«Bet I'll have you naked by the end of this song» – ich wette, am Ende dieses Songs bist du nackt. Das sangen Janet Jackson und Justin Timberlake in der Halbzeitshow des Super Bowl 2004. Und auf einer der grösstmöglichen Bühnen – 89,8 Millionen Menschen verfolgten das Spektakel vor Ort oder am TV – sollte sich die Songzeile bewahrheiten.
Der Augenblick, in dem Janet Jacksons entblösste Brust über die Bildschirme in den Wohnzimmern der USA und der ganzen Welt flimmerte, dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde – lange genug, um Jacksons Karriere gewaltig ins Stocken zu bringen und in den USA eine emotionale Debatte zu entfachen, die in einer neuen Praxis bei Live-TV-Übertragungen mündete. Der lachende Dritte in dieser ganzen Angelegenheit: Justin Timberlake. Aber alles von vorne.
Am 38. Super Bowl siegten die New England Patriots gegen die klaren Aussenseiter aus Carolina 32:29. Die Patriots mit der NFL-Legende Tom Brady als Quarterback kürten sich mit ihrem Triumph zum dritten Mal innerhalb von vier Jahren zum Super-Bowl-Champion, trotz eines verhaltenen Starts und einer zwischenzeitlichen 22:21-Führung der Panthers.
Wer sich noch an den Super Bowl 2004 erinnern kann, denkt aber vermutlich nicht unbedingt an das Spiel selbst, sondern vielmehr an die Ereignisse in der Halbzeitshow. Mit Janet Jackson und Justin Timberlake standen zwei Popstars gemeinsam auf der Bühne. Timberlake, damals 23-jährig, hatte zwei Jahre zuvor nach der Auflösung der Boygroup NSYNC seine Solokarriere lanciert, die 37-jährige Schwester von Superstar Michael Jackson war bereits eine feste Grösse im Musikbusiness.
Der Schlusspunkt der perfekt orchestrierten Show bildete Justin Timberlakes Song «Rock Your Body», den die beiden gemeinsam sangen. Bei der eingangs erwähnten Songzeile griff Timberlake an Jacksons Brust und riss den Stoff, der sie bedeckte, weg – und so kam es, dass ein Millionenpublikum freie Sicht auf Jacksons Nippel hatte.
Laut Aussagen der Show-Verantwortlichen Beth McCarthy-Miller brach Jackson nach dem Vorfall hinter der Bühne in Tränen aus, während eine Journalistin zum gutgelaunten Timberlake sagte: «Du warst unartig mit Miss Jackson, das war cool», worauf Timberlake meinte: «Davon träumt jeder Mann.»
Bis heute gehen die Meinungen darüber, ob das Ganze als PR-Stunt geplant oder ob eine «wardrobe malfunction», also ein Kostümfehler, für den Vorfall verantwortlich gewesen sei, auseinander. Laut Jackson und Timberlake sei der Schlussakt ihrer Show zwar geplant gewesen – angeblich ohne das Wissen der Verantwortlichen –, jedoch hätte nur das Stück Stoff über Jacksons rotem Spitzen-BH weggerissen werden sollen.
In den USA sorgte der für Sekundenbruchteile entblösste Nippel für einen kollektiven Aufschrei. Über eine halbe Million Beschwerden gingen bei der verantwortlichen Behörde Federal Communications Commission ein. Die Kommission verklagte daraufhin den übertragenden Sender CBS und Sponsoren forderten ihr Geld zurück. Der sogenannte «Nipplegate» führte zudem zu einem Paradigmenwechsel beim Ausstrahlen von Live-Veranstaltungen, der in den USA bis heute Bestand hat: Live-Shows werden seit der Halbzeitshow am Super Bowl 2004 nur noch um einige Sekunden zeitversetzt ausgestrahlt. Sodass die Regie bei ähnlichen Vorfällen rechtzeitig umschneiden kann.
Die grosse Ehre, in der Halbzeitshow aufzutreten, endete für Janet Jackson in einem Desaster. Ihre Songs und Musikvideos wurden als Reaktion auf den «Nipplegate» von diversen Radio- und TV-Stationen boykottiert. Von den Grammy Awards, die eine Woche später stattfanden, wurde sie ausgeladen. Angesichts des Entsetzens, welche die entblösste Brust ausgelöst hatte, sah sich Jackson gar gezwungen, eine öffentliche Entschuldigung abzugeben.
Während die Suchanfragen für Janet Jackson im Internet explodierten, ging es mit ihrer Karriere bergab. Justin Timberlake wurde vom Zorn der Öffentlichkeit weitgehend verschont. An den Awards, von denen Jackson als Persona non grata wieder ausgeladen wurde, gewann er seinen ersten Grammy. Jahre später entschuldigte sich der Popstar bei seiner Bühnenpartnerin und räumte ein, dass er sich «stärker» für sie hätte einsetzen sollen.