Er will nicht untertauchen wie ein Geist, kein Fremder werden und dem Tennis verbunden bleiben, sagt Roger Federer nach seinem Rücktritt. In welcher Form? Das lässt er noch offen. Ausschliessen will er nichts. Als Coach wird er in den nächsten Jahren kaum im Tenniszirkus auftauchen, die Familie geniesst Priorität. Sicher eine Rolle spielen wird er beim Laver Cup. Wer darauf setzt, dass er dereinst Björn Borg als Captain des Teams Europa ablösen wird, geht damit keine besonders riskante Wette ein.
Doch Federer trägt noch einen anderen Gedanken mit sich herum, der in den kommenden Wochen für heiss laufende Drähte sorgen wird. Er kann sich vorstellen, als TV-Experte aufzutreten, wie er am Dienstag erklärte.
Eine Rolle, die er während seiner Spielerkarriere immer ausgeschlossen hatte. Nun sagte er gegenüber Schweizer Journalisten: «Hätten Sie mich vor ein paar Jahren gefragt, hätte ich gesagt: Vergessen Sie das. Ich hätte wirklich nie gedacht, dass ich das jemals sagen würde. Vor etwa sechs Monaten sagte ich mir: Hey, weisst du was? Kommentieren ist etwas, das ich mir gut vorstellen könnte. Gleichzeitig dachte ich mir: Spinnst du jetzt komplett, dass du dir jetzt überlegst, Tennismatches zu kommentieren?»
Noch ist es nur ein Gedankenspiel, wie er dem Tennis und den Menschen nahe bleiben kann. Federer sagt: «Es würde mir erlauben, mit den Spielern und der Tour in Kontakt zu bleiben. Und es würde mir einen Grund geben, weiterhin viel Tennis zu schauen, was ich sowieso gerne mache. Vielleicht ist es auch etwas, das dem Tennis guttun würde, wenn ich das mache.»
Bei SRF stossen diese Aussagen auf offene Ohren. «Jeder TV-Sender der Welt würde sich über Roger Federer als Tennisexperten freuen, für uns als Service-public-Medium der Schweiz gilt das natürlich ganz besonders», schreibt SRF auf Anfrage dieser Zeitung. Neben dem ausgeprägten Fachwissen sei Sprachgewandtheit sowie eine schnelle Auffassungsgabe und Denkweise gefragt. Eigenschaften, die Roger Federer zweifellos mitbringt. «Derzeit steht seine Abschiedsvorstellung beim Laver Cup im Fokus. Selbstverständlich werden wir auch darüber hinaus mit ihm im Austausch bleiben», schreibt SRF. Heisst: Man wird das Gespräch suchen.
Dass Federer sich nur für ausgewählte Turniere oder Spiele zur Verfügung stellen würde, stelle kein Hindernis dar, schreibt SRF. Fixe Expertinnen und Experten gebe es nicht. Aber: «Bei Turnieren oder Spielen mit besonderer Relevanz laden wir Gäste ein, um unser Programm zu bereichern.» Gut möglich, dass Federer davor noch die Schulbank drücken müsste. Denn Experten werden laufend geschult und erhalten Trainings und Feedbacks.
Keine Zweifel an der Eignung Federers für die Rolle des TV-Experten hat Heinz Günthardt. Der 63-Jährige hat die Karriere des Baselbieters während zweier Jahrzehnte für das Schweizer Fernsehen begleitet. Günthardt sagt: «Roger hat selber Tausende Interviews gegeben, ist zudem mehrsprachig. Er würde das wunderbar machen.» Dass zu Beginn die Augen auf ihn und nicht auf den Interviewpartner gerichtet wären, liege zwar auf der Hand. «Andererseits ist das genau das, was die TV-Sender wollen: einen grossen Namen. Beispiele gibt es mit John McEnroe oder Jim Courier genügend.»
Allerdings gibt es zwei Hindernisse auf dem Weg zur Traumehe zwischen SRF und Federer. Erstens hält die SRG zwar langfristige Rechte für die Ausstrahlung der Australian Open und der French Open. Bei den US Open und für Federers Lieblingsturnier Wimbledon, wo er mit acht Erfolgen der Rekordsieger ist, laufen derzeit Gespräche über eine Vertragsverlängerung.
Zweitens ist der finanzielle Spielraum begrenzt. SRF schreibt dazu auf Anfrage: «Unsere Experten und Expertinnen werden pro Einsatz bezahlt, wobei unsere Möglichkeiten klar begrenzt sind.» Sender wie die britische BBC oder Eurosport könnten Federer deutlich mehr Honorar bieten.
Federer wird seine Entscheidung allerdings nicht davon abhängig machen, sondern von seinen weiteren Engagements, zu denen seine Stiftung, oder der Laver Cup zählen. «Zudem bin ich Botschafter vieler Firmen. Und ich will weiterhin Exhibitions spielen können», sagt Federer. Oberste Priorität geniesst aber die Familie. Der 41-Jährige sagt: «Ich möchte ein guter Papi sein, habe Freunde, zu denen ich den Kontakt pflegen will. Ich habe nun den grossen Luxus, nur noch das tun zu müssen, worauf ich Lust habe.»
Sollte Roger Federer tatsächlich Lust darauf haben, dereinst als TV-Experte beim Schweizer Fernsehen in Erscheinung zu treten, wäre das nicht nur im Leutschenbach Anlass zur Freude. Sondern im ganzen Tenniszirkus. (aargauerzeitung.ch)