Am 22. Juni war die Verhandlung, am 28. Juni kam der Entscheid: Leichtathlet Alex Wilson wurde von der Disziplinarkammer (DK) von Swiss Olympic als Folge einer positiven Dopingprobe zur höchstmöglichen Strafe von vier Jahren Sperre verurteilt. Bei einem unangekündigten Test wurde am 15. März 2021 das anabole Steroid Trenbolon nachgewiesen.
Doch 105 Tage später wartet der sanktionierte Sportler nach wie vor auf die Urteilsbegründung. Erst danach beginnt die dreiwöchige Frist, in welcher Alex Wilson das Urteil beim Internationalen Sportgerichtshof CAS in Lausanne anfechten könnte. Der 32-Jährige hatte diesen Schritt unmittelbar nach Bekanntgabe des Verdikts bereits angekündigt, da er sich trotz Verurteilung weiterhin als «unschuldig» betrachtet.
Wilsons Anwalt Gabriel Nigon bestätigt, dass die nicht öffentlich publizierte Urteilsbegründung noch nicht eingetroffen ist. Er plädiert trotzdem für «Gelassenheit». Ob man den Fall danach tatsächlich weiterziehen werde, entscheide sich erst nach dem intensiven Studium der Begründung.
Da Alex Wilson selbst im Fall eines Freispruchs von Rücktritt sprach, spielt es in der konkreten Streitfrage für die allfällige Fortsetzung der Sportkarriere keine Rolle, wie viel Zeit zwischen Urteil und schriftlicher Begründung verstreicht. Dennoch ist die Dauer von bereits drei Monaten aussergewöhnlich lang.
Im Gegensatz zu den Gepflogenheiten in der Schweiz, wo Urteile bei Dopingvergehen nicht öffentlich gemacht werden, würde eine spätere Entscheidung des CAS publiziert. Auf Antrag einer beteiligten Partei könnte sogar die Verhandlung für Publikum geöffnet werden. Alex Wilson wäre es auch freigestellt, bereits die Urteilsbegründung der DK – wenn sie denn endlich eintrifft – frei zugänglich zu machen.
Zugleich läuft aktuell eine weitere Doping-Untersuchung gegen Alex Wilson unter Federführung der Antidopingeinheit des Leichtathletik-Weltverbands. Der Basler war Kunde des texanischen Naturheilpraktikers Eric Lira und dieser seinerseits entlarvter Lieferant von Dopingmitteln für die nigerianische Sprinterin Blessing Okagbare. Diese wurde wegen verschiedener Delikte im Juni 2022 bereits für elf Jahre gesperrt.
Noch offen ist der Ausgang des Strafprozesses gegen Lira in den USA sowie eine allfällige verschärfte Dopingsperre gegen Alex Wilson. Während der Athlet selbst lediglich von zwei legalen Treffen mit Lira spricht, wirft ihm die anklagende Behörde «mehrere offene Doping-Sachverhalte» vor und spricht «von vielen vorhandenen Beweismittel, die Alex Wilson stark belasten». So unter anderem SMS-Verläufe zwischen ihm und Eric Lira. Der Schweizer Sprinter soll während längerer Zeit Dopingmittel wie EPO, Wachstumshormone und Anabolika von Lira bezogen haben.
Unter die Lupe genommen wurde auch Wilsons jamaikanischer Trainer. Vor vier Monaten sprach die unabhängige Antidoping-Organisation des Weltverbandes eine vierjährige Sperre gegen die Dreispringerin Sabina Allen aus – aufgrund von Hinweisen aus den Ermittlungen gegen Eric Lira. Allen wurde ebenso wie Alex Wilson von deren Landsmann O’Neil Wright trainiert. Wright geriet bereits 2010 in die Schlagzeilen. Damals wurde die von ihm betreute jamaikanische Sprinterin Bobby-Gaye Wilkins des Gebrauchs von Dopingmitteln überführt. Ihrem Trainer jedoch konnte dannzumal kein Fehlverhalten vorgeworfen werden.
Alex Wilson wechselte erst im Winter 2020/21 ins Team des neuen Trainers. Dies nachdem sein früherer Coach Lloyd Cowan als Folge einer Corona-Infektion verstarb. Ende April 2021 wurde Wilson zudem gefilmt, wie er mit dem lebenslang gesperrten Jamaikaner Raymond Stewart trainiert. Auch dies löste Ermittlungen der Dopingbehörden aus. (aargauerzeitung.ch)