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Auch dank Shiffrin ist die Periode im Spitzensport kein Tabuthema mehr

Mikaela Shiffrin ORF Interview Periode cycle
Mikaela Shiffrin im Interview, das für Schlagzeilen sorgte.Bild: orf

Dank eines Lapsus wird die Periode im Spitzensport zum Thema

Mikaela Shiffrin überraschte einen ORF-Reporter mit ihrer Offenheit. Die Skirennfahrerin sprach in einem Interview über ihren Menstruationszyklus und betonte hinterher, es sei an der Zeit, dieses Thema aufgeschlossen anzugehen.
27.01.2023, 16:1328.01.2023, 16:12
Ralf Meile
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Zwei Siege in zwei Tagen: Mikaela Shiffrin war im italienischen Kronplatz wieder einmal die Beste. Sie hat nun 84 Weltcupsiege auf dem Konto, zum Allzeit-Rekord des Schweden Ingemar Stenmark fehlen nur noch zwei.

Doch seither wird weniger über die Erfolge der 27-jährigen Amerikanerin gesprochen als darüber, was sie danach sagte. Shiffrin erklärte, dass sie gerade ziemlich müde sei, weil sie «gerade nicht den besten Moment in meinem monatlichen Zyklus habe». Dass der ORF-Reporter bei der Simultanübersetzung aus dem «monthly cycle» Radfahren machte, sorgte dafür, dass der Clip viral ging.

Video: twitter/ORF

Rücksicht bei der Trainingssteuerung

Shiffrin nahm die Diskussion mit Humor. Sie postete das Video auf ihren Accounts und fügte eines an, auf dem sie auf einem Indoor-Velo sitzt. «Nur falls sonst noch jemand verwirrt ist: Ich spreche über meine Periode», schrieb sie dazu und verwendete den Hashtag #normalizeperiods. In etwa: Behandelt das Thema einfach ganz normal, ohne Scham, ohne Vorurteile.

Tatsächlich ist die Menstruation im Spitzensport auf dem Weg dazu, kein Tabuthema mehr zu sein. Und wenn, dann ist es wohl primär in der Öffentlichkeit eines. Gerade bei der Trainingssteuerung hingegen nehmen Coaches immer öfter darauf Rücksicht.

Tennis-Olympiasiegerin Belinda Bencic etwa offenbarte kürzlich, wie es ihr während dieser Tage im Monat geht. Sie habe meist Bauch- und Rückenschmerzen, sagte sie im «Blick». «Ich verliere auch etwas die Koordination, da sich meine Körperstellung verschiebt. Ich bin träge, müde und manchmal ist mir auch schlecht.»

Mehr als die Hälfte betroffen

Bencic ist nicht allein. Zwischen den Spielerinnen rede man ganz normal über das Thema, sagte sie. Eine BBC-Umfrage unter 537 britischen Profisportlerinnen ergab vor zwei Jahren, dass bei 60 Prozent schon einmal die Leistung in Training oder Wettkampf durch die Periode beeinträchtigt wurde. 40 Prozent der Befragten gaben zudem an, dass es ihnen unangenehm sei, sich mit dem Trainer darüber zu unterhalten.

Spitzengolferin Lydia Ko überraschte 2022 einen Reporter mit ihrer Offenheit zum Thema.Video: YouTube/NowThis News

Eine, die offen damit umgeht, ist Michelle Gisin. «Es ist faszinierend, wie rasch das Thema enttabuisiert ist, wenn man beginnt, darüber zu sprechen», hielt die Ski-Olympiasiegerin in einem Blog fest. Gisin beschrieb dort unter anderem, wie sie am Rande einer Trainingspiste lag und sich vor Schmerzen krümmte, während ihre Kolleginnen mit den Trainern die Fahrten analysierten: «Nichts geht mehr, die Beschwerden im Unterleib sind zu stark. Es sind diese Tage im Monat, trotzdem habe ich eine Topleistung erzwingen wollen. Das war keine gute Idee, lässt mich mein Körper nun spüren. Und das hätte ich ja wissen können.»

«Sobald die Mens eintritt, fühle ich mich ab dem zweiten Tag, wenn die Bauchkrämpfe nachlassen, tausendmal besser.»
Michelle Gisin

Mittlerweile stimmt die 29-jährige Gisin das Training auf ihren Zyklus ab. Sie sammelt Daten und wertet diese mit Fachleuten aus. So lernte sie, dass für sie die Woche vor dem Menstruationsbeginn die schwierigste ist. Da fehle ihr die Energie und sie habe manchmal extrem schlechte Laune. «Sobald die Mens eintritt, fühle ich mich ab dem zweiten Tag, wenn die Bauchkrämpfe nachlassen, tausendmal besser. In den zwei folgenden Wochen könnte ich Bäume ausreissen.»

Unterstützung von Swiss Olympic

Gemäss dem renommierten Sportmediziner Walter O. Frey nehmen viele Athletinnen Hormonpräparate, auch zur Verhütung. «Im Vordergrund steht aber, dass sich die Monatsblutung damit kontrollieren lässt», so Frey in der NZZ. Vor der Saison werden die Höhepunkte fixiert und die Regel dann möglichst darum herum geplant.

Swiss Olympic hat ein eigenes Programm lanciert, «FastHer, SmartHer, StrongHer» nennt es sich. Es widmet sich spezifisch Themen wie Menstruationszyklus, Verhütung oder Schwangerschaft. Der Dachverband weist darauf hin, dass bloss sechs Prozent aller sportwissenschaftlichen Studien sich explizit mit Athletinnen befassen. Swiss Olympic bietet diesen auf vielfältige Weise Informationen an, etwa durch Referate des Leichtathletik-Trainers Adrian Rothenbühler oder Webinare zum Selbststudium.

Adrian Rothenbühler über zyklusgesteuertes Training.Video: YouTube/Swiss Olympic Team

Wann pushen, wann bremsen?

«Wir trainierten immer gleich wie die Männer, ohne den weiblichen Zyklus zu berücksichtigen», sagte Tanja Hetling, die Team-Ärztin der Schweizer Frauen-Fussball-Nati, zu SRF. Deshalb sammle man nun Daten, um den Effekt des zyklusspezifischen Trainings messen zu können.

Der Zyklus als Potential statt Tabu bei der Fussball-Nati.Video: YouTube/SRF Impact

Mehrere Spielerinnen bemerkten eine Leistungssteigerung, weil sie ihr Training auf die Monatsblutung angepasst haben. Sie wüssten nun besser, wann ihr Körper härtere Einheiten zulasse und wann er nach mehr Regeneration verlange.

Dass dank Mikaela Shiffrins Offenheit gerade vermehrt über die Periode im Spitzensport diskutiert wird, findet auch der zweite Protagonist des kurzen Videos gut. Der österreichische Fernsehmann Peter Brunner sagte bei «Heute», er nehme die Aufregung, die durch die verpatzte Übersetzung entstand, «mit einem Schmunzeln» hin. «Ich freue mich, wenn dadurch vielleicht ein auch im Spitzensport sehr wichtiges Thema Aufmerksamkeit erhält.»

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36 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Prinzsecond
27.01.2023 16:24registriert Januar 2021
Nicht nur im Spitzensport.... ich verstehe nicht wieso das Thema Periode so oft "geheim" gehalten wird? Mich interessiert es doch als Mann auch rein aus empathischen Gründen, wann eine Freundin mit Bauchschmerzen zu kämpfen hat oder vielleicht mal keine Lust hat etwas zu unternehmen. Genauso will ich doch in einer Beziehung wissen welche Tampons/Binden/etc. ich kaufen soll wenn das Spiegelschrank im Bad mal fast nichts mehr her gibt. Wieso die Frauen damit alleine lassen, wenn man wenigstens ein kleines bisschen Unterstützung bieten kann.....
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Garp
27.01.2023 16:27registriert August 2018
Wird ja ich endlich Zeit, wenn die Mens und der Zyklus der Frau enttabuisiert wird und man darauf Rücksicht nimmt.
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Christian Mueller (1)
27.01.2023 16:58registriert Januar 2016
Gut!
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