Die Slalom-Rennen in Zagreb waren keine Eigenwerbung für den internationalen Skiverband FIS. Am Dienstag konnte der Slalom der Damen immerhin durchgeführt werden – die Bedingungen waren schon da hart an der Grenze, weil die hohen Temperaturen der Piste stark zusetzten. Dazu wehte ein starker Wind, der die Blätter der umliegenden Bäume auf die Piste blies.
Der Slalom der Männer war eigentlich für Mittwoch geplant, musste allerdings verschoben werden, weil die ramponierte Piste kein Rennen zuliess. Die FIS wollte das Rennen allerdings unter allen Umständen doch noch in Zagreb durchführen und unternahm am Donnerstag einen weiteren Versuch, der nach 19 Fahrern jedoch abgebrochen werden musste.
Die Fahrer fanden für den Versuch, das Rennen durchzupeitschen, kritische Worte. Weltmeister Foss Solevaag meinte im SRF-Interview verdutzt: «Es hat gar keinen Schnee im Steilhang!»
Der Schweizer Daniel Yule führte aus: «Die Piste war schon für die Nummer 2 oder sogar schon nach den Vorfahrern gebrochen.» Doch die FIS wollte das Rennen unter allen Umständen durchführen, unterbrach immer wieder und versuchte durch den Einsatz von Salz und Wasser das Rennen irgendwie absolvieren zu können.
«Die Piste ist sehr schwierig, eigentlich unbefahrbar», sagte der Schweizer Luca Aerni zu den prekären Bedingungen in der kroatischen Hauptstadt. «Teilweise waren die Löcher zwar wieder gefüllt, aber man wusste nie, ob der Schnee hält oder nicht. Ich finde es schade, wenn man so unsere Saison aufs Spiel setzt.»
Die FIS hat tatsächlich die Saison der Athleten aufs Spiel gesetzt und bei einem hat das Skandal-Rennen verheerende Folgen. Der Franzose Victor Muffat-Jeandet wurde Opfer der gefährlichen Umstände und hat sich, wie der französische Ski-Verband (FFS) mitteilte, den rechten Knöchel gebrochen.
Notre skieur @vmuffatjeandet s’est blessé ce jour pendant le slalom de Zagreb et souffre d’une fracture de la cheville droite.
— FFS - Fédération Française de Ski (@FedFranceSki) January 6, 2022
Le tricolore rentre en France pour compléter le bilan et prendre les décisions thérapeutiques sur son indisponibilité.
Tous nos vœux de rétablissement ! pic.twitter.com/ztydbTl8Rc
Der Athlet kehre für weitere Untersuchungen nach Frankreich zurück, schreibt die FFS. Mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit wird Muffat-Jeandet jedoch die Olympischen Spiele aufgrund seiner Verletzung verpassen. 2018 im südkoreanischen Pyeongchang gewann Muffat-Jeandet die Bronzemedaille in der Kombination.
Richtig wütend ist nach dem vermeidbaren Zwischenfall der letztjährige Gesamtweltcupsieger Alexis Pinturault. Der Franzose ist ein enger Freund von Muffat-Jeandet und tobte auf Instagram: «Das war zu viel, FIS!» Zudem schrieb Pinturault, dass er irritiert sei und seinem Freund die Daumen drücke.
Auch aus der Schweiz gibt es klare Meinungen zum fahrlässigen Verhalten der FIS. Loïc Meillard schrieb: «Danke für die grossartige Show in Zagreb.» Dazu hängte er ein ironisches Klatsch-Emoji und einen unmissverständlichen Scheisse-Haufen an. «Das ist nicht, worum es in unserem Sport geht, und heute haben wir die Linie des Akzeptablen überschritten.»
Meillard ergänzte seinen Post mit der Hoffnung, dass Muffat-Jeandet in Ordnung sei, und beendete seinen Beitrag mit dem Hashtag «Shitshow».
Auch Slalom-Dominator Clément Noël hatte eine unmissverständliche Meinung: «Das erste Rennen 2022 war bereits das schlimmste. Ich habe nichts mehr zu sagen.» Er hoffe zudem, dass Victor Muffat-Jeandet bald zurückkehre, denn es sei so frustrierend, sich bei einem Rennen zu verletzen, das nie hätte stattfinden dürfen.
Eine andere Meinung vertritt hingegen Filip Zubcic. Der Kroate schrieb über sein Heimrennen, dass es zwar zweifellos eine sehr schwierige Piste gewesen sei, aber nichts, was man noch nie erlebt hätte. Skifahren sei ein Extremsport, der nicht immer auf perfekten Pisten ausgeführt werden könne. Er sei nicht mit den Diskussionen darüber einverstanden, wie gefährlich das Rennen war, vor allem wenn die Athleten alle auch in Speedrennen oder Riesenslaloms fahren, die seiner Meinung nach ein grösseres Risiko seien als jedes Slalomrennen.
Viel Zeit, um den Ärger und den Schock zu verarbeiten, bleiben den Technikern um Meillard, Pinturault und Co. nicht. Bereits am Samstag und Sonntag geht es in Adelboden auf dem «Chuenisbärgli» mit einem Riesenslalom und einem Slalom weiter.
Ohne vom Skizirkus viel Ahnung zu haben, ist es doch komisch, warum die Skifahrer sich hier nicht organisieren und einfach weigern können, diese unwürdige, davonschmelzende Piste runterzuruckeln und ihre Gesundheit aufs Spiel zu setzen.
Anders gesagt, wenn die das nicht mal hinkriegen, wird irgendwie klar, warum Gewerkschaften im 21.‘JH defakto irrelevant sind.
Woran liegt das? Individualismus?