um weiter für den polnischen Verband starten zu dürfen. Sie wird erst 1947 durch die Heirat mit dem Boxer Neil Olson Amerikanerin und trägt fortan den Namen Stella Walsh-Olson.

Sie ist eine der populärsten polnischen Sportlerinnen ihrer Zeit. Bei den Olympischen Spielen in Los Angeles verbessert sie mehrmals den Weltrekord und gewinnt im Alter von 21 Jahren am 2. August 1932 mit 11,90 Sekunden Gold über 100 Meter. Am gleichen Tag holt sie auch noch den 6. Platz im Diskuswerfen mit einem Wurf über 33,60 Meter.

Vier Jahre später läuft sie 1936 in Berlin über 100 Meter in 11,70 Sekunden zu olympischem Silber. Bei den Europameisterschaften 1938 siegt sie über 100 und 200 Meter und holt zweimal Silber: mit der polnischen Staffel (4 x 100 Meter) und im Weitsprung. Im Laufe ihrer Karriere sprintet sie zu 18 Weltrekorden und über 70 Landesrekorden über 100 und 200 Meter. Bereits während ihrer Aktivzeit gibt es wiederholt Gerüchte, sie sei eigentlich ein Mann.

1947 wird sie Amerikanerin und heiratet den Boxer Neil Olson. Obwohl die Ehe nicht lange währt, behält sie für den Rest ihres Lebens den Namen Stella Walsh-Olson. 1951 gewinnt sie im Alter von 40 Jahren ihre letzten Titel bei den US-Leichtathletik-Meisterschaften. Aber ihre Geschichte ist mit dem letzten Titel nicht zu Ende.

Am 4. Dezember 1980 wird sie als unbeteiligte Passantin bei einem bewaffneten Raubüberfall auf einen Supermarkt in Cleveland im Bundesstaat Ohio erschossen. Bei der Obduktion kommt heraus, dass die Olympiasiegerin von 1932 keine Gebärmutter, aber Hoden und einen unterentwickelten Penis hat.

Eine Chromosomenanalyse ergibt später, dass sie sowohl männliche als auch weibliche Geschlechtschromosomen besass. In der Chronik der Olympischen Spiele von Volker Kluge wird sie als «maskuliner Pseudozwitter mit äusseren weiblichen Geschlechtsorganen» bezeichnet.

Mann oder Frau oder beides? Die Frage ist nicht erst in Paris 2024 ein Thema.

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14 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Roger Mitg
05.08.2024 06:22registriert November 2021
„ Eine Chromosomenanalyse ergibt später, dass sie sowohl männliche als auch weibliche Geschlechtschromosomen besass“

Also ein X- und ein Y-Chromosom? Wie alle Männer? 🙄
1919
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