Als die Schweizer Spielerinnen mit Captain Heinz Günthardt zur Pressekonferenz im Bauch der O2-Arena erschienen, war ihnen Enttäuschung, Frust und Wut ins Gesicht geschrieben. Nicht die beiden Niederlagen gegen die sehr stark aufspielenden Daria Kassatkina und Ludmila Samsonowa oder der geplatzte Traum vom Titel beschäftigten das Team, sondern die kurzfristige Änderung der russischen Aufstellung knapp 20 Minuten vor Beginn der Begegnung.
Captain Igor Andrejew hatte kurz vor Spielbeginn seine nominelle Nummer 1, Anastasia Pawljutschenkowa (WTA 12), durch Samsonowa ersetzt, womit diese, die Nummer 5 im russischen Team, gegen Bencic antreten konnte. Ein laut dem Regelwerk, das vom alten Fed-Cup-Format übernommen wurde, möglicher Schachzug, mit dem der Fairplay-Gedanken aber mit Füssen getreten wurde.
Laut Reglement müssen die Captains eine Stunde vor Beginn der Begegnung die Aufstellung bekanntgeben, danach kann nur eine Verletzung, die ein unabhängiger Arzt bestätigt, zum Rückzug einer Akteurin führen. In der offiziellen, von der ITF verschickten Mitteilung hiess es, Pawljutschenkowa sei am Knie verletzt. Davon wusste zumindest Kassatkina nichts, die von «grosser Müdigkeit» bei ihrer Teamkollegin sprach. Die Spielerin selbst sagte, sie habe sich «nicht fit» gefühlt.
«Entweder hatten sie Pech, weil sich Pawljutschenkowa wirklich verletzte, oder sie haben es absichtlich getan – und dann wäre es Betrug», sagte Heinz Günthardt. Der Captain wählte deutliche Worte: Etwas Ähnliches habe er in seiner Karriere noch nie erlebt. «Ich wusste gar nicht, dass man mit so wenig Aufwand die Aufstellung manipulieren und die Nummer 1 durch die Nummer 5 ersetzen kann.»
Das Brisante am späten Wechsel war, dass Samsonowa, die laut Papierform eigentlich gegen Teichmann hätte spielen sollen, gegen diese eine 0:2-Bilanz aufweist. Gegen Bencic hingegen gewann sie alle bisherigen Begegnungen. «Das scheinen auch die Russinnen gewusst zu haben», sagte Bencic mit einem ironischen Unterton. Jil Teichmann nannte das Verhalten des russischen Teams «dirty».
Trotz des Ärgers vergass Günthardt aber nicht, den Sieger zu loben. «Sie haben sehr, sehr gut gespielt, und waren absolut das bessere Team.» Auch wenn der Erfolg des Favoriten, der unter dem Label «Russischer Tennisverband» antreten musste, einen faden Beigeschmack hatte, er war hochverdient. Mit fünf Spielerinnen aus den Top 40 verfügte Russland in der Breite über das beste Team in dieser Woche und holte erstmals seit 2008 wieder den Titel im Teamwettbewerb, der seine Premiere im neuen Format und unter neuem Namen erlebte.
Die Schweizerinnen schnupperten am Titel, am Ende einer langen und kräftezehrenden Woche reichten aber die Kräfte bei der Teamleaderin Belinda Bencic nicht mehr. Bis zum Stand von 6:3, 3:3 war die Olympiasiegerin von Tokio auf Kurs gewesen, ehe die Partie auf die Seite Samsonowas kippte.
Zwar bot sich Bencic im dritten Satz noch zweimal die Chance zum Rebreak, doch gegen ihre herausragend spielende Widersacherin, die bereits im Halbfinal gegen die USA die entscheidende Figur gewesen war, schaffte sie eine neuerliche Wende nicht mehr. Nach 2:22 Stunden verwertete Samsonowa nach einem Fehler Bencics den ersten Matchball, womit der russische Triumph bereits nach den beiden Einzel-Partien feststand.
Die Schweizerinnen müssen damit weiter auf den ersten Triumph im 1963 eingeführten Teamwettbewerb warten. 1998 hatten sie im alten Fed-Cup-Format den Final in Genf gegen Spanien verloren. Im nächsten Jahr können sie einen neuen Anlauf nehmen. Dank dem Finaleinzug haben sich wie Sieger Russland das Ticket für das Finalturnier im November 2022 bereits gesichert. (ram/sda)
Aber was stimmt: Als Team waren die Russinnen besser. Schade, bleibt der Nachgeschmack.