Sport ist ohne Publikum, ohne die Stimmung und die Emotionen in den Stadien nicht denkbar. Oder doch?
Teamsportarten – Fussball, Eishockey – leben von der Stimmung im Stadion. Ohne Publikum geht die Bindung zu den Fans verloren. Von den TV-Bildern allein können Fussball oder Hockey nicht leben. Die Ticketeinnahmen sind viel zu wichtig.
Aber Olympische Spiele haben sich inzwischen vom «gewöhnlichen» Sport gelöst. Die Spiele produzieren TV-Sport. Die Einnahmen aus den Übertragungsrechten finanzieren das olympische Spektakel.
Das Problem für den Organisator der Spiele: Die Kosten für den Bau von zahlreichen Sportanlagen, die sehr oft – anders als Fussball- und Hockey-Tempel – nur für diesen einen Anlass ausgelastet und nicht für einen Dauerwettbewerb wie eine Fussball- oder Hockeymeisterschaft genützt werden können. Dazu kommen heute immense Aufwendungen für die Sicherheit. Diese Kosten übersteigen, ehrlich gerechnet, die Einnahmen aus dem Ticketverkauf für eine einmalige Veranstaltung bei Weitem.
Entscheidend sind die TV-Bilder. Erst sie machen aus den Spielen ein globales Sportereignis. Ob die Tribünen leer oder voll sind, ob es überhaupt noch Tribünen hat, spielt für die Qualität dieser Bilder und für das TV-Erlebnis zu Hause überhaupt keine Rolle mehr.
Also Olympische Spiele ohne Publikum? Die Eröffnungs- und Schlussfeier und ein paar Wettbewerbe in einem bereits bestehenden Fussball- oder Hockeystadion mit viel Publikum? Die Anlagen für die meisten anderen Sportarten nur noch mit Tribünen für ein paar Hundert Schaulustige, die Funktionäre, die wichtigsten VIPs und die Medienschaffenden? Ski alpin, Ski nordisch, Eisschnelllauf, Curling, Bob ohne Publikum? Die meisten Sommersportarten unter Ausschluss des Publikums? Eigentlich ungeheuerliche, elitäre Fragen und Gedanken.
Olympische Spiele praktisch ohne Publikum hätte es unter normalen Umständen nie gegeben. Auf den Gedanken, das Publikum auszuschliessen, wäre niemand gekommen. Aber nun ist dieser Gedanke als «Erbe der Pandemie» in der Welt.
Die Pandemie hat dazu geführt, dass die Sommerspiele in Tokyo und Winterspiele in Peking praktisch unter Ausschluss des Publikums über die Bühne gegangen sind. Ausschliesslich als TV-Spiele. Und siehe da: Es hat funktioniert.
Werden die Olympischen Spiele also in absehbarer Zeit zum reinen TV-Spektakel? Sozusagen ausschliesslich fürs Fernsehen produziert wie eine Reality-Show?
Noch ist es nicht so weit. Aber es wird immer schwieriger, Städte für die Organisation der Spiele zu finden. Die Kosten sind zu hoch. Aber diese könnten ohne Publikum massiv gesenkt werden. Die Einsparungen ohne Zuschauerinnen und Zuschauer wären höher als der Erlös aus dem Ticketverkauf fürs Publikum.
Ohne Publikum würden die Spiele ihre Seele verlieren. Aber spielt das in der Führungsetage des globalen Sportkonzerns IOC eine Rolle?
Wer rechnen kann und fragt, ob die Olympischen Spiele Publikum brauchen, kommt zum Schluss: nein.
Die Gralshüter der Olympischen Ringe können rechnen.
Auch in Paris und LA bei den nächsten Sommerspielen wird es voll sein.
Kann mir keine/r sagen, dass man die Goldmedaille nicht lieber vor Publikum gewinnen würde.