Sport im Jahr 2024 ist, wenn die Schweiz besser ist als Deutschland. Egal, ob in Angelegenheiten von nationaler Bedeutung (Fussball), ob in einem rauen Männerspiel (Eishockey) oder bei Sand, Sun und Fun (Beachvolleyball).
Wir sind beim olympischen Beachvolleyball zu Füssen des Eiffelturmes. Nina Brunner und Tanja Hüberli sind für Laura Ludwig und Luisa Lippmann aus Deutschland eine Nummer zu gross (21:12/21:19).
Gut und gerne zehn Teams können olympisches Gold holen. Die beiden Schweizerinnen haben sehr gute Medaillenchancen. Je weiter sie auf dem Weg zu höchstem olympischen Ruhm kommen, desto mehr Arbeit für Sascha Ruefer. Er kommentiert für unser öffentlich-rechtliches Fernsehen das olympische Sandspektakel. Seit 2004 in Athen. Womit wir beim heutigen Thema sind.
Es gibt – fernsehtechnisch – zwei verschiedene Sascha Ruefer. Den olympischen Sascha und den Rasen-Sascha.
Der Rasen-Sascha polarisiert. Er ist nicht einfach ein TV-Reporter, der die Darbietungen unserer Nationalmannschaft kommentiert. Er ist in dieser Funktion eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der helvetischen Zeitgeschichte. Weil er nicht einfach plaudert und schildert. Er analysiert, wertet, ordnet ein. Der Beste seines Faches und das ist nicht ironisch gemeint. Gefühlt die höchste Fussball-Autorität im Land und erst noch mit hohem und höchstem Unterhaltungswert. So eckt er an, provoziert, polarisiert.
Es ist ein anstrengender Job. Zumal er immer dann, wenn die Nati spielt, im eidgenössischen Scheinwerferlicht steht und sich bei jeder TV-Übertragung alles um ihn dreht. Wahrscheinlich altert Rasen-Sascha bei jedem Titelturnier mehrere Jahre. Gut ist er im Januar erst 52 geworden.
Der olympische Sascha kann sich ein wenig vom Fussball-Stress erholen. Die Arbeitszeit hinter dem Mikrofon ist zwar eine längere. Manchmal sitzt er für mehrere Spiele am Tag auf der Kommentatoren-Position unter freiem Himmel. Anders als im Fussballstadion hat er hier kein Dach über dem Kopf. Auch nicht, wenn es regnet.
Soeben hat er das Spiel von Nina Brunner und Tanja Hüberli übertragen. Er wird ins Hotel zurückkehren und später am Tag für die nächste Partie wieder hier sein.
Er ist entspannt und locker und sagt, er geniesse jeden Tag. «Ich muss nicht den Experten heraushängen und kann einfach erzählen, was ich sehe.» Meinung, Einordnung sei nicht gefragt. «Ich darf auch mal dumme Fragen stellen.» Kritik gebe es hin und wieder auch. Aber auf eine coole Art. «Einmal ist ein Spieler direkt auf mich zugekommen und hat mir gesagt: Du hast einfach null Ahnung. Aber es ist trotzdem geil …» Nicht auszudenken, was los wäre, wenn Sascha Ruefer Murat Yakin fragen würde, was eigentlich ein Corner sei.
Beachvolleyball hat eben auch auf olympischem Niveau nicht die gleiche sport- und medienpolitische Bedeutung wie das Fussball-Nationalteam. Wir haben sicherlich 100'000 Nationaltrainer im Land, die im Selbstverständnis genau und besser wissen, was zu tun wäre, als Murat Yakin und mehr von der Sache verstehen als Sascha Ruefer. Aber Beachvolleyball-Nationaltrainer? Gibt es wahrlich nicht wie Sand am Meer.
Kommt dazu: Bei den Übertragungen aus Paris ist Sascha Ruefer – im Vergleich zum Fussball – eine kleine Nummer. Einer von vielen Reportern. Er kommt nicht prominenter vor als Adrian Arnet, Beat Sprecher, Claude Jaggi, Jeroen Heijers, Mario Gehrer, Mathias Winterberg, Michèle Schönbächler oder Patrick Schmid. Sascha Ruefer ist einer unter vielen. Ganz im Sinne des alten Barons Pierre de Coubertin, des Gründers der modernen Olympischen Spiele: Mitmachen ist wichtiger als Siegen.
Sascha Ruefer ist in Paris rundum wohlgelitten. «Alles ist hier so unkompliziert. Wenn ich etwas nicht verstehe, dann kann ich auch zehnmal fragen, und ich bekomme eine freundliche Antwort.» Alle seien auf eine sympathische Weise geerdet und das tue gut. «Beachvolleyball ist einfach ein wunderbares Spiel mit coolen Leuten.»
Es ist aber nicht so, dass er als olympischer Beach Boy hier in Paris einfach tun und lassen kann, was er will. Das wäre sowieso nicht in seinem Sinne. Seine lockere Art täuscht darüber hinweg, wie akribisch, sorgfältig – kurzum: wie professionell – er seiner Arbeit nachgeht.
Olympische Spiele sind auch für unser öffentlich-rechtliches Fernsehen wichtig. Paris 2024 ist eine ganz grosse Sache. Alle drei Landessender sind vor Ort und neben dem linearen Fernsehen werden weitere Highlights allein in die Deutschschweiz auf sechs Web-Kanälen übertragen.
Diese immense Wichtigkeit von Paris 2024 mag eine kleine Episode am Rande veranschaulichen. Sie sei hier erzählt ohne vorherige Absprache mit der SRF-Kommunikationsabteilung. Leutschenbach möge verzeihen. Es ist nicht boshaft gemeint.
Also: Der Chronist begibt sich für eine kleine Beachvolley-Plauderei zu Sascha Ruefer auf die Medientribüne. Er hat soeben die Übertragung der Partie von Nina Brunner und Tanja Hüberli zusammen mit seiner Co-Kommentatorin Laura Caluori abgeschlossen.
Eine modisch gekleidete Frau in den besten Jahren gesellt sich zu uns. Sascha Ruefer ist gut drauf. Aber ich habe den Eindruck, er sei ein wenig nervös. Freundlich wie immer zwar. Aber einfach nicht ganz sooo locker und entspannt wie sonst. Ob ich wohl kürzlich etwas Unfreundliches über ihn geschrieben habe? Aber das kann nicht sein und wäre ja ganz gegen meine Natur. Er sagt: «Also dann. Wir können uns über das Spiel im Medienzentrum noch unterhalten.»
Was wir dann auch tun. Einleitend fragt er mich aber erst: «Hast Du denn nicht gesehen, wer vorher oben auf der Kommentatoren-Position auch noch bei uns war?» – «Ähh, nein. War es Deine Schwiegermutter?» – «Nein. Mach keine dummen Scherze. Frau Susan Schwaller.»
PS: Susan Schwaller ist Chefredaktorin SRF-Sport.
Zu seinenär aufgesetzten Aufregung gesellt sich jetzt auch noch seine aufgesetzte Neugier. Der Typ kommentiert seit Jahren (sporadisch) Beachvolleyball und zelebriert mit seinen dämlichen Fragen seine pure Ignoranz.