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«Genderwahn» bei Olympia macht Schweizer Ski-Trainer Tom Stauffer sauer

Gold medal winner Team Switzerland with Ramon Zenhaeusern, Wendy Holdener, Daniel Yule, Denise Feierabend, and Luca Aerni, from left, pose during the victory ceremony on the Medal Plaza for the alpine ...
Gold 2018 im Team-Event: Ramon Zenhäusern, Wendy Holdener, Daniel Yule, Denise Feierabend und Luca Aerni (von links).Bild: KEYSTONE

«Genderwahn» bei Olympia macht Schweizer Ski-Trainer sauer – darum geht es

Wegen neuer Regularien bei den Olympischen Spielen rauchen die Köpfe. Weil für beide Geschlechter jeweils exakt elf Startplätze zur Verfügung stehen, ist besonders der Cheftrainer der Schweizer Männer angefressen.
29.12.2021, 09:2529.12.2021, 12:51
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Wer darf zu Olympia?

Die Richtlinien von Swiss-Ski sehen für das Olympia-Ticket ein Weltcup-Resultat in den Top 7 vor – oder zwei Ergebnisse in den besten 15 in der gleichen Disziplin. Deadline ist der 23. Januar 2022, die Olympischen Spiele beginnen am 4. Februar.

Die Schweizer Medaillengewinner in Pyeongchang

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Die Schweizer Medaillengewinner in Pyeongchang
Wendy Holdener (Ski): Gold (Team), Silber (Slalom) und Bronze (Kombination).
quelle: keystone / jean-christophe bott
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Wo ist das Problem?

Jedes Land hat nur eine bestimmte Anzahl Startplätze. Die Schweiz als eine der erfolgreichsten Ski-Nationen der Gegenwart darf 22 Alpin-Athleten nach Peking schicken. Erfüllen mehr Fahrerinnen und Fahrer diese Norm, müssen Funktionäre darüber entscheiden, wer zu den Olympischen Spielen reisen darf.

Was ist neu?

Gegenüber den letzten Spielen, 2018 in Pyeongchang, wurde das Kontingent um zwei Startplätze gekürzt. Auch Österreich hatte in Südkorea noch 24 Olympia-Teilnehmer und muss nun mit 22 auskommen.

Und vor allem wurde den Verbänden eine gewisse Flexibilität genommen. Waren vor vier Jahren noch maximal 14 Teilnehmende pro Geschlecht erlaubt, müssen es nun 2022 jeweils exakt elf sein.

Was sagen die Trainer?

Besonders Herren-Cheftrainer Tom Stauffer wettert gegen die neue Quotenregelung. Er spricht in den «Tamedia»-Zeitungen von einem politischen Entscheid des Ski-Weltverbands. «Die FIS hat ihn in ihrem Genderwahn gefällt», so Stauffer, der seit einem Vierteljahrhundert im Metier tätig ist und in dieser Zeit für verschiedene Verbände gearbeitet hat. «Wer diese Regel aufgestellt hat, hat nicht allzu viel überlegt», polterte der Berner Oberländer, oder: «Das Reglement ist eine Frechheit, das Ganze hat mit Sport nicht mehr viel zu tun.»

IMAGO / Sammy Minkoff

ITA, FIS Weltcup Ski Alpin, Bormio 27.12.2021, Stelvio, Bormio, ITA, FIS Weltcup Ski Alpin, Abfahrt, Herren, 2. Training, im Bild Thomas Stauffer (Swisski Cheftrainer Ski Alpin  ...
Tom Stauffer in Bormio.Bild: IMAGO / Sammy Minkoff

Stauffer kritisiert, dass die alte Regel mehr Flexibilität erlaubt hatte. Es sei auch nicht so gewesen, dass dadurch automatisch mehr Männer als Frauen dabei waren. «Die Besten müssen dabei sein, unabhängig vom Geschlecht», betonte er und dachte dabei auch zurück an seine Trainer-Zeit in Schweden, als jeweils deutlich mehr Frauen als Männer die Norm erfüllten und für einen Grossanlass nominiert wurden.

Gemäss Urs Lehmann, dem Präsidenten von Swiss-Ski, wurde nicht gross über die neue Regelung diskutiert. «Wir wurden vor vollendete Tatsachen gestellt», sagte er, und sprach von undurchsichtigen Vorgängen. Dass die Genderdebatte geführt werde, sei richtig, betont Lehmann. «Aber so wie es jetzt ausgelegt wird, ist es ein Zwang. Und damit erreicht man nichts.»

Warum regt sich Stauffer so auf?

Weil möglicherweise mehr als elf Schweizer Männer die Olympia-Norm erfüllen und einige trotzdem zuhause bleiben müssen, während bei den Schweizer Frauen mutmasslich weniger als elf die Norm erfüllen. Das Problem betrifft nicht die Top-Stars, sondern diejenigen, denen ein Exploit am Tag X zugetraut werden kann. «Was passiert mit der ambitionierten zweiten Garde?», fragt sich Stauffer. «Wenn ich nur 11 Tickets vergeben darf, muss ich mich wohl entscheiden, ob ich genügend Slalomspezialisten oder Abfahrer mitnehme. Für alle wird es nicht Platz haben.»

epa09637792 Tanguy Nef of Switzerland in action during the Men's Slalom race at the FIS Alpine Skiing World Cup in Val d'Isere, France, 12 December 2021. EPA/SEBASTIEN NOGIER
Für einen wie Slalomfahrer Tanguy Nef, der im Weltcup schon sechs Mal in den Top Ten war, könnte es eng werden mit einer Olympia-Teilnahme.Bild: keystone

Damen-Cheftrainer Beat Tschuor hat dieses Problem in diesem Winter nicht. Er sagte, er werde kaum heikle Entscheide fällen müssen. Sein Team stellt sich in Peking wohl weitgehend von selbst auf. Zu jenen, die sich sportlich qualifizierten, dürften junge Fahrerinnen eine Einsatzchance erhalten, um im Hinblick auf künftige Weltmeisterschafts- und Olympiastarts Erfahrungen zu sammeln.

Wer hat die Norm schon geschafft?

Männer

Gino Caviezel (Super-G, Riesenslalom)
Beat Feuz (Abfahrt, Super-G)
Niels Hintermann (Abfahrt)
Loic Meillard (Riesenslalom, Slalom)
Justin Murisier (Riesenslalom)
Marco Odermatt (Abfahrt, Super-G, Riesenslalom)
Stefan Rogentin (Super-G)
Daniel Yule (Slalom)

Halbe Norm: Yannick Chabloz (Abfahrt), Thomas Tumler (Riesenslalom)

Frauen

Jasmine Flury (Super-G)
Michelle Gisin (Super-G, Riesenslalom, Slalom)
Lara Gut-Behrami (Super-G, Riesenslalom)
Joana Hählen (Super-G)
Wendy Holdener (Super-G, Slalom)
Camille Rast (Riesenslalom)
Corinne Suter (Abfahrt, Super-G)

Halbe Norm: Priska Nufer (Abfahrt, Super-G)

epa09637786 Lara Gut-Behrami of Switzerland in action during the women's Super-G race at the FIS Alpine Skiing World Cup event in St. Moritz, Switzerland, 12 December 2021. EPA/JEAN-CHRISTOPHE BO ...
Lara Gut-Behrami wird nach überstandener Corona-Erkrankung hoffentlich wieder so erfolgreich wie zuvor sein.Bild: keystone

Wie viele Rennen finden bei Olympia statt?

Insgesamt stehen elf Alpin-Rennen auf dem Programm. Bei beiden Geschlechtern Abfahrt, Super-G, Riesenslalom, Slalom und Kombination, hinzu kommt ein gemeinsamer Team-Event.

Pro Nation dürfen maximal vier Athleten in einer Disziplin teilnehmen. Das sorgt für Probleme, weil besonders bei den Männern kaum noch Fahrer in mehr als zwei Disziplinen stark sind – Allrounder sind auf dem Rückzug, die Gegenwart gehört den Spezialisten. Speziell ist die Ausgangslage in der Kombination, die im Weltcup nicht mehr ausgetragen wird, bei der es aber (noch) Olympiamedaillen zu gewinnen gibt. (ram)

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76 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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sweeneytodd
29.12.2021 11:41registriert September 2018
Also, für alle die hier von irgendwelchem Populismus reden, es ist tatsächlich ein Problem. Stauffer beschränkte sich ja nicht nur auf Männer (sondern in beide Richtungen). Es ist halt wirklich so, dass gewisse Nationen aktuell nur bei den Männern besser sind (Norwegen) oder Frauen (Italien). Die gleiche Anzahl Startplätze pro Geschlecht pro Nation macht deshalb nicht wirklich Sinn, denn es sollten die besten (unabhängig des Geschlechtes) antreten. Bei den Schweizer Herren haben Fahrer wie Zenhäusern, Aerni, Kryenbühl etc. immer noch grosse Chancen sich ebenfalls zu Qualifizieren.
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Tabskoli
29.12.2021 12:29registriert März 2021
Die Reaktion halte ich für vielleicht etwas übertrieben, das Problem kann ich aber nachvollziehen. Natürlich ist es auch wichtig und schön für die Athletinnen und Athleten, wenn Sie noch jung sind, dass ihnen auch eine Chance gegeben wird. Allerdings ist es halt Olympia, und Olympia ist nunmal der Wettkampf der Besten der Welt. Da würde ich mir auch etwas verarscht vorkommen, wenn ich nicht mit zu Olympia dürfte, obwohl ich die Anforderungen erfülle, weil das Kontingent ausgeschöpft ist, hingegen jemand anders mitdarf, nur weil das Geschlecht halt grade das richtige ist.
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MrBlack
29.12.2021 10:23registriert September 2016
Ich sehe das Problem im Zusammenhang mit "Genderwahn" nicht. Da Männer und Frauen nicht gegeneinander fahren, sind es separate Wettbewerbe und es ist nur logisch, dass es für beide gleich viele Startplätze gibt.

Das allgemeine Problem, dass es zu wenigen Startplätze gibt, sehe ich hingegen schon. Es müsste mindestens 12 Startplätze (4 SL, 4GS, 4 DH&SG) geben, evtl. noch mehr.

Wenn wir aber davon ausgehen, dass die Speed-Fahrer in DH & SG, Odermatt in 3 Disziplinen & Loic in SL&GS startet, kann man sogar noch extra jemanden für die Kombi mitnehmen. Das Problem könnten Ausfälle wG Corona sein.
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Zug in der «Geldfalle» – eine brisante Polemik aus den eigenen Reihen
Ist Zug kein Titelkandidat mehr, weil der Präsident über den Klub sein Prestigeobjekt OYM auf Kosten der Mannschaft mitfinanziert? Den brisanten Vorwurf erhebt der Zuger Rechtsanwalt und ehemalige Hockey-Einzelrichter Reto Steinmann in einer Zeitungs-Kolumne in der «Zuger Zeitung».

Reto Steinmann ist in Zug eine Hockey-Stimme, die respektiert und gehört wird. Von 2004 bis 2016 war Hockey-Einzelrichter und er praktiziert heute als Anwalt und Notar in Zug. Seine Kolumne in der Lokalzeitung ist eine brisante Polemik sozusagen aus den eigenen Reihen. Als ehemaliger Hockey-Journalist für die NZZ vermag er seine Ausführungen sachlich zu formulieren. Was der Kritik noch mehr Gewicht gibt. Seine Kolumne liest sich, um in der Juristensprache zu bleiben, schon fast wie eine Anklageschrift.

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