Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Die Firma Head, im Besitz von FIS-Präsident Johan Eliasch, promotet die besten Ski und seine Athleten mit dem Slogan «World Cup Rebels». Tatsächlich sieht sich der Chef des Internationalen Skiverbands derzeit mit einer akuten Form von Rebellentum konfrontiert. Aber dieses hat nichts mit seinen Ski zu tun.
Snowflake nennt sich eine Kerngruppe von acht Nationen, die sich mit zunehmender Vehemenz gegen ein Kernanliegen von Eliasch wenden – der Zentralisierung der Vermarktungsrechte von Weltcuprennen. Wobei sich der Widerstand nicht per se gegen die Stossrichtung richtet, sondern gegen die Art und Weise, wie das der britisch-schwedische Multimilliardär umzusetzen gedenkt.
Bislang lagen die Rechte bei den jeweiligen nationalen Verbänden, für Lauberhorn, Adelboden oder St. Moritz bei Swiss Ski. Diese Verbände haben gemeinsam mit der FIS die Agentur «Infront» mit der Vermarktung beauftragt. Eliasch hat vor rund acht Monaten einen neuen Rahmenvertrag mit Infront verkündet – die nationalen Verbände waren weder am Verhandlungstisch noch Teil der Vereinbarung. Sie stellen sich auf den Standpunkt, dass die angekündigte Zentralisierung ab der Saison 2026/27 ohne sie gar nicht machbar ist.
Die acht Verbände verlangen, dass die FIS anerkennt, dass die Mitgliedsverbände Inhaber der Vermarktungsrechte sind. Sie fordern einen für sie finanziell lukrativeren Deal. Und sie stossen sich an den vorgesehenen Governance-Regeln, wer letztlich entscheidet.
Aus den Schneeflocken ist längst ein Wintersturm geworden. Mit Ausnahme Frankreichs sind alle grossen Skinationen in dieser Gruppe vertreten. Allen voran die Schweiz und Österreich, aber auch Italien, Deutschland und alle skandinavischen Länder. Seit August 2022 tauscht man sich beinahe wöchentlich untereinander aus. Für Swiss Ski sitzt Marketing-CEO Diego Züger am Tisch. Ein Treffen mit der FIS-Spitze hat es allerdings erst einmal gegeben – im Februar dieses Jahres.
Doch anstatt einen Weg hin zu Einigkeit zu skizzieren, gibt man sich derzeit lieber gegenseitig Saures. Ein Insider bezeichnet Eliasch als einen Menschen, der seine Pläne mithilfe «maximalen Drucks» durchzusetzen versucht. In diesem Kontext ist die jüngste Aktion der FIS zu deuten, die Legitimation der geplanten Weltmeisterschaft 2027 in Crans-Montana anzuzweifeln und im schlimmsten Fall mit einem Entzug der Titelkämpfe zu drohen. Ein Beteiligter nennt die Drohung «ein Pfand für das Einlenken beim Thema Zentralisierung».
Druck erzeugt bekanntlich Gegendruck und so schiessen die Schneeflocken ebenfalls mit starkem Tobak zurück. Sollte sich die FIS und konkret Johan Eliasch weiterhin einem gangbaren Weg verwehren, sieht man als Ultima Ratio den Aufbau eines Konkurrenzprodukts zum Weltcup vor. Das Gerichtsurteil gegen die UEFA beim Thema einer Abspaltung von der Champions League beflügelt solche Ideen.
Als Konsequenz würden Marco Odermatt, Aleksander Aamodt Kilde und Marco Schwarz ihre Duelle künftig in einer eigenen Rennserie austragen. Zwar betonen alle Beteiligten ihren Willen zu einer gemeinsamen Lösung, aber die konkreten Deeskalationsschritte lassen auf sich warten. Für ein angedachtes zweites Treffen zwischen FIS und den Snowflake-Nationen am Weltcupfinale in Saalbach fehlt nach wie vor eine konkrete Einladung.
Und auch der angemeldete Gesprächsbedarf von Swiss Ski zum FIS-Standpunkt in Sachen Heim-WM stiess bisher auf keine Reaktion. Es bleibt dazu vor allem Kopfschütteln, speziell was den konkreten Ablauf in dieser Causa betrifft. Denn nur wenige Stunden, bevor die FIS das Thema mittels Mediencommunique eskalieren liess, traf sich die Spitze von Swiss-Ski mit der operativen Führung der FIS zu einem Austausch, der als konstruktiv und lösungsorientiert empfunden wurde.
Das Beispiel Crans verstärkt bei Swiss Ski die Zweifel, ob man sich beim FIS-Kongress am 5. Juni in Island tatsächlich für die Erstaustragung der Mini-Olympiade «FIS Games» im Jahr 2028 bewerben soll. Man stehe in intensiver Abklärungsarbeit und habe noch sehr viele offene Fragen, heisst es auf Nachfrage.
Beim FIS-Kongress im oft unterkühlten Reykjavik, wo es bisweilen unter der Erde brodelt, könnte auch sonst der eine oder andere Vulkan ausbrechen. Der FIS-Vorstand muss – mit Ausnahme von Johan Eliasch – neu gewählt werden. Auch hier erkenne man hinter den Kulissen zwei gegensätzliche Bemühungen.
Während die Schneeflocken gerne das eine oder andere charismatische Mitglied zusätzlich ins Council hieven möchten, um ein aus ihrer Sicht «gesundes Gegengewicht» zum vermeintlichen Alleinunterhalter Eliasch zu formen, sei einigen Kreisen auch daran gelegen, das überkritische Council-Mitglied Urs Lehmann loszuwerden.
Wer letztlich obsiegt oder ob man sich irgendwie doch noch zusammenraufen kann – und welche Konsequenzen das für die sportliche Zukunft von Odermatt und Co. haben wird, bleibt offen. Prognosen betreffend FIS-Führung erwiesen sich bekanntlich schon in der Vergangenheit nicht immer als verlässlich. (aargauerzeitung.ch)