Dieser Tage ist der Dopingfall Kamila Walijewa abgeschlossen worden. Die russische Eiskunstläuferin wurde vom Internationalen Sportgerichtshof (CAS) für vier Jahre gesperrt. Als 15-Jährige war Walijewa an den Olympischen Spielen 2022 in Peking positiv getestet worden. Man wies ihr die Einnahme eines Herzmittels nach, das im Sport verboten ist, weil es die Blutzufuhr ans Herz unter körperlicher Belastung erhöht und so die Leistungsfähigkeit erhöhen kann.
Doping bei Kindern?! Der Aufschrei war gross. Nun zeigt ein Bericht der WADA, dass Walijewa längst nicht die einzige minderjährige Sportler:in war, der Dopingmissbrauch nachgewiesen wurde.
Seit 2012 gingen 1416 Junior:innen in die Maschen, sie waren für gesamthaft 1518 Dopingfälle verantwortlich. Nicht jeder Fall war ein Verstoss, manchmal stellte sich auch heraus, dass jemand, der überführt wurde, für das entsprechende Mittel eine Bewilligung besass, etwa für Ritalin zur Behandlung von ADHS.
Etwa 80 Prozent aller Fälle führten zu einer Sanktion. Am häufigsten erwischt wurden junge Sportler:innen im Gewichtheben, der Leichtathletik und im Schwimmen. Nach Nationen aufgeschlüsselt betraf es am häufigsten Russland, Indien und China. Auch in der Schweiz wurde ein Minderjähriger bestraft. Das jüngste getestete Kind war erst acht Jahre alt. Die jüngste wegen eines Dopingmissbrauchs bestrafte Person war zwölf Jahre alt.
Kommt die Motivation fürs Betrügen von diesen Kindern selbst? Oder stecken vielmehr ihre Betreuer hinter dem Doping? Die WADA stellte Anzeichen, dass die zweite Annahme die richtige sein könnte, fest. Etwa in Rumänien, wo vier minderjährige Boxer gleichzeitig auf Furosemid getestet wurden. Das Markierungsmittel wird eingesetzt, um Spuren anderer Dopingmittel aus dem Körper auszuscheiden. Auch in China, Belarus und Kasachstan wurden mehrere Sportler:innen aus Leichtathletik, Eiskunstlauf und Gewichtheben mit einer jeweils gleichen verbotenen Substanz erwischt.
Das Hauptaugenmerk legt der «Operation Zuflucht» genannte WADA-Bericht auf die Folgen, die ein Dopingverstoss für Minderjährige haben kann. Viele hätten ein Trauma beschrieben, als sie von ihrem Sport ausgeschlossen und von Freunden oder Familienangehörigen abgelehnt wurden, heisst es. Diese Ablehnung habe sich erheblich auf die Psyche ausgewirkt.
Sämtliche Minderjährige, mit denen gesprochen wurde, hätten über den immensen Druck geredet und wie er sich vor, während und nach der Sanktion auswirkte. Ein:e Sportler:in wird im Bericht so zitiert:
Ein Mädchen schilderte, wie sehr ihr Trainer sie zwang, ihr Gewicht zu halten. Er habe das Unmögliche verlangt, die Auswirkungen der Pubertät zu verlangsamen:
Für Ernst König, den Direktor von Swiss Sport Integrity, scheint der Fall klar zu sein. In der NZZ sagte er: «Dass Minderjährige flächendeckend auf Eigeninitiative dopen, ist kaum anzunehmen. Vielmehr entsteht der Eindruck, dass oftmals junge, besonders schützenswerte Personen bewusst verheizt werden.»
Sportler:innen werden «gezüchtet» und es wird in Kauf genommen, dass viele auf dem Weg in den Olymp auf der Strecke bleiben. Gemäss König muss daher zwingend das Umfeld der Talente unter die Lupe genommen werden, wenn es zu einem Dopingfall bei Minderjährigen kommt.
Die WADA appelliert an die nationalen Anti-Doping-Agenturen, das Problem nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Der Sport müsse ein sicherer Raum für Kinder bleiben, sagte WADA-Präsident Witold Banka. Er hoffe, der Bericht rufe das Gefühl hervor, wie dringlich Massnahmen seien. In der Schweiz wurden bereits erste Anpassungen gemacht. So werden Kontrolleure im Umgang mit Kindern und Jugendlichen geschult. Zudem müssen bei Tests von Minderjährigen generell zwei Kontrolleure anwesend sein. (ram)