Was für ein Rennen, was für ein Podest: Wendy Holdener gewinnt an der Ski-WM in St.Moritz Gold in der Super-Kombination. Ihre Teamkollegin Michelle Gisin fährt auf Rang 2 und holt Silber. Es ist der erste Schweizer-WM-Doppelsieg bei den Frauen seit 1987, Holdener die erste Schweizer Weltmeisterin seit Sonja Nef 2001 in St.Anton.
Es ist ein grosser Tag für den Schweizer Skisport, den nur die schwere Verletzung von Lara Gut etwas zu trüben vermag. Jetzt Trübsal zu blasen, wäre aber falsch. Lara Gut wird nach der vollständigen Erholung von ihrem Kreuzbandriss zurückkommen. Ihr Ausfall ist zwar extrem bitter, die WM in St.Moritz sollten ihre grossen Festspiele werden, nun feiern die Schweizer Ski-Fans stattdessen die Geburt zwei neuer Ski-Zwillinge.
Ski-Zwillinge, klingelt's? Genau. Exakt vor zehn Jahren feierte der Begriff seine Geburtsstunde. Dani Albrecht und Marc Berthod gewannen in der Super-Kombination Gold und Bronze und sorgten nach dunklen Zeiten – bei der WM 2005 in Bormio holte die Schweiz keine einzige Medaille – für neue Euphorie bei den alpinen Skifahrern. Wie Holdener und Gisin heute, waren die beiden damals erst 23 Jahre alt. Und wie bei Holdener und Gisin war der eine ein halbes Jahr älter und hatte auf Weltcup-Ebene und bei Junioren-Weltmeisterschaften stets die Nase vorn.
Albrecht und Berthod durchliefen gemeinsam sämtliche Junioren-Stufe, wurden dicke Freunde. Gegenseitig pushten sich die jungen Wilden zu Höchstleistungen und nahmen den Teamleadern den Druck. «Wir hatten in einer absolut harmonischen Gruppe jeden Tag viel Spass», erinnerte sich Berthod einst zurück.
Ganz ähnlich läuft es momentan bei Holdener und Gisin ab. Die beiden Kombi-Medaillengewinnerinnen kennen sich schon ewig. Als kleine Mädchen duellierten sie sich 2003 in Les Croset beim Grand Prix Migros. «Damals habe ich erstmals den Namen Wendy gehört», erinnert sich Gisins Mutter Bea. «Seither gingen sie den Weg gemeinsam. Bis jetzt, aufs WM-Podest. Es ist fantastisch.»
Beim allerersten grossen Duell 2003 am Final des Migros Grand Prix lag @michellegisin (1.) noch vor @WendyHoldener (3.) #stmoritz2017 pic.twitter.com/VDnzYTiFI8
— Emil Bischofberger (@bischofberger) 10. Februar 2017
Ganz so kometenhaft und parallel wie bei Albrecht und Berthod war der Aufstieg allerdings nicht. Im nationalen Leistungszentrum in Engelberg fuhren Holdener und Gisin noch im gleichen Team, danach auch im C-Kader. 2010 trennten sich jedoch ihre Wege. Während sich Gisin erst mit verschiedenen kleineren Verletzungen rumschlagen musste und im März 2011 gar einen Kreuzbandriss erlitt, startete Holdener durch. Sie bestritt ihre ersten Weltcuprennen, fasste dort gleich Fuss und wurde zur unbestrittenen Teamleaderin im Techniker-Team. Gisin und die weiteren «Freundinnen», wie Holdener ihre Teamkolleginnen gerne nennt, konnten sich an ihr orientieren, schafften so den Anschluss an die Weltspitze.
Längst sind sie dicke Freundinnen geworden. Bei den Übersee-Rennen wohnen sie jeweils zusammen im gleichen Apartment, kochen zusammen Z'Nacht oder schauen Fernsehserien wie «Big Bang Theory». Auch das Leiden ihrer älterer Brüder – Marc Gisin war schon oft verletzt, Kevin Holdener besiegte den Krebs – hat sie zusammengeschweisst. Doch zwischendurch brauchen sie auch Abstand voneinander, schliesslich sind sie auf der Piste noch immer Konkurrentinnen. So pflegen beide beispielsweise noch immer ihren eigenen Kollegenkreis von früher.
Die Euphorie um die ersten Ski-Zwillinge verpuffte leider schnell. Ein Jahr nach dem doppelten Medaillengewinn in Are 2007 stürzte Daniel Albrecht im Training zur Abfahrt von Kitzbühel schwer. 22 Monate später gab er sein Comeback, doch seine Karriere kam nie mehr richtig in Schwung. 2013 trat er zurück.
Berthod gewann im Januar 2008 mit dem Riesenslalom von Adelboden sein zweites, aber zugleich auch letztes Weltcup-Rennen. Rückenprobleme machten ihm in der Folge schwer zu schaffen. Nie mehr konnte er sein Potenzial voll ausschöpfen. Im September 2016 trat er nach vielen kleinen Aufs und unzähligen grossen Abs schliesslich ebenfalls zurück.
Bleibt zu hoffen, dass den neuen Ski-Zwillingen ein ähnliches Schicksal erspart bleibt und Wendy Holdener und Michelle Gisin uns noch lange mit Siegen und Medaillen an Grossanlässen verwöhnen. Vielleicht sogar an dieser WM. Der Spezial-Slalom steht ja erst noch bevor.