Wendy Holdener hatte immer daran geglaubt. Sie wusste, dass dieser Tag einmal kommen wird, ihr Tag, an dem der grosse Traum Wirklichkeit werden wird, an dem sie in einem Weltcup-Slalom schneller sein wird als alle ihre Konkurrentinnen.
Gut, schneller als alle anderen war die Innerschweizerin auch an diesem Sonntag nicht. Ebenso schnell wie die Innerschweizerin war diesmal Anna Swenn Larsson – und zwar auf die Hundertstelsekunde gleich schnell. Die Schwedin siegte im Weltcup zum ersten Mal.
«Ihr seid zuhause wahrscheinlich fast durchgedreht», sagte Holdener im SRF-Interview mit einem Lachen. Dass sie den Sieg mit Swenn Larsson teilen könne, sei eine coole Sache. «Als ich über die Ziellinie kam, sah dass wir gleich schnell in Führung lagen, war ich richtig happy. Der Rest war Zugabe.»
Ihren Triumph wird Holdener im fünf Stunden entfernten New York feiern. Eine Freundin absolviere dort ihr Studium, mit ihr habe sie abgemacht. «Jetzt habe ich noch einen Tag in New York und fliege später nach Hause. Darauf freue ich mich sehr, das habe ich mir verdient.»
Wendy Holdener musste je fünfzehn Mal Zweite und Dritte werden, bis es nun endlich mit dem grossen Wurf klappte – ausgerechnet auf einem Hang, auf dem Mikaela Shiffrin alle fünf bisherigen Weltcup-Slaloms für sich entschieden hatte. Es passierte ausgerechnet in dem Ort, in dessen Nähe die Amerikanerin einst gelebt hatte und zur Schule gegangen war. Die Burke Mountain Academy liegt etwa zwei Autofahrstunden von Killington entfernt.
«Es ist schön, dass die Frage nach dem ersten Sieg und das ewige Warten jetzt Geschichte sind», sagte Holdener. Vielleicht könne sie nun noch gelöster in die kommenden Rennen gehen.
Shiffrin hatte auch diesmal die Nase vorerst vorne gehabt. Sie führte nach dem ersten Lauf mit 21 Hundertsteln Vorsprung vor Wendy Holdener. Wiederum lag die Schweizerin in Front, als die Amerikanerin als Letzte zum zweiten Durchgang startete. Doch statt des 50. Sieges in einem Weltcup-Slalom blieb der langjährigen Dominatorin in der Endabrechnung hinter der Österreicherin Katharina Truppe und Olympiasiegerin Petra Vlhova aus der Slowakei nur der 5. Platz.
Wendy Holdeners Podestserie im Slalom hatte vor gut neuneinhalb Jahren – oder vor exakt 3549 Tagen – in Ofterschwang begonnen. Im Allgäu hatte sie hinter Tina Maze und vor Shiffrin den 2. Rang belegt. Dass sich die Schwyzerin der Slowenin beugen musste, hatte etwas Logisches, denn es war der Winter der Tina Maze, die in jener Saison im Zenit ihres Schaffens stand und ein Stück Ski-Geschichte schrieb.
Es war aber auch die Saison, in der Mikaela Shiffrin ihre ersten vier Weltcup-Siege feierte. Es war der Beginn einer Rivalität, in der Wendy Holdener im Slalom immer den Kürzeren zog, wenn es zum Duell um den Sieg kam. Elfmal hiess die Reihenfolge an der Spitze nach einem Weltcup-Slalom Shiffrin vor Holdener, ein weiteres Mal auch an den Weltmeisterschaften 2017 in St.Moritz.
In den letzten Jahren sei ihre Vorbereitung nie optimal gewesen, blickte Holdener zurück. «So gut, wie ich jetzt bin, war ich den vergangenen beiden Wintern wahrscheinlich nicht. Die Vorbereitung, meine Erfahrung und dass im Team wieder alles passt, all das hat sich ausgezahlt.»
Auch wenn ihr die vielen «Niederlagen» aufs Gemüt schlugen, Wendy Holdener schöpfte daraus auch Motivation. Seit heute hat sie die Gewissheit, dass sie mit ihrem Denken richtig lag. (ram/sda)
Da hat Wendy unglaublich viel Geduld bewiesen.
Freue mich riesig für sie 👍