Es war eine Szene, die das Verhältnis zwischen den beiden Schweizer Vorzeige-Mountainbikern schonungslos offenlegte: Vorne fuhr Nino Schurter, der sich an seinen Thron klammert, vom Gefühl gesteuert, dass jede Chance seine letzte sein könnte. Dahinter drückte und drängte Mathias Flückiger, des Daseins in der zweiten Reihe überdrüssig.
Der langjährige Schattenmann, der vor einem Jahr aus der Deckung trat, mit Weltcupsiegen, dem Gewinn des Gesamtweltcups und Olympiasilber gehörig Selbstvertrauen tankte und nun keine Zweifel mehr offenlässt an seiner Bereitschaft zur Konfrontation. In einer Passage abseits der Kameras lancierte Flückiger im Zauberwald ein waghalsiges Überholmanöver, es kam zum Kontakt und doppelten Sturz. Das Ergebnis: Die Plätze 3 und 4 statt 1 und 2 – und viel dicke Luft.
«Du bist nicht normal», warf Schurter seinem Konkurrenten an den Kopf. «Hey, anständig bleiben», entgegnete jemand aus Flückigers Lager. Mittlerweile steht gar der Vorwurf im Raum, dass Schurter Flückiger gar auf den Rücken geschlagen haben soll. Beat Wabel, der Technische Delegierte der UCI, bezeichnet Schurters Verhalten im Zielraum als «No-Go». Wie eine Furie sei dieser auf Flückiger losgegangen und habe mit der Faust gegen Schulter oder Rücken gehauen – ziemlich aggressiv, nicht einfach im guten Sinn, so Wabel.
Den Schlag auf den Rücken bestätigt auch Flückiger: «Wenn er mir dann noch eins auf den Rücken haut, dann kann ich es noch weniger begreifen», sagte er gemäss «Blick» zum Vorfall. Schurter wehrt sich gegen den Vorwurf: «Ich habe Mathias nicht geschlagen, sondern ihm lediglich auf den Rücken geklopft.»
Wieder steht Aussage gegen Aussage – wie schon zur Szene im Zauberfall, die zum Crash geführt hat. Schurter schildert in einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger» mit einem Tag Abstand erstmals ausführlich seine Sicht der Dinge. Er sei im Wald auf einer geraden Trailpassage, «wo es einfach keinen Platz für zwei Fahrer gibt», plötzlich von hinten gerammt worden.
Dort gibt es keine zweite Linie, es hat nur eine Spur», führt Schurter aus. «Ich hatte nicht mal gemerkt, dass er kommt. Es hat einfach ‹gräblet.› Dann ging alles sehr schnell. Wir gingen beide zu Boden, lagen quasi übereinander. Die nachfolgenden zwei Fahrer mussten über uns hinwegspringen.»
Flückiger seien die Möglichkeiten ausgegangen, und er habe einfach noch einmal alles versucht. «Auch das, was nicht machbar ist. Auf den Trails gibt es viele Orte, an denen man nicht überholen kann.» Das müsse man als Rennfahrer aushalten können, so Schurter
Flückiger hat sich seit Sonntag nicht mehr zum Vorfall zu Wort gemeldet. «Es tut mir leid, dass das passiert ist. Aber es ist ein Rennen, jeder will gewinnen», erklärte er kurz nach dem Rennen und fügte an, dass er von Schurter gelernt habe, wie man überholt, respektive wie frech man fahren darf.» Damit sprach Flückiger auf die letztjährige WM an, an der Schurter ihm mit einem forschem Überholmanöver auf der letzten Runde den WM-Titel noch vor der Nase wegschnappte. «Ich kann dazu nur sagen, dass ich in den letzten 20 Jahren nie jemanden abgeschossen habe», entgegnete Schurter.
Der neunfache Weltmeister möchte das ganze vorerst auf sich beruhen lassen, das letzte Wort sei aber noch nicht gesprochen. «Die ganzen Emotionen müssen sich jetzt erst mal legen. Wir werden dann schon mal zusammen reden und das besprechen», erklärte Schurter. «Es ist blöd gelaufen, ändern lässt es sich nicht mehr. Ich schaue jetzt vorwärts.» Flückiger erklärte am Sonntag: «Ich hoffe, niemand ist nachtragend, das wäre schade.»
Trotz der versöhnlichen Worte dürfte es aber definitiv nicht das letzte Kapitel in der Rivalität zwischen den beiden Schweizern gewesen sein. Das nächste folgt nämlich schon ziemlich bald: In den nächsten Wochen stehen die Weltcuprennen in Vallnord, Snowshoe und Mont-Sainte-Anne an, danach die WM in Les Gets, wo Flückiger seinen ersten und Schurter seinen zehnten Weltmeister-Titel holen will. Spätestens dort werden wieder alle Augen auf die beiden Schweizer Rivalen gerichtet sein. (pre/sda)
ähä. Amber Heard, is it you?