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Tyrese Haliburton – der NBA-Star mit den zwei Stimmen zeigt's allen

Indiana Pacers guard Tyrese Haliburton (0) makes a choke motion towards the New York Knicks after hitting a shot at the end of the fourth quarter of Game 1 of the NBA basketball Eastern Conference fin ...
In New York provozierte er die Fans mit der «Würge»-Geste – Tyrese Haliburton ist derzeit einer der aufregendsten NBA-Stars.Bild: keystone

NBA-Stars halten ihn für überbewertet – doch der Mann mit den zwei Stimmen zeigt's allen

Die Indiana Pacers stehen erstmals seit 25 Jahren in den NBA-Finals. Das liegt vor allem an Tyrese Haliburton, der von der Konkurrenz verschmäht wurde und dafür aus einem tiefen mentalen Loch finden musste.
05.06.2025, 19:0006.06.2025, 10:08
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Wer Tyrese Haliburton in diesen Playoffs beobachtet, fragt sich zwangsläufig, was die Konkurrenz eigentlich gegen den Point Guard der Indiana Pacers hat. In einer anonymen Umfrage unter den NBA-Spielern von «The Athletic» wurde Haliburton im April zum überbewertesten Spieler der Basketball-Liga gewählt. 90 Profis antworteten auf die Frage, Haliburton erhielt dabei die meisten Stimmen (13).

Nun brilliert der 25-Jährige in den Playoffs, führte sein Team erstmals seit 2000 in die Finals. Dort treffen die Pacers ab der Nacht auf Freitag auf die Oklahoma City Thunder, das beste Team der Regular Season. Dann wird Indiana erneut auf Haliburton hoffen, der bereits mehrfach bewiesen hat, in den entscheidenden Momenten da zu sein.

Schon in der ersten Runde der Playoffs entschied er das fünfte und letzte Spiel gegen die Milwaukee Bucks mit einem Korb in den Schlusssekunden. Gleiches gelang Haliburton in Spiel 2 der Viertelfinal-Serie gegen die Cleveland Cavaliers. Im 1. Halbfinalspiel gegen die Knicks glaubte er dann, sein Team erneut mit einem Dreier zum Sieg geworfen zu haben. Der Mann aus Wisconsin stand aber mit den Zehenspitzen noch auf der Dreierlinie, weshalb es nur zwei Punkte gab und damit zur Verlängerung kam, die Indiana dann gewann.

Völlig verrückt: Die Pacers lagen in jedem dieser Spiele eine Minute vor Ende mit sieben oder mehr Punkten zurück. Seit diese Statistik 1997/98 erstmals erfasst wurde, schaffte es von über 1600 Teams in den Playoffs zuvor nur eines, diesen Rückstand noch zu wenden. Indiana gelang dies alleine in den letzten Wochen bereits dreimal – und der Hauptgrund dafür ist Tyrese Haliburton.

Er provoziert gerne auch mal den Gegner

Der ist zwar nicht der Topskorer des Teams, das ist Pascal Siakam, doch aufgrund seiner Stärken als Passgeber ist Haliburton der klare Leader und Taktgeber in der Offensive. Um ihn ist das Team und das System von Trainer Rick Carlisle aufgebaut. «Er ist unser Maestro», erklärt Siakam. Neben 18,8 Zählern pro Spiel kommt Haliburton in den Playoffs auf 9,8 Assists bei nur 1,9 Ballverlusten. Eine unfassbare Bilanz, welche seine Sicherheit mit dem Ball in der Hand unterstreicht. So macht er seine Defizite in der Defensive locker wett.

Wie selbstbewusst der Guard, der Indiana schon in der Vorsaison in die Halbfinals geführt hat, auftritt, zeigte sich nach seinem vermeintlichen Gamewinner in Spiel 1 gegen New York. Dort lagen die Knicks zwischenzeitlich mit 17 Punkten in Führung und verloren doch noch. Haliburton griff sich nach seinem Treffer mit beiden Händen an den Hals und deutete ein Würgen an – in Anlehnung an Pacers-Legende Reggie Miller, der dies 1994 ebenfalls in New York getan hatte. Mit der Geste spielten die beiden auf die Doppeldeutigkeit des englischen Begriffs «choke» an, der neben «würgen» im Sport auch für Teams verwendet wird, die grosse Führungen verspielen.

Obwohl die Pacers doch noch den Umweg über die Verlängerung gehen mussten, zeigte die Szene, dass Haliburton die Freude am Spiel wieder gefunden hat. Zwischenzeitlich hatte er diese verloren.

Spott ist für ihn Motivation – doch plötzlich fiel er in ein Loch

Im letzten Jahr kämpfte der Basketball-Star mit mentalen Problemen. Bei den Olympischen Spielen kam er für die USA auf dem Weg zu Gold kaum zum Einsatz, im Halbfinal und im Final stand er gar nicht auf dem Feld. In den sozialen Medien wurde er deshalb zum Gespött, was er zunächst mit Humor nahm. Schliesslich las Haliburton diese Kommentare schon während seiner gesamten Karriere, nutzte sie als Motivation, den Kritikern das Maul zu stopfen. Doch während Olympia konnte er dies aufgrund der mangelnden Spielzeit nicht. Als er dann auch schwach in die NBA-Saison startete, fiel er in ein Loch.

«Die Kritik hat mich so sehr aufgefressen, dass ich aufgehört habe, danach zu suchen, und das war ein Nachteil für mich, denn so bin ich nicht», erklärte er später gegenüber «The Athletic». Die Verunsicherung sei so schlimm geworden, dass er sich nicht mehr im Spiegel anschauen konnte. «Ich hatte Probleme, bei der Arbeit zu erscheinen und ins Training zu gehen. Ich wollte das plötzlich meiden und habe versucht, davor wegzurennen.» Da habe er gemerkt: «Ich fühle mich nicht wie ich selbst. Dieser Scheiss ist schlimm.»

Tyrese Haliburton brilliert in den Playoffs.
Tyrese Haliburton brilliert in den Playoffs.grafik: sofascore.com

Zu der Zeit sprach Haliburton schon seit längerem mit einer Team-Psychologin, ging zur Therapie. Doch erst dank seines Spezialtrainers Drew Hanlen, der für den Basketballprofi mehr auch als Lebenscoach fungiert, fand er den Weg zu seinem alten Selbst. Haliburton öffnete sich Hanlen gegenüber, sprach über seine Probleme, die er zuvor selbst seiner Freundin verheimlicht hatte – und spürte die Folgen auch auf dem Feld.

Haliburton fand aus dem Loch, führte sein Team ab Dezember zu 37 Siegen in seinen 50 Einsätzen und setzte in den Playoffs noch einmal einen drauf. Für diese Situationen ist er ja auch gemacht. Schiessen sich die gegnerischen Spieler und Fans auf ihn ein, treibt ihn das zu Höchstleistungen. Wenn er denn mental im richtigen Zustand ist.

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Mitten im Interview wechselt seine Stimme

Eine weitere Besonderheit Haliburtons ist seine Stimme – oder besser gesagt seine beiden Stimmen. Hört man ihn sprechen, glaubt man, zwei Menschen zuzuhören. Immer wieder wechselt er zwischen den Tonlagen hin und her. Er selbst merke das beim Sprechen gar nicht, doch würde er immer wieder darauf aufmerksam gemacht und könne er es im Nachhinein auch hören. «Es passiert einfach, ich kann es nicht kontrollieren», sagt Haliburton dazu.

So wie die Meinung der anderen NBA-Stars über ihn. Doch das ist ihm auch egal. Nach Bekanntgabe der Resultate der Spielerbefragung sagte der «überbewertete» Haliburton: «Ich habe nicht viel dazu zu sagen. Ich weiss, wer ich bin. Ich bin zufrieden in meiner Haut und mache mir keine Sorgen darüber, was andere denken.»

Wahrscheinlich hat der 25-Jährige, der 2020 an zwölfter Stelle von Sacramento gedraftet und im Februar 2022 dann nach Indiana getradet wurde, mit seinen Leistungen in den Playoffs ohnehin schon viele Kritiker umgestimmt. Ex-Profi Marcus Morris vergleicht Haliburton gar schon mit Chris Paul, der als einer der besten Passgeber der NBA-Geschichte gilt und deshalb den Spitznamen «Point God» trägt, während Experte Jay Williams Ansätze von Magic Johnson sieht.

Was Tyrese Haliburton mit der Lakers-Legende, die stets mit einem Lächeln im Gesicht spielte, in jedem Fall wieder gemeinsam hat, ist die grosse Freude am Spiel.

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