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Bencic und Teichmann verlieren – die Schweiz verpasst den Triumph

Switzerland's team captain Heinz Guenthardt, Belinda Bencic, Jil Teichmann, Viktorija Golubic and Stefanie Voegele, from left, are disappointed during the ceremony after the Billie Jean King Cup  ...
Eine tolle Woche endete für das Schweizer Team mit einer Enttäuschung.Bild: keystone

«Dann wäre es Betrug» – die Schweiz verliert und fühlt sich verschaukelt

Die Schweizerinnen verpassen am Billie Jean King Cup in Prag den Coup. Nach Jil Teichmann verliert auch Belinda Bencic im Final gegen Ludmila Samsonowa ihr Einzel, womit sich Russland den Titel holt.
06.11.2021, 20:3307.11.2021, 12:43
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Als die Schweizer Spielerinnen mit Captain Heinz Günthardt zur Pressekonferenz im Bauch der O2-Arena erschienen, war ihnen Enttäuschung, Frust und Wut ins Gesicht geschrieben. Nicht die beiden Niederlagen gegen die sehr stark aufspielenden Daria Kassatkina und Ludmila Samsonowa oder der geplatzte Traum vom Titel beschäftigten das Team, sondern die kurzfristige Änderung der russischen Aufstellung knapp 20 Minuten vor Beginn der Begegnung.

Captain Igor Andrejew hatte kurz vor Spielbeginn seine nominelle Nummer 1, Anastasia Pawljutschenkowa (WTA 12), durch Samsonowa ersetzt, womit diese, die Nummer 5 im russischen Team, gegen Bencic antreten konnte. Ein laut dem Regelwerk, das vom alten Fed-Cup-Format übernommen wurde, möglicher Schachzug, mit dem der Fairplay-Gedanken aber mit Füssen getreten wurde.

epa09568810 Members of team Russia celebrate with the trophy after winning the Billie Jean King Trophy 2021 Finals in Prague, Czech Republic, 06 November 2021. EPA/MARTIN DIVISEK
Russland feiert im Konfetti-Regen.Bild: keystone

Günthard wird deutlich

Laut Reglement müssen die Captains eine Stunde vor Beginn der Begegnung die Aufstellung bekanntgeben, danach kann nur eine Verletzung, die ein unabhängiger Arzt bestätigt, zum Rückzug einer Akteurin führen. In der offiziellen, von der ITF verschickten Mitteilung hiess es, Pawljutschenkowa sei am Knie verletzt. Davon wusste zumindest Kassatkina nichts, die von «grosser Müdigkeit» bei ihrer Teamkollegin sprach. Die Spielerin selbst sagte, sie habe sich «nicht fit» gefühlt.

«Entweder hatten sie Pech, weil sich Pawljutschenkowa wirklich verletzte, oder sie haben es absichtlich getan – und dann wäre es Betrug», sagte Heinz Günthardt. Der Captain wählte deutliche Worte: Etwas Ähnliches habe er in seiner Karriere noch nie erlebt. «Ich wusste gar nicht, dass man mit so wenig Aufwand die Aufstellung manipulieren und die Nummer 1 durch die Nummer 5 ersetzen kann.»

Das Brisante am späten Wechsel war, dass Samsonowa, die laut Papierform eigentlich gegen Teichmann hätte spielen sollen, gegen diese eine 0:2-Bilanz aufweist. Gegen Bencic hingegen gewann sie alle bisherigen Begegnungen. «Das scheinen auch die Russinnen gewusst zu haben», sagte Bencic mit einem ironischen Unterton. Jil Teichmann nannte das Verhalten des russischen Teams «dirty».

Bencic ging der Saft aus

Trotz des Ärgers vergass Günthardt aber nicht, den Sieger zu loben. «Sie haben sehr, sehr gut gespielt, und waren absolut das bessere Team.» Auch wenn der Erfolg des Favoriten, der unter dem Label «Russischer Tennisverband» antreten musste, einen faden Beigeschmack hatte, er war hochverdient. Mit fünf Spielerinnen aus den Top 40 verfügte Russland in der Breite über das beste Team in dieser Woche und holte erstmals seit 2008 wieder den Titel im Teamwettbewerb, der seine Premiere im neuen Format und unter neuem Namen erlebte.

Switzerland's Belinda Bencic leaves the court after losing her Billie Jean King Cup final tennis match against Russia's Liudmila Samsonova in Prague, Czech Republic, Saturday, November 6, 20 ...
Bencic enttäuscht, während im Hintergrund Russland feiert.Bild: keystone

Die Schweizerinnen schnupperten am Titel, am Ende einer langen und kräftezehrenden Woche reichten aber die Kräfte bei der Teamleaderin Belinda Bencic nicht mehr. Bis zum Stand von 6:3, 3:3 war die Olympiasiegerin von Tokio auf Kurs gewesen, ehe die Partie auf die Seite Samsonowas kippte.

Zwar bot sich Bencic im dritten Satz noch zweimal die Chance zum Rebreak, doch gegen ihre herausragend spielende Widersacherin, die bereits im Halbfinal gegen die USA die entscheidende Figur gewesen war, schaffte sie eine neuerliche Wende nicht mehr. Nach 2:22 Stunden verwertete Samsonowa nach einem Fehler Bencics den ersten Matchball, womit der russische Triumph bereits nach den beiden Einzel-Partien feststand.

Die Schweizerinnen müssen damit weiter auf den ersten Triumph im 1963 eingeführten Teamwettbewerb warten. 1998 hatten sie im alten Fed-Cup-Format den Final in Genf gegen Spanien verloren. Im nächsten Jahr können sie einen neuen Anlauf nehmen. Dank dem Finaleinzug haben sich wie Sieger Russland das Ticket für das Finalturnier im November 2022 bereits gesichert. (ram/sda)

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Die Emotionen von Belinda Bencic im Olympia-Final
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Die Emotionen von Belinda Bencic im Olympia-Final
Belinda Bencic startet entschlossen in die Partie, startet mit Break und holt sich den ersten Satz.
quelle: keystone / laurent gillieron
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14 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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James McNew
06.11.2021 23:14registriert Februar 2014
Russland ist – nicht nur im Sport – halt schon lange wieder auf Sowjetunion-Kurs: Nur der Sieg zählt, auch wenn alle wissen, dass mehr oder weniger stark geschummelt wurde. Das demonstriert Stärke gegen alle, die fair sind und sich das „gefallen lassen müssen“, weil Russland als Staat „so stark“ ist, dass es sich nicht an die Regeln halten muss – oder sie sehr stark dehnen kann.

Aber was stimmt: Als Team waren die Russinnen besser. Schade, bleibt der Nachgeschmack.
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Palpatine
07.11.2021 07:00registriert August 2018
Was? Die Russen bescheissen? Im Sport? Ist noch nieeee passiert! Kann ich mir nicht vorstellen, dass das mit Absicht passiert ist - ehrlich nicht!
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FreddyKruger
06.11.2021 20:24registriert Juli 2021
Schade um die schöne Chance. Nun denn, Gratulation den Russinnen.
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Wir wünschen euch einen so guten Tag, wie ihn Pep damals beim Training hatte
Du hast schlechte Laune? Führ' dir mal dieses Video von Manchester-City-Coach Pep Guardiola zu Gemüte. Es geht dir dann besser, versprochen.

(Und Pep selbst sollte es vielleicht auch gleich schauen, nachdem er gestern Abend auf ziemlich bittere Art und Weise aus der Champions League ausgeschieden ist und sich emotional gerade in weniger berauschenden Dimensionen bewegen dürfte ...)

Liebe Community,
aktuell kann einem vieles auf die Stimmung schlagen (was soll dieser erneute Wintereinbruch, gopf?! Schnee??? Ernsthaft?
🤬). Aber jetzt bloss nicht den Kopf hängen lassen. Wir haben hier eventuell genau die Dopamin-Spritze, die ihr braucht. Toggi meinte jedenfalls, ihm sei es nach dem Video direkt wieder besser gegangen. «So fühl ich mich amis, und so rede ich zu den Kindern, wenn die mal selber das Zimmer aufgeräumt haben», gab er zu Protokoll.

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