Krise der Speed-Frauen ist keine Überraschung – und es gibt wenig Hoffnung auf Besserung
Es waren zwei Rennen zum Vergessen für die Schweizerinnen. Das beste Resultat am vergangenen Wochenende war ein 18. Platz von Jasmine Flury in der Abfahrt. Am Sonntag im Super-G schaffte es Malorie Blanc als beste Swiss-Ski-Athletin gerade noch so in die Top 20.
Nach den Verletzungen von Lara Gut-Behrami, Corinne Suter und Michelle Gisin sind diese Resultate nicht verwunderlich, doch ist es legitim, sich Sorgen zu machen. Die drei besten Speed-Fahrerinnen der Schweiz sind bereits über dreissig Jahre alt. Bei Lara Gut-Behrami ist weiterhin unklar, ob sie überhaupt in den Weltcup zurückkehren wird. Gisin war bereits im letzten Winter weit von ihrer Bestform entfernt und bei Corinne Suter ist der letzte Sieg über drei Jahre her. Zudem häuften sich bei ihr in den letzten Jahren die Verletzungen.
Es wäre langsam, aber sicher Zeit für eine Wachablösung im Speed-Bereich, doch die Nachfolgerinnen fehlen. Jasmine Flury, die 2023 sensationell Weltmeisterin in der Abfahrt wurde, kehrte erst vor eineinhalb Wochen nach langer Verletzungspause zurück. Das Comeback der 32-Jährigen in St. Moritz kann für die Bündnerin bereits als grosser Erfolg gewertet werden. Mit der Weltspitze hält Flury aber noch nicht mit. Ihr bestes Ergebnis in diesem Winter ist bisher ein elfter Platz in der Abfahrt.
Priska Ming-Nufer und Joana Hählen (beide 33 Jahre alt) schafften nie den ganz grossen Durchbruch und sind mittlerweile im Herbst ihrer Karriere angekommen. Das Gleiche trifft auf die zwei Jahre jüngere Jasmina Suter zu, welche noch nie auf ein Weltcup-Podest gefahren ist.
Von der jüngeren Garde ist Malorie Blanc die ganz grosse Zukunftshoffnung. Im letzten Winter fuhr die erst 21-Jährige in ihrer ersten Weltcup-Abfahrt der Karriere mit Startnummer 46 sensationell auf den zweiten Platz und zeigte erstmals ihr grosses Potenzial. Die fehlende Erfahrung zeigte sich aber vor allem am Wochenende in Val d'Isère, als sie auf einer für sie unbekannten Weltcup-Piste fuhr. Blanc wird in den nächsten Jahren sicher einer der grössten Trümpfe sein, braucht aber noch Zeit.
Das Gleiche trifft auf Delia Durrer zu. Die 23-Jährige fuhr am vergangenen Wochenende zweimal in die Punkte, wartet aber auch über vier Jahre nach ihrem Weltcup-Debüt noch auf den grossen Schritt nach vorne. Die 25-jährige Janine Schmitt fuhr diese Saison erst zweimal in die Punkte und weist im Weltcup noch keinen Top-15-Platz vor.
Weiterhin ohne Zähler im Weltcup ist Stefanie Grob. Die Appenzellerin, die an Junioren-Weltmeisterschaften 7 Medaillen gewann, konnte in bisher 22 Versuchen noch nie in die besten 30 fahren. Zuletzt verpasste sie in St. Moritz die Punkte nur um drei Hundertstelsekunden. Obwohl sie durch eine starke letztjährige Europacup-Saison einen Startplatz im Super-G auf sicher hätte, entschied sie sich dieses Wochenende dazu, im Europacup an den Start zu gehen. Ob die 21-Jährige in Zukunft voll auf die Speed-Disziplinen setzen wird, ist fraglich. In einem Interview mit dem Blick sagte sie erst kürzlich, dass sie sich eher als Riesenslalom-Fahrerin sieht. Dies, obwohl sie bei Junioren-Weltmeisterschaften zweimal in der Abfahrt zu Gold fuhr.
Als Fan der Schweizer Speed-Frauen braucht es für die nächste Zeit bestimmt Geduld. Aber besonders der jüngeren Garde ist der Durchbruch in den nächsten Jahren durchaus zuzutrauen.
Cheftrainer Beat Tschuor erklärte nach dem enttäuschenden Wochenende gegenüber dem Blick: «Wir backen nach vielen guten Jahren jetzt kleinere Brötchen. Das sind wir uns nicht gewohnt. Aber es liegt an uns, dies zu ändern. Das Ziel muss es sein, irgendwann wieder aufs Podest zu fahren.» Aber er stellt auch klar, dass es nichts bringt, nach Ausreden zu suchen.
Der plötzliche Druck geht nicht ohne Spuren an den Fahrerinnen vorbei. Dem ist sich Tschuor auch selbst bewusst: «Sie spüren den Druck wohl vor allem unterbewusst.» Positiv ist, dass Teamleaderin Corinne Suter nach ihrem Muskelfaserriss im linken Unterschenkel noch vor den Olympischen Spielen zurückkehren sollte.
Mit einer klaren Nummer eins könnten der Druck für das restliche Team abfallen und wieder bessere Ergebnisse herausschauen als zuletzt in Val d'Isère. Bis zu Olympia stehen noch je drei Abfahrten und Super-Gs an.
