Am 57. Super Bowl am Sonntag in Glendale (Arizona) kommt es zu einer historischen Konstellation. Erstmals stehen mit Patrick Mahomes (Kansas City Chiefs) und Jalen Hurts (Philadelphia Eagles) zwei schwarze Quarterbacks in der Startformation. Mahomes wurde am Donnerstag bereits zum wertvollsten Spieler der NFL-Saison gewählt.
Im Stadion anwesend sein wird einer, den man als Wegbereiter der beiden Spielmacher bezeichnen kann: Der 67-jährige Doug Williams war vor 35 Jahren der erste schwarze Quarterback im Football-Endspiel. Mit den Washington Redskins, wie das Team damals politisch unkorrekt noch hiess, traf er in San Diego auf die favorisierten Denver Broncos.
Ihr Quarterback war kein Geringerer als der charismatische John Elway, die Verkörperung des weissen «All American Boy». Auf der anderen Seite stand Doug Williams, geboren 1955 im rassengetrennten Südstaat Louisiana. Seine Football-Karriere begann er an der rein schwarzen Grambling State University unter dem legendären Coach Eddie Robinson.
Williams’ Talent war offensichtlich. 1978 wurde er im NFL-Draft schon in der ersten Runde von den Tampa Bay Buccaneers ausgewählt. Dennoch hatte er es nicht leicht. Die Vorurteile und Vorbehalte gegen Afroamerikaner auf der Position des Quarterbacks waren enorm. Viele trauten ihnen die anspruchsvolle Rolle des Spielgestalters und Ballverteilers nicht zu.
Es waren die bekannten rassistischen Reflexe in den USA. Schwarze konnten rennen, Bälle fangen oder Gegenspieler tackeln. Für komplexere Aufgaben aber galten sie als zu «dumm». Als Doug Williams sich in der NFL durchsetzen musste, wurden solche Vorbehalte nur noch verklausuliert geäussert. Vor dem Super Bowl am 31. Januar 1988 waren sie dennoch omnipräsent.
Der Druck, der auf Quarterback Williams lastete, war entsprechend gross. Prompt schien er daran zu zerbrechen, denn das Endspiel in San Diego begann für Washington miserabel. Die Broncos, die im Vorjahr gegen die New York Giants verloren hatten, gingen im ersten Viertel mit 10:0 in Führung. Zu allem Übel erlitt Doug Williams auch noch eine Knieverletzung.
Ein Desaster schien sich anzubahnen, doch das zweite Viertel ging in die Geschichte ein. Williams kehrte aufs Feld zurück und erzielte gleich mit dem ersten Ballwurf einen Touchdown. Drei weitere sollten in diesen 15 Minuten folgen, einen fünften Touchdown erzielten die Redskins durch Laufspiel. Die Denver Broncos wurden regelrecht zermalmt.
Am Ende siegte Washington mit 42:10, und der schwarze Quarterback hatte mehrere Super-Bowl-Rekorde aufgestellt. Dazu gehörten die vier Touchdowns in einem Viertel und in einer Halbzeit sowie erfolgreiche Passwürfe über insgesamt 340 Yards. Es lag auf der Hand, dass Doug Williams auch zum wertvollsten Spieler (MVP) des Super Bowl gewählt wurde.
Nach seiner aktiven Karriere arbeitete er an verschiedenen Orten als Trainer. In Grambling löste er seinen Mentor Eddie Robinson ab, der jahrzehntelang als Chefcoach tätig war. Heute arbeitet Doug Williams als Berater für sein einstiges Team, das in Washington Commanders umbenannt wurde, weil der Begriff «Rothäute» nicht mehr akzeptabel ist.
Schwarze Quarterbacks hingegen sind heute akzeptiert, doch ganz ist die Kontroverse nie verschwunden. Das zeigt der Rummel um das Duo Hurts/Mahomes. Doug Williams sagte gegenüber US-Medien, dass er tief bewegt war, als die Finalisten vom Sonntag feststanden: «Ich hatte Freudentränen in den Augen, weil ich das erleben darf.»
Gleichzeitig gab er eine gewisse Ambivalenz zu, denn es ist symptomatisch für die anhaltend schwierige Rassismusdebatte in den USA, dass zwei schwarze Quarterbacks zum grossen Thema werden. «Es sind 35 Jahre vergangen, und wir müssen immer noch viele Kämpfe neben dem Feld austragen», sagte Williams dem Fernsehsender ESPN.