Nach einem Startsieg gegen Aleksander Vukic scheiterte Novak Djokovic am ATP-1000-Turnier in Indian Wells in der 3. Runde überraschend am relativ unbekannten Italiener Luca Nardi und musste seine Titelambitionen früh begraben. Dass Djokovic Mitte März noch ohne Titel dasteht, hat Seltenheitswert. Bereits am Australian Open Anfang Jahr hatte Djokovic gegen einen Italiener – wobei damals erst im Halbfinal Endstation war – den Kürzeren gezogen. In Melbourne war es der junge Südtiroler Jannik Sinner, der den langjährigen Dominator des Tennissports in die Knie zwang.
Nardi, Djokovics Gegner in der gestrigen Partie in Indian Wells, gelang mit seinem Sieg (6:4, 3:6, 6:3) eine kleine Sensation. Die Weltnummer 123 war eigentlich bereits in der Qualifikation am Belgier David Goffin gescheitert, schaffte es als Lucky Loser aber doch noch ins Haupttableau. Der 20-jährige Nardi zeigte sich an der Medienkonferenz nach der Partie selbst überrascht von seinem Triumph über sein Idol, das in Posterform an seiner Schlafzimmertür hängt: «Ich sehe Novak jeden Abend, bevor ich schlafen gehe», scherzte er.
Novak Djokovic würdigte zwar die Leistung seines unbekannten Bezwingers, verortete den Ursprung der Niederlage aber vielmehr in seiner eigenen «sehr, sehr schlechten Leistung» als in der Stärke des Gegners: «Er hatte einen guten Tag, ich hatte einen sehr schlechten», meinte der 24-fache Grand-Slam-Sieger gegenüber den Medien.
Nardis Sieg kommt aber nicht von ungefähr. Der Italiener schaffte es immer wieder, Djokovic aus der Balance zu bringen, so auch beim Stand von 4:6, 2:0 aus Sicht des Serben. Einen Moment schien es so, als würde Nardi den Ballwechsel bei einem Return unterbrechen, bevor er den Ball schliesslich doch in die gegnerische Hälfte schlug – der Punkt ging schliesslich an den Italiener, der sich damit ein Re-Break sicherte.
Djokovics Ruf nach einer Wiederholung des Punktes fand beim Unparteiischen auch nach einer minutenlangen Diskussion kein Gehör. Den Satz mit der umstrittenen Szene vermochte der Serbe zwar noch für sich zu entscheiden, im dritten Satz musste er sich dann aber endgültig geschlagen geben.
"He literally stopped" 🤯
— Tennis TV (@TennisTV) March 12, 2024
A moment of contention during Novak Djokovic vs Luca Nardi...#TennisParadise pic.twitter.com/AlVndqqBZM
Zählt man die verkorkste Saison 2022, in der Djokovic aufgrund seines Impfstatus Turniere auslassen musste, nicht mit, so muss man ganze sechs Jahre zurückgehen, um eine Saison zu finden, in der der «Djoker» bis zu diesem Zeitpunkt in der Saison noch keinen Titel feiern konnte.
2018 scheiterte der Serbe sowohl am Australian Open als auch in Indian Wells erstaunlich früh – gerade erst von einer Ellenbogenverletzung zurückgekehrt, blieb er damals in der Round of 16 bzw. in der Round 64 hängen. Nach einer verhaltenen ersten Saisonhälfte fand Djokovic aber bald wieder zu alter Stärke zurück, siegte in Wimbledon und am US Open und zeigte einmal mehr, dass mit ihm immer zu rechnen ist.
Angesichts der acht Siege, die Djokovic in diesem Jahr in 11 gespielten Einzelpartien erringen konnte, und des Einzugs in den Halbfinal des Grand-Slam-Turniers in Australien mag es übertrieben scheinen, von einem missglückten Saisonstart zu sprechen. Zudem war Indian Wells nach dem Nationenwettbewerb «United Cup» und den Australian Open erst das dritte Turnier, bei dem der Serbe überhaupt antrat. Da es sich bei Djokovic um den in vielen Belangen besten Tennisspieler der Geschichte handelt, ist die Messlatte aber entsprechend hoch.
Den bisher besten Start in eine Saison erwischte Djokovic im Jahr 2011 – 43 Siege reihte er damals aneinander, ehe er Ende Mai am French Open im Halbfinal an Roger Federer scheiterte. Nur zwei Spielern – Guillermo Vilas und Ivan Lendl – gelangen über alle Beläge hinweg betrachtet mehr Siege am Stück. Auch 2020 war Djokovic schon zu Saisonbeginn in absoluter Topform. Bis die Saison nach dem ATP-500-Turnier in Dubai aufgrund der Covid-Pandemie unterbrochen wurde, gewann er alle 18 Einzelpartien, zu denen er antrat.
Nachdem Roger Federer den Tenniscourt gegen die roten Teppiche dieser Welt getauscht hat und Rafael Nadal immer wieder verletzungsbedingt passen muss, scheint auch der letzte der drei grossen Dominatoren der vergangenen zwei Dekaden langsam von einer jüngeren Generation abgelöst zu werden. Der Weg zu den Gand-Slam-Titeln wird wohl – trotz verhaltenem Start – auch diese Saison über Djokovic führen. Wie lange der 36-Jährige noch auf dem höchsten Niveau mithalten kann, wird sich zeigen.
Last 8 players to defeat Novak Djokovic in a deciding set:
— Relevant Tennis (@RelevantTennis) March 12, 2024
🇮🇹 NARDI
🇮🇹 Sinner
🇮🇹 Sinner
🇪🇸 Alcaraz
🇩🇰 Rune
🇮🇹 Musetti
🇩🇰 Rune
🇪🇸 Alcaraz
All of them were born in 2001, 2002 or 2003. pic.twitter.com/CVERd4z7N4
Indes feiert Italien gewissermassen eine Tennisrenaissance. Mit Sinner konnte in Melbourne nach einer Durststrecke von 48 Jahren erstmals wieder ein italienischer Spieler ein Grand-Slam-Turnier für sich entscheiden – der letzte Triumph datierte bis dahin aus dem Jahr 1976, als Adriano Panatta die French Open gewann.
Besonders die 36-jährige Weltnummer 1 scheint mit (jungen) Italienern in letzter Zeit so seine Mühe zu haben. Neben Sinner und Nardi feierte im letzten Mai in Monte Carlo auch der damals 21-jährige Italiener Lorenzo Musetti einen Sieg gegen Novak Djokovic. Selbst Nardis Eltern konnten kaum glauben, was sie am frühen Morgen am Fernsehen mitverfolgten: «Mein Sohn hat Nole geschlagen», meinte seine Mutter ungläubig.