Kleine Schritte mit starken Oberschenkeln: Aline Danioths Kampf in einer «Psycho-Sportart»
Aline Danioth verliert nicht so schnell den Mut. «Ich bin von Natur aus ein positiver Mensch», sagt sie. Diese Eigenschaft half ihr, als sie in den vergangenen Jahren immer wieder von schweren Verletzungen gebremst wurde. Bei ihrem Weltcup-Debüt galt sie als Verheissung des Skirennsports. Und man fragt sich manchmal: Wo würde sie heute stehen ohne die vielen Rückschläge?
Mit 27 Jahren verfolgt Danioth Ziele, die normalerweise Newcomern vorbehalten sind. Sie kämpft um zweite Läufe, nicht um Podestplätze oder Kristallkugeln. Danioth sagt es so: «Wenn ich als 27-Jährige den zweiten Lauf in Levi verpasse, bin ich natürlich nicht zufrieden. Aber auf der anderen Seite darf ich nie vergessen, wo ich herkomme.» Sie kommt aus den dunklen Tälern des Spitzensports. Vier Kreuzbandrisse erlitt sie, sieben Knieoperationen hatte sie, dazu kam ein Bandscheibenvorfall.
Im letzten Winter gab sie ihr Comeback. Sie tastete sich wieder heran und fuhr in neun Weltcup-Rennen einmal in die Punkteränge. Noch wichtiger war aber, wie es nach der Saison weiterging. Danioth erlebte erstmals seit Langem eine ideale Vorbereitung. Den ganzen Sommer hindurch konnte sie ungestört trainieren. Die Slalomtore summierten sich. Und im Slalom gilt grundsätzlich: Je mehr Tore, desto besser.
Die gestiegenen Erwartungen
Die perfekte Vorarbeit schlug sich bald einmal in einem Ergebnis auf höchster Stufe nieder. Danioth fuhr Ende November, im dritten Slalom der Saison, auf den 16. Platz in Copper Mountain. Es war ihr bestes Resultat im Weltcup seit knapp drei Jahren. Ein Erfolgserlebnis, das Selbstvertrauen und Sicherheit gibt. Und ihr zeigt, dass der eingeschlagene Weg stimmt.
«Es ist halt eine Psycho-Sportart», sagt Danioth. Ausfälle liegen im Slalom so nahe, Einfädler sind so schnell passiert. Erschwerend kommt hinzu, dass Danioth momentan erst weit hinter den Top 30 starten kann. Auf der Weltcupstartliste steht sie aktuell auf Platz 47. «Für mich ist es in jedem Rennen ein Kampf, den Cut zu schaffen», sagt sie. In vier Slaloms ist ihr das bisher einmal gelungen. In Levi und Gurgl reichte es nicht, in Courchevel schied sie zuletzt aus. Richtig gut aufgegangen ist es bislang nur in Copper Mountain.
Was in der Öffentlichkeit als kleine Schritte wahrgenommen wird, sind für Danioth markante Verbesserungen. Doch die Wahrnehmung der Ski-Schweiz ist stark von den jüngsten Grosserfolgen im Skirennsport geprägt. Sie sagt: «Als ich angefangen habe, war ein Schweizer Top-30-Ergebnis im Slalom ein Highlight. Jetzt sind die Erwartungen verständlicherweise höher.»
Unverändert hoch sind ihre persönlichen Ziele. Danioth träumt weiterhin von einer Kristallkugel. Sie sagt: «Das hat sich nicht verändert. Dieses Ziel hat mich auch durch die schwierigen Zeiten begleitet. Aber auch wenn es nicht klappen sollte, werde ich sehr viel mitnehmen von dieser Karriere.» Vielleicht ist es im Fall von Aline Danioth etwas schräg, diesen zahlreichen Verletzungen Positives abgewinnen zu wollen. Aber die Lerneffekte scheinen gross gewesen zu sein.
Danioth sagt: «In jeder Reha-Phase habe ich etwas, auch wenn es nur ein Detail war, besser gemacht als bei früheren Verletzungen.» Auf den eigenen Körper bezogen, hat sie sich unter anderem auf ihre Hamstrings fokussiert. Die Muskeln an der Rückseite des Oberschenkels seien mittlerweile so kräftig wie diejenigen an der Vorderseite, sagt sie. Starke Hamstrings senken das Risiko einer Kreuzbandverletzung, weil sie die Belastung besser ausgleichen.
Sie ist nun Pilates-Lehrerin
Aber Danioth hat auch noch andere Dinge dazugewonnen. So hat sie während der letzten Verletzung eine Pilates-Ausbildung gemacht, um unterrichten zu können. «Im Allgemeinen kann ich mir sehr gut vorstellen, später einmal im Fitnessbereich zu arbeiten», sagt sie.
Doch so weit ist es noch nicht. Die Gegenwart spielt sich in Semmering ab, wo am Sonntag der nächste Slalom der Saison stattfindet (14.15/17.45 Uhr). Für Aline Danioth wird es der nächste Versuch, in der «Psycho-Sportart» den Cut zu überstehen und möglicherweise wieder in die Punkteränge zu fahren. (aargauerzeitung.ch)
