Welch ein Drama auf der Lenzerheide! Nino Schurter und Mathias Flückiger sind wenige hundert Meter vor dem Ziel auf dem Weg zu einem Schweizer Doppelsieg, Schurter gar kurz davor, Julien Absalon als alleinigen Rekord-Weltcupsieger zu überflügeln.
Doch im auf den TV-Bildern nicht sichtbaren Zauberwald kommt es zum verhängnisvollen Zwischenfall: Die beiden Schweizer stürzen, der Italiener Luca Braidot erbt den Sieg, Alan Hatherly aus Südafrika wird Zweiter. Flückiger rettet noch Rang drei über die Ziellinie, Schurter muss sich mit dem vierten Rang begnügen.
Das sorgt im Zielgelände für böses Blut zwischen den beiden Schweizern. Erst gerade im Ziel angekommen, schreit Schurter in Richtung Flückiger: «Du bist nicht normal.»
Schurter lässt Frust gegenüber Flückiger raus: «Du bist nicht normal!» #srfsport #Lenzerheide #Mountainbike #srfRad pic.twitter.com/uDxEqWoMHt
— SRF Sport (@srfsport) July 10, 2022
Auch wenige Augenblicke später, beim Interview mit dem Schweizer Fernsehen, hat sich Schurter noch nicht beruhigt: «Es ist traurig. Im letzten Waldstück versuchte Flückiger mich zu überholen, wo es nicht geht. Er hat mich abgeschossen», klagt Schurter. Wir hätten ziemlich sicher einen Doppelsieg feiern können, erklärt der Bündner weiter. Es sei eine ganz schlechte Antwort von Flückiger, der wohl das letzte Jahr noch nicht verdaut habe (damals wurde Schurter in der Lenzerheide vor Flückiger Zweiter – die Red.).
«Ich verstehe es echt nicht. Er war frustriert. Man kann überholen, ohne den anderen zu berühren, aber mit Berührung geht es einfach nicht. So etwas darf nicht passieren», sagt Schurter, eher er sichtlich emotional davonläuft.
Deutlich nüchterner analysiert Flückiger das Geschehene: «Ich würde sagen, so ist einfach das Rennen. Überholmanöver hatten wir letztes Jahr genug gesehen. Dieses Mal hat es leider geknallt.» Schurter habe ihn an einem unerwarteten Ort überholt, deshalb habe er nochmals zurückschlagen wollen.
Der Berner sagt: «Es tut mir leid, dass wir crashen, hätte natürlich nicht passieren dürfen. Aber wir sind hier, um Rennen zu fahren.» Sie seien hier nicht bei einem Zeitfahren. Er schenke seinem Gegner nicht einfach einen Weltcupsieg, erklärte Flückiger. Er begreife, dass Schurter frustriert ist, er sei es selbst auch. Trotzdem ist er optimistisch: «Wir können mit dem beide umgehen. Wir müssen verschnaufen, vielleicht drüber schlafen. Nächste Woche geht es weiter.»
Alessandra Keller schafft es am Weltcup in Lenzerheide zum ersten Mal auf das Podest im Cross-Country. Die Nidwaldnerin wird hinter der Französin Loana Lecomte und der Schwedin Jenny Rissveds Dritte.
Keller, vor vier Jahren U23-Weltmeisterin auf der gleichen Strecke und am Freitag bereits Zweite im Short Race, muss ihre Mit-Ausreisserinnen erst in der vorletzten Runde ziehen lassen. Ihr komfortables Polster auf die Verfolgerinnen verteidigte sie souverän.
Mit dem 3. Platz beendete Keller die fast dreijährige Podest-Durststrecke der Schweizer Mountainbikerinnen im Cross-Country-Weltcup. Als zuvor Letzte hatte es Jolanda Neff im August 2019 mit Rang 2 im Val di Sole in Italien unter die ersten drei geschafft. In Lenzerheide belegte die Olympiasiegerin als zweitbeste Schweizerin Platz 6. Linda Indergand und Ramona Forchini folgten auf den Plätzen 9 und 11. (abu/sda)