Im Deutschen gibt es den schönen Begriff des Sitzriesen. Er beschreibt Menschen, die im Sitzen grösser erscheinen, als sie eigentlich sind. Also jene Leute, welche einen langen Oberkörper, aber eher kurze Beine haben. Morteza Mehrzadselakjani gehört definitiv nicht zu dieser Gruppe. Nicht, weil Mehrzadselakjani im Sitzen klein erscheinen würde, sondern vielmehr, weil der Sitzvolleyballer der geteilt zweitgrösste lebende Mensch der Welt ist.
Seine Grösse misst im Stand nämlich 2,46 Meter, wenig überraschend ist er der grösste Paralympics-Teilnehmer der Geschichte. Mit dem iranischen Nationalteam strebt er in Paris nach der dritten Goldmedaille in Serie. Am heutigen Donnerstag trifft der Iran nach drei Siegen in der Vorrunde im Halbfinal auf Ägypten (14 Uhr).
Schon 2016 in Rio de Janeiro und 2021 in Tokio war Mehrzad, wie sein Nachname auf seinem Trikot abgekürzt wird, eine wichtige Figur auf dem Weg zum Titel. Dabei begann er erst sechs Monate vor den Paralympischen Spielen mit dem Sitzvolleyball.
Entdeckt wurde Mehrzad in einer Fernsehsendung, der Sport half ihm in der Folge sehr. Dem 2,46-m-Hünen wurde früh Akromegalie diagnostiziert wurde. Dabei handelt es sich um eine durch einen Überschuss an Wachstumshormonen verursachte Vergrösserung insbesondere der Gliedmassen, aber auch von Kinn, Ohren und Nase. Als Teenager erlitt er bei einem Fahrradunfall ausserdem einen Beckenbruch, infolgedessen sein rechtes Bein nicht mehr wuchs und nun rund 15 Zentimeter kürzer ist als das linke, wodurch ihm das Gehen erschwert wird.
Aufgrund seiner Krankheit war er auf einen Gehstock und teilweise gar einen Rollstuhl angewiesen. Zeitweise kämpfte Mehrzad, der kaum noch aus dem Haus ging, gar mit Depressionen. Erst durch den Sport konnte sich der Iraner mit seinem Körper, für den er sich zuvor schämte, anfreunden und «Beschränkungen in Chancen verwandeln». Zwar hat er im Alltag noch immer Probleme. So muss er in Paris am Boden schlafen, wie sein Trainer erzählte. Anders als in Tokio vor drei Jahren wurde für Mehrzad kein passendes Bett bereitgestellt. Dennoch sagt der Athlet: Sitzvolleyball hat mir sehr geholfen. Die Physis, die ich einst als sehr schlecht angesehen habe, hat mir in diesem Spiel geholfen – und ich konnte sie gut nutzen.»
Mit seiner Grösse hat der 36-Jährige natürlich eine grosse Waffe. Wo Mehrzad hinschmettert, wächst kein Gras mehr. Selbst im Sitzen erreicht er mit ausgestreckten Armen eine Grösse von über 1,80 m. In den Vordergrund stellen, will er sich jedoch nicht. Dem gemäss einem iranischen Journalisten «scheuen und bescheidenen» Mehrzad ist es fast etwas unangenehm, dass er als bester Spieler in seinem Sport angesehen wird. «Ich schätze das, aber ich bin nicht der Beste. Jeder in unserem Team ist der Beste – und zusammen sind wir das beste Team der Welt.»
Morteza Mehrzad is the tallest Paralympian of all-time...
— Paralympic Games (@Paralympics) September 2, 2021
...and when he lines up a spike, there's not really much the opposition can do! 💥#SittingVolleyball #Paralympics #Tokyo2020 #IRI pic.twitter.com/cgrG4ONsaK
Damit kommt jedoch auch grosser Druck. Seit 1988 hat der Iran bei sieben von neun Paralympics Gold gewonnen – lediglich Bosnien und Herzegowina konnte die Phalanx 2004 und 2012 durchbrechen. Mehrzad sagt dazu gegenüber AFP: «Unsere grösste Herausforderung ist, dass das iranische Volk von uns den Titel erwartet. Deshalb haben unsere Athleten und Trainer eine grosse Verantwortung. Wenn wir Zweiter werden, haben wir versagt.»
Noch ein Sonderzeichen und ich hab das perfekte Passwort.
Das gilt auch für mich. In der Halle.