Erstmals in der Geschichte des Super Bowls stehen sich Geschwister gegenüber. Travis Kelce, der bei den Kansas City Chiefs unter Vertrag steht, trifft auf seinen Bruder Jason von den Philadelphia Eagles. In ihrer gemeinsamen Show «New Heights» bezeichnete Jason Kelce die Rivalität zwischen den Geschwistern bereits als «grösste Rivalität der Menschheit». Die beiden Football-Profis duellierten sich schon im Kindesalter – und der zwei Jahre ältere Jason lässt keine Zweifel daran offen, wer damals die Oberhand hatte. Der heute 37-Jährige stichelt: «Wenn du mal gewonnen hast, dann nur, weil ich mich schlecht gefühlt habe und dich gewinnen lassen wollte.»
So einfach wird es der ältere Bruder heute aber nicht haben, sich durchzusetzen. In den beiden bisherigen Duellen in der NFL setzte sich zweimal Kansas City durch. Und so wandte sich Jason gar mit einer nicht ganz ernst gemeinten Bitte an Travis: «Du wirst in die Hall of Fame aufgenommen werden, wurdest häufiger in den Pro Bowl gewählt, öfters als einer der besten Spieler ausgezeichnet. Lass mich dafür den Super Bowl gewinnen!»
Sowohl Jason als auch Travis Kelce holten mit ihren Teams schon einmal die Meisterschaft. Auf dem Feld werden sich die Brüder jedoch nicht begegnen, denn sie sind beide Teil der jeweiligen Offensive. Der Eagles-Kelce spielt in der Offensive Line, der Chiefs-Kelce wird als Tight End und bester Passempfänger von Quarterback Patrick Mahomes im Fokus stehen.
Schon jetzt sind sich aber beide sicher, dass es ein unvergesslicher Tag werden wird. Schliesslich sind die Chancen, dass es zwei Brüder in die NFL schaffen, dort fester Bestandteil ihrer Teams werden, auf ihren Positionen zu den besten der Liga gehören und es dann auch noch im selben Jahr in den Super Bowl schaffen, äusserst gering. So sagt Travis Kelce: «Dass das alles so passiert ist, ist unfassbar.» Dass häufig auch vom «Kelce Bowl» geschrieben wird, ist den beiden aber eher unangenehm. Schliesslich seien sie nur zwei von unzähligen Personen, die den beiden Teams angehören und am Ende ist ein ganzer Klub Super-Bowl-Champion, nicht nur eine einzelne Person.
Dennoch ist natürlich klar, dass die Partie auch für die Kelce-Eltern eine ganz besondere wird. Mutter Donna brachte ihren beiden Söhnen bei einem Medienauftritt bereits Guetzli. Dabei trug sie ein zweigeteiltes Trikot, um beide Söhne zu unterstützen. Übrigens: Die Familie Kelce wird eigentlich «Kels» und nicht «Kelsi» ausgesprochen. Doch wie Vater Ed Kelce erzählt, hatte er irgendwann keine Lust mehr, die Leute zu korrigieren, wenn sie seinen Nachnamen falsch aussprachen.
Mama Kelce knows best ❤️@Eagles | #SBLVII pic.twitter.com/eCH36WLTx2
— Kansas City Chiefs (@Chiefs) February 7, 2023
Als Andy Reid 1999 seinen ersten Job als Cheftrainer in der NFL antrat, tat er dies bei den Philadelphia Eagles. 14 Saisons lang leitete er die Geschicke des Teams aus dem Staat Pennsylvania – und das erfolgreich. Fast immer erreichte Philadelphia die Playoffs, gewann vor allem mit Quarterback Donovan McNabb eine deutliche Mehrheit seiner Spiele und stand fünfmal im Halbfinal. Nur der ganz grosse Erfolg war Reid und den Eagles nicht vergönnt, in der Saison 2004/05 verlor Phillie erst im Super Bowl gegen die New England Patriots.
Nach zwei verpassten Playoff-Teilnahmen wurde Reid entlassen und wechselte 2013 als Coach zu den Kansas City Chiefs. Ein Entscheid, den er wohl kaum bereut hat. Ausser im ersten Jahr schaffte er mit dem Team aus Missouri stets den Playoff-Einzug. Bereits mit Quarterback Alex Smith war Kansas City stets eines der erfolgreichsten Teams, doch als in der Saison 2018/19 Patrick Mahomes das Ruder übernahm, gehörten die Chiefs endgültig zur Elite der NFL.
Obwohl Reid schon lange zu den besten Coaches im American Football zählte, galt er lange als «unvollendet». Erst mit dem Super-Bowl-Triumph im Februar 2020 war auch dieser Makel beseitigt. Nun könnte der sympathische Reid, der sich selbst als leidenschaftlicher Esser und grosser Cheeseburger-Fan bezeichnet, erst der 15. Trainer werden, der zwei NFL-Titel gewann – und das gegen sein altes Team. Der 64-Jährige sagt zwar, dass er Philadelphia noch immer liebe, aber es mache den Super Bowl nicht zusätzlich speziell, weil es ein Duell gegen sein Ex-Team ist: «Zwei Teams spielen gegeneinander, welche Trikots sie tragen, ist egal.»
Nicht nur für Andy Reid ist es ein Wiedersehen mit seinem alten Team. Auch Nick Sirianni, Cheftrainer der Philadelphia Eagles, arbeitete einmal beim Gegner. Der 41-Jährige arbeitete ab 2009 vier Jahre lang bei den Chiefs, bekam aber keinen Vertrag mehr, als Reid das Team übernahm und seinen eigenen Assistenztrainer mitbrachte.
Nicht nur wegen des Kelce-Duells wird der Super Bowl in die Geschichte eingehen. In der 57. Ausgabe werden sich auch erstmals zwei schwarze Quarterbacks gegenüberstehen. Sowohl Jalen Hurts als auch Patrick Mahomes sind sich des geschichtsträchtigen Moments bewusst. «Ich denke über die reiche Geschichte in diesem Sport nach und nun Teil eines solch historischen Moments zu sein, ist speziell», sagt Eagles-Quarterback Hurts.
«Es ist historisch», sagt sein Gegenüber Mahomes, der eine weisse Mutter hat, und fährt fort: «Viele Menschen vor uns legten die Grundlage, und nun gegen jemanden wie Jalen zu spielen, wird ein spezieller Moment sein, der hoffentlich für immer in Erinnerung bleibt.» Einer der Vorkämpfer ist Doug Williams, der 1988 als erster schwarzer Quarterback den Super Bowl gewann. Er sagt über den bevorstehenden Final: «Ich hatte Freudentränen in den Augen.»
Der Super Bowl wird aber nicht nur aufgrund der vielen Randgeschichten sehr interessant, sondern auch auf dem Feld wird ein spannender Kampf zwischen den beiden besten Teams der NFL erwartet. Sowohl Kansas City in der AFC als auch Philadelphia in der NFC waren das topgesetzte Team der jeweiligen Conference. Besonders im Fokus stehen werden die unterschiedlichen Systeme der beiden Kontrahenten.
Denn während Kansas City mit Mahomes einen der passstärksten Quarterbacks der Liga hat und deutlich mehr Raumgewinn durch die Luft erzielt als jedes andere Team, läuft Philadelphia am dritthäufigsten in der NFL. Dies liegt vor allem auch an Quarterback Hurts, der selbst sehr schnell und wendig ist, und in dieser Saison zwar auch immer wieder mit Pässen geglänzt hat, in den drei Spielen nach der Rückkehr von seiner Schulterverletzung aber nur Pässe über insgesamt 229, 154 und 121 Yards warf. Dies hat indes auch mit den deutlichen Siegen in den letzten beiden Spielen zu tun, wodurch keine riskanten Würfe mehr nötig waren.
Spannend ist zudem, dass die Verteidigungen jeweils genau dort ihre Stärken haben, wo die gegnerische Offensive ebenfalls stärker ist und die Schwachstellen ebenfalls übereinstimmen. So wird interessant zu verfolgen sein, ob die Chiefs in dieser Partie verstärkt auf Läufe setzen werden, um die Schwäche in der Eagles-Verteidigung auszunutzen. Gleichzeitig wird Hurts Chancen bekommen, seine Wide Receiver A. J. Brown und DeVonta Smith in Szene zu setzen. Es wird entscheidend sein, welche Offensive die Schwachstellen des Gegners besser ausnutzen kann – und welcher Defensive es gelingt, die eigenen Stärken besser auszuspielen.
Beim Spiel zwischen den Eagles und den Chiefs wird auch auf der Tribüne und vor allem in den Städten Philadelphia und Kansas City viel Spektakel geboten werden. Beim Titelgewinn in der Saison 2017/18 trugen die Phillie-Fans häufig Hundemasken, um ihre Underdog-Mentalität zu unterstreichen. In der Stadt war nach dem Triumph viel los, an gewissen Orten eskalierte die Party auch. Damit nicht erneut so viele Fans auf Strassenlaternen und Lichtsignale klettern und Gefahr laufen, sich zu verletzen, wird die Stadt diese Stangen mit Fett einschmieren, um sie rutschiger zu machen.
Demgegenüber stehen die Fans von Kansas City, die den Ruf haben, die lauteste Anhängerschaft der NFL zu sein. Zumindest halten sie mit 142,2 Dezibel in einem Spiel im Arrowhead Stadium aus dem Jahr 2014 den Lautstärke-Rekord. Besonders mit dem Tomahawk Chop und dem dazugehörigen Gesang sorgen die Zuschauerinnen und Zuschauer im Stadion regelmässig für Gänsehaut. Der dürfte auch beim Super Bowl in Glendale (Arizona) lautstark zu hören sein.