Die Positionen sind klar. Die nationale Antidoping-Agentur Swiss Sports Integrity hat den Mountainbike-Profi Mathias Flückiger wegen einer Urinprobe anlässlich der Schweizer Meisterschaft vom 5. Juni mit Rückständen der anabolen Substanz Zeranol am 18. August gesperrt. Der Olympiazweite von Tokio hat am 7. September seine Unschuld beteuert und entlastende Fakten zum Fall publiziert.
Seither herrscht Sendepause. Wie also geht es weiter in der höchst umstrittenen Frage, ob Flückiger tatsächlich ein vorsätzlicher Doper ist oder vielmehr das unschuldige Opfer einer Kontamination sowie unsachgemässen Untersuchung?
Weil Dopingverfahren nicht öffentlich verhandelt werden, ja selbst provisorische Sperren von Athleten im Regelfall nicht in Publikumskreisen bekannt werden, ist der Stand des Verfahrens unklar. Trotzdem gibt es eindeutige Hinweise darauf.
Nach wie vor hat Mathias Flückiger die Öffnung der B-Probe des Dopingtests nicht verlangt. Damit wird primär der Beginn des ordentlichen Verfahrens verhindert. Da es nach Bekanntgabe des Resultats der A-Probe an den Sportler normalerweise eine bei Flückiger längst abgelaufene Frist für diesen Antrag gibt, liegt ein Szenario auf der Hand. Die Seite von Flückiger ficht derzeit bei der Disziplinarkammer von Swiss Olympic (DK) die Rechtmässigkeit des Verfahrens und den Entscheid der provisorischen Sperre an.
Dieser Vorgang unterscheidet sich inhaltlich von der Anfechtung einer provisorischen Sperre. Die Anwälte von Sprinter Alex Wilson hatten nach der positiven Trenbolon-Probe mit Letzterem bei der DK vorübergehend Erfolg, bevor der Sportgerichtshof CAS in Lausanne diesen temporären Freispruch zwei Monate später wieder kassierte.
Im Fall von Flückiger dreht sich die entscheidende Frage darum, ob Swiss Sports Integrity das vorgegebene Verfahren richtig angewendet hat. Die Argumentation von Mathias Flückiger ist simpel, die Folgen für Swiss Sports Integrity könnten verheerend sein.
Zur Argumentation: Die Welt-Antidoping-Agentur Wada hat am 1. Juni 2021 zur Verhinderung von unfairen Dopingverfahren wegen Fleischkontamination einen sogenannten Schwellenwert für den Nachweis von einigen anabolen Substanzen – darunter Zeranol – von 5 Nanogramm pro Milliliter eingeführt und einen Ablauf zur Untersuchung solcher «atypischen Resultaten» definiert, an dessen Ende die Untersuchungsbehörde, in diesem Fall Swiss Sports Integrity, entscheiden muss, ob man es als Dopingszenario wertet oder nicht. Dafür braucht es keine absolute Gewissheit. Es reicht aus, ob die Wahrscheinlichkeit höher als 50 Prozent ist.
Punkt 5 dieses Ablaufs sagt aus, dass man den betroffenen Athleten kontaktieren und zu den Umständen des auffälligen Befundes befragen soll. Konkret über Aufenthalte im Ausland sowie in den Tagen vor dem Test konsumierte Fleischprodukte. Swiss Sports Integrity hat dies bei Flückiger nicht getan.
Ob dieser im englischen mit «shall» (soll) bezeichnete Ablauf eine strikte Vorgabe oder eine Empfehlung ist, darüber gehen die Fachmeinungen auseinander. Ebenso darüber, ab welchen klaren Verdachtsmomenten das Miteinbeziehen des Verdächtigen unterlassen werden kann.
Kontaktierte internationale Experten sind sich allerdings einig darüber, dass es genügend entlastende Fakten gegeben hat, um Mathias Flückiger nicht provisorisch zu sperren. Einerseits einen Präzedenzfall aus der nordamerikanischen Leichtathletik, wo die US-Antidopingbehörde die Mittelstreckenläuferin Ajee Wilson 2017 bei sich stark gleichenden Umständen nicht gesperrt hat, obwohl es damals weder einen Schwellenwert noch ein Ablaufprotokoll gab.
Wichtigstes Argument für Flückiger ist die negative Trainingsprobe sechs Tage vor dem auffälligen Test. Was hat die Dopingjäger aber dazu bewogen, anders zu entscheiden? Vielleicht der Umstand, dass Zeranol praktisch in keiner Fleischprobe in Europa nachgewiesen wurde. Im Gegensatz etwa zu den USA. Wie also sollte es unabsichtlich in den Körper des Athleten gelangt sein? Oder der Umstand, dass der Biker nach eigenen Angaben fast nie Fleisch isst. Sollte es sich um absichtliches Doping handeln, käme nur die sogenannte Mikrodosierung in Frage.
Wenn die DK dem Antrag von Mathias Flückiger zustimmt, muss Swiss Sports Integrity das komplette Verfahren wiederholen. Die positive Probe würde wohl bis auf Weiteres aufgehoben. Und sollte es letztlich zu einem Freispruch für den Profibiker kommen, droht der nationalen Antidoping-Behörde gar eine Schadenersatzklage. Mit dem Fall vertraute Rechtsexperten gehen von einer Schadensumme von bis zu einer Million Schweizer Franken aus.
Möge die Wahrheit siegen.
Zudem, ein Wachstumshormon für einen Wettkampf zu nehmen, macht für mich einfach keinen Sinn. Wachstumshormone würden bestenfalls in der Zeit des Aufbautrainings Sinn mach, hingegen, während eines Wettkampfs braucht man ja die Muskeln, die man im Training aufgebaut hat.
Ich hoffe für Flückiger, dass sich die Sache aufklärt und ihm nicht zu viel Schaden entsteht.