Soll ich, soll ich nicht? Auch wenn Wochenende ist: 20.30 Uhr ist halt schon etwas spät, um mit dem 9-jährigen Jungen das Zürcher Derby anzuschauen. Am Tag darauf ist der Kollege froh, dass er nicht im Letzigrund war. Dabei entpuppt sich diese Partie als ein Ereignis, das Monate, ja vielleicht sogar Jahre in Erinnerung bleibt. Erst recht, wenn man als 9-Jähriger erstmals an einem richtig grossen Fussballspiel dabei ist.
Es ist eines jener Spiele, derer man sich bedient, um jemanden von der Schönheit und Dramatik des Fussballs zu überzeugen. 2:0 führt der FC Zürich bereits nach 10 Minuten. Dann die irre Wende. Zur Pause liegen die Grasshoppers 3:2 vorne. Und müssen schliesslich doch froh sein, das 3:3 ins Ziel zu retten.
Es ist auch ein Derby der vielen Geschichten. Wir sehen den famosen GC-Schillerfalter Petar Pusic und erinnern uns an den jungen Hakan Yakin. Wir staunen über die Coolness von GC-Stürmer Leo Bonatini, die spielerische Souplesse von FCZ-Verteidiger Becir Omeragic, das Arbeitsvolumen von GC-Antreiber Christian Herc oder den brillanten Pass von Dominik Schmid vor dem 3:2. Es gäbe so vieles zu bewundern bei diesem Derby. Aber leider werden alle diese aufregenden Geschichten von einem Ereignis überlagert.
Nach dem Spiel stürmen FCZ-Ultras auf die Tartanbahn und feuern Pyro in den GC-Fansektor. Gemeingefährlich. Später kursieren Videos, die zeigen, wie Kinder hektisch über die Schalensitze klettern, um sich in Sicherheit zu bringen. Es sind verstörende Bilder. Auch, weil man darüber sinniert, dass Geisterspiele halt doch nicht nur schlecht waren.
Mindestens so wie bei Dragan G, der 2011 eine brennende Pyro-Fackel in den GC-Sektor warf und damit für einen Spielabbruch sorgte. Der Chaot aus dem FCZ-Lager wurde wegen Gefährdung des Lebens und versuchter einfacher Körperverletzung zu einer bedingten Gefängnisstrafe von zwei Jahren verurteilt. Doch es wäre sehr überraschend, wenn die Behörden allen Derby-Delinquenten ein Delikt nachweisen können. Die Vergangenheit zeigt, dass dies in der Regel nur passiert, wenn es sich um einen Einzeltäter handelt.
Die Geschichte von der Fankurve, die selbstregulierend wirkt, wo die gemässigten Kräfte den Ton angeben, ist offenbar ein Märchen. Der Dialog zwischen Klubs und Fans wird zwar geführt, aber die Vereinbarungen sind nicht für alle gleich verbindlich.
Was kann man also gegen Gewalt im Stadion weiter unternehmen? Das personifizierte Ticket schützt nicht vor Krawall. Eigentlich bleiben nur zwei Möglichkeiten: Gästefans auszuschliessen. Oder die Polizei ist von Beginn weg in den Fansektoren präsent.
Man sollte der Südkurve in der Schweiz Heim- und Auswärtsspiele bis Ende Saison untersagen, damit sie ein wenig an ihrem Konzept der Selbstregulation arbeiten können.