Was ist nur los mit Rafael Nadal? Der 22-fache Grand-Slam-Sieger schleppt sich in Wimbledon mehr schlecht als recht von Runde zu Runde. In seinem Zweitrunden-Duell gegen den Litauer Ricardas Berankis gewinnt der 36-jährige Spanier am Ende mit 6:4, 6:4, 4:6, 6:3 zwar ungefährdet, wie schon in der 1. Runde gegen Francisco Cerundolo muss er aber einen Satz abgeben.
Dass Nadal an der Church Road alles andere als unwiderstehlich auftritt, zeigt auch ein Blick in die Statistiken: In der 1. Runde muss der zweifache Wimbledon-Sieger 18 Breakbälle abwehren, viermal gibt er seinen Aufschlag ab, nur fünf Asse stehen bei ihm am Ende zu Buche.
Gegen Berankis funktioniert der Aufschlag etwas besser, dafür steigt die Fehlerquote von der Grundlinie. Bei einem ausgeglichenen Winner-Verhältnis (35:35) leistet sich Rafa vier unerzwungene Fehler mehr (39:35) als sein Gegenüber. Auch am Netz ist der French-Open-Sieger kaum anzutreffen.
Neben der hohen Fehlerquote gaben zudem die fehlende Aggressivität in den Ballwechseln und das tiefe Tempo zu denken. «Man hat den Eindruck, dass er auf Sparflamme spielt», wunderte sich Sky-Experte Mischa Zverev. «Rafa ist zu passiv, auch bei der Beinarbeit. Irgendwas stört mich an seinem Bewegungsablauf, hoffentlich ist es nicht der Fuss», so der Bruder des derzeit verletzten Alexander Zverev. Auf neuerliche Probleme mit dem lädierten linken Fuss deutet bei Nadal derzeit aber nichts hin.
Dass es mit solchen Auftritten nicht zum dritten Grand-Slam-Titel in Folge reichen wird, weiss auch Nadal: «Ich muss besser werden», sagte er nach seinem Sieg gegen Berankis beim Platzinterview. «Aber ich muss positiv bleiben und versuchen, mein Spiel von Ballwechsel zu Ballwechsel, von Spiel zu Spiel zu verbessern.»
Bei der anschliessenden Pressekonferenz ging der Mallorquiner dann etwas mehr ins Detail: «Für mich ist gerade jeder Tag eine Challenge. Ich habe vor Wimbledon rund drei Jahre lang nicht mehr auf Rasen gespielt», begründete der erste Herausforderer von Titelverteidiger Novak Djokovic seine zwiespältigen Auftritte.
«Am Ende ist ein Sieg immer ein Sieg und ich bin wieder drei Stunden auf dem Platz gestanden, das hilft sicher», erläuterte Nadal. Ausserdem habe er sich nach «zu vielen Fehlern am Anfang des Matches» gesteigert. «Im vierten Satz wurde es besser, mein Aufschlag kam. Das ist eben ein Prozess», macht sich der «Stier aus Manacor» Hoffnung. Der Schlüssel sei deshalb, dass man auch Spiele gewinne, wenn man mal nicht so gut spiele.
Nadal ist bei Grand Slams längst als Langsamstarter bekannt. «Rafa kämpft sich rein in solche Turniere. Der weiss schon, wie es geht», betonte auch Sky-Experte Zverev. In der 3. Runde wartet mit dem 1,91 Meter grossen Italiener Lorenzo Sonego aber erstmals ein echter Brocken: Die aktuelle Weltnummer 54 fühlt sich auf Rasen pudelwohl, was er im Vorjahr mit der Achtelfinal-Qualifikation in Wimbledon eindrücklich bewies. Nadal ist allerdings gewarnt. «Ich mag seine Spielweise, er hat eine tolle Einstellung und eine gute Vorhand. Sonego hat hier zwei Spiele gewonnen, also wird er gefährlich sein.» (pre)