Petrus lässt den Männer-Weltcup einfach nicht in Ruhe, auch am Mittwoch ist das so. Grau hängen da die Wolken über Val Gardena, ein Gemisch aus Schnee und Regen tropft ins Tal. Das zweite Abfahrtstraining wird schon früh am Morgen abgesagt.
Immerhin sieht der Wetterbericht vielversprechend aus. Er prognostiziert ab Donnerstag besseres Wetter im Südtirol. Darum sollte dem dortigen Ski-Marathon nichts im Wege stehen. Ab Donnerstag stehen zwei Abfahrten auf dem Programm und ein Super G, dazu noch zwei Riesenslaloms in Alta Badia.
Macht fünf Rennen in fünf Tagen, zumindest für die Allrounder im Weltcup. Und da kommt Marco Odermatt ins Spiel, der Dominator der letzten Saison. Er will sie alle bestreiten, auch wenn ihm das Mammutprogramm kein bisschen gefällt.
Noch nie in seiner Karriere hat er in fünf Tagen fünf Weltcup-Einsätze aneinandergereiht. Jetzt will er das auf sich nehmen, weil ihm der Kalender keine andere Wahl lässt. Den hat die FIS mit ihrem Entscheid, eine der im November in Zermatt-Cervinia abgesagten Abfahrten in Val Gardena nachzuholen, noch zusätzlich beladen. Was Odermatt davon hält, hat der Schweizer in den letzten Tagen mehr als einmal kund getan.
Von den «Clowns», die bei der FIS vom Büro aus die Rennen planten, war da zum Beispiel die Rede. Odermatt kann gerade so einiges nicht nachvollziehen, das der Ski-Weltverband entscheidet. Die Ansetzung von fünf Rennen am Stück, natürlich. Ganz generell, wie eng die Skisaison getaktet worden ist. Und auch, dass in Alta Badia zwei Riesenslaloms angesetzt worden sind. Bei diesem Klassiker, findet Odermatt, sollte es pro Jahr nicht zwei Sieger geben. Sondern nur einen.
Auch Michel Vion, der FIS-Generalsekretär, hat die Aussagen Odermatts gehört. Und dem Nidwaldner empfohlen, er solle doch einfach das eine oder andere Rennen auslassen, wenn es ihm zu viel sei. So, wie das Tennisspieler mit ihren Turnieren machten. Von diesem Vergleich hält Odermatt wenig. Und auch von Vion, über den der Schweizer sagt: «Wenn er verstehen würde, um was es geht, wenn man um Kristallkugeln kämpft, dann wüsste er, dass man bei zehn Rennen pro Disziplin nicht einfach eines auslassen kann.»
Die Strecke in Val Gardena ist nicht Odermatts liebste, weil sie eher eine für Gleiter ist als für Techniker wie ihn. Sein zweiter Platz in der Abfahrt im letzten Winter sei für ihn «die grösste Überraschung der Saison» gewesen. Doch er mag das Südtirol, findet es «sehr schön».
Dort warten auf den Körper Odermatts Tage, wie er sie noch nie aushalten musste. «Rein physisch gesehen ist das die grösste Herausforderung meiner Karriere», sagt er. Zuerst muss der Nidwaldner auf den beiden Abfahrten die vielen Sprünge der Saslong meistern. Immer wieder fliegen die Athleten dort weit durch die Luft, immer wieder müssen Rücken und Knie danach eine harte Landung aushalten. «Die Abfahrt geht wirklich in den Körper», sagt er.
Und dann geht es am Samstag nach der zweiten Abfahrt weiter nach Alta Badia, wo jener Riesenslalom-Hang wartet, den Odermatt als den anstrengendsten im ganzen Weltcup bezeichnet. Für ihn bedeutet das gedrängte Programm auch, dass er am Samstag in Val Gardena noch die Abfahrtslatten an den Füssen hat – und dann am Sonntag in Alta Badia plötzlich die Riesenslalom-Ski im Griff haben muss.
Im letzten Winter war das auch schon so. Und es machte ihm zu schaffen. Im ersten Lauf des ersten Riesenslaloms fuhr er damals nur auf Rang neun, verbesserte sich im zweiten Lauf noch auf Rang drei. Und gewann dann den zweiten Riesenslalom. In diesem Jahr will Odermatt am Samstag nach der Abfahrt vielleicht noch ein paar Riesenslalom-Kurven einschieben, falls sein Energielevel das zulässt.
Fünf Rennen in fünf Tagen, das ist also der Plan. Doch ist es auch vernünftig?
Reto Nydegger, der Schweizer Speed-Trainer, formuliert es so: «Das ist sicher nicht das, was man will.» Doch er sagt auch, dass Odermatt mit der Situation umgehen könne. «Er merkt, wenn es zu viel wird, und ist clever genug, selbst zu entscheiden.» Als Trainer schreite er nur ein, wenn er das Gefühl habe, dass es gefährlich werde. Wenn sich etwa «dumme Fehler» einschleichen.
Als Odermatt im November in Cooper Mountain trainierte, schoss es ihm bei einem Super-G-Lauf in den Rücken, eine Art Hexenschuss. Dieses Problem beschäftige ihn aber nicht mehr, sagt er, es sei zu hundert Prozent behoben.
Im Südtirol dürften neben ihm nur ein paar wenige Athleten alle fünf Rennen in Angriff nehmen. Zum Beispiel Marco Schwarz, der Österreicher, den viele Experten als jenen Fahrer sehen, der Odermatt am ehesten gefährlich werden könnte auf der Mission, den Gesamtweltcup zu verteidigen. Dafür braucht der Österreicher auch Speed-Punkte. Wie gut er in Abfahrt und Super G mit Odermatt mithalten kann, wird sich in den kommenden Tagen ein erstes Mal zeigen.
Und Odermatt? Der lässt sich nicht entlocken, wie viele Punkte er in den kommenden Tagen einfahren will. Gerade im Speed sei es schwierig einzuschätzen, was für ihn drin liegt. Odermatt will Rennen für Rennen nehmen, in diesen hektischen Tagen erst recht.