If I can make it there, I'll make it anywhere. It's up to you, New York, New York, sang Frank Sinatra. Das Lied erzählt die Geschichte eines jungen Mannes aus der Provinz, der alle seine Hoffnungen für die Zukunft in eine Stadt legt, die ihm wie eine Verheissung vorkommt und von der es heisst, sie schlafe niemals. Das Werk hat nichts von seiner Aktualität eingebüsst. Auch mit Blick auf die US Open, wo sich am Sonntag bei den Männern ein Spieler erstmals in die Siegerliste eines Grand-Slam-Turniers einreiht.
Nicht nur die Trophäe und 2.6 Millionen Dollar Preisgeld stehen auf dem Spiel, sondern auch der Weltranglistenthron. Casper Ruud und Carlos Alcaraz können Daniil Medwedew an der Spitze ablösen, wenn sie den Final erreichen. Schaffen sie da beide, kommt es zum Showdown. Scheitern beide, übernimmt der im Achtelfinal ausgeschiedene Rafael Nadal die Führung.
Das sind die vier Anwärter auf den US-Open-Titel.
Vor einem Jahr ging der Stern des Spaniers in New York auf, als er in den Viertelfinal vorstiess. Nun ist er nicht mehr nur die Zukunft, sondern auch die Gegenwart des Tennis. Carlos Alcaraz gewann in diesem Jahr vier Titel, darunter zwei Masters-Turniere.
In Madrid besiegte er erst Rafael Nadal, dann Novak Djokovic und im Final Alexander Zverev. Spätestens da war allen klar: An Alcaraz gibt es kein Vorbeikommen mehr. Im Viertelfinal setzte er sich nach Breakrückstand im fünften Satz um 03.00 Uhr Ortszeit und 5:15 Stunden Spielzeit durch. Im Halbfinal trifft er auf Frances Tiafoe, der das bisher einzige Duell gewonnen hat. Alcaraz würde Lleyton Hewitt als jüngste Nummer eins in der Geschichte des Männertennis ablösen.
Er ist der Sohn von Immigranten, die aus dem Bürgerkrieg in Sierra Leone flüchteten, sie hausten in einer kleinen Kammer auf einer Tennisanlage, wo der Vater Hausmeister war, die Mutter arbeitete als Krankenschwester. Das ist die Geschichte von Frances Tiafoe, dem 24-Jährigen, der mit dem Sieg gegen Rafael Nadal die Geschichte des Turniers geschrieben hat.
Und das im grössten Tennisstadion der Welt (24'000 Zuschauer), benannt nach Arthur Ashe, dem dreifachen Grand-Slam-Sieger, der 1972 als letzter afroamerikanischer Mann den US-Open-Halbfinal erreicht hat. Gewonnen hat der 1993 verstorbene Ashe in New York aber nie. Tiafoe wäre der erste amerikanische Major-Sieger bei den Männern seit Andy Roddick 2003.
Seit einem Jahr gehört der Norweger den Top Ten der Weltrangliste an, neun Turniere hat er gewonnen, acht auf Sand. Im Frühsommer stand er bei den French Open erstmals im Final eines Grand-Slam-Turniers, wo er gegen Rafael Nadal chancenlos war. Obwohl Casper Ruud im Mai in Miami den Final eines Masters-Turniers auf Hartplatz erreicht hat (Niederlage gegen Alcaraz) ist es überraschend, dass er nun im Halbfinal der US Open steht.
Bisher war er dort nie weiter als in die dritte Runde gekommen und hat nur fünf Siege einfahren können – so viele wie nun in einem Turnier. Besonders beeindruckend: der Sieg gegen Matteo Berrettini im Viertelfinal. Gewinnt der 24-jährige Ruud das Turnier, ist er der erste Grand-Slam-Sieger aus Norwegen und wird die Nummer eins der Welt. Das bisher einzige Duell mit Karen Kachanov hat Ruud gewonnen. Natürlich auf Sand.
Mit seinen 26 Jahren ist der Russe Karen Kachanov der älteste Halbfinalist der US Open – und auch der überraschendste. Zwar stand er in Paris und Wimbledon schon in die Viertelfinals, war die Nummer acht der Welt und gewann 2021 bei den Olympischen Spielen Silber im Einzel, in New York kam er bisher aber nie über die dritte Runde hinaus.
Khachanovs Weg in den Halbfinal war beschwerlich: Zweimal benötigte er vier, zweimal sogar fünf Sätze – im Achtelfinal gegen Carreno Busta und im Viertelfinal gegen Nick Kyrgios. Khachanov, der wegen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine unter neutraler Flagge antreten muss, wäre der zweite US-Open-Sieger aus Russland in Folge. Im Vorjahr hatte Daniil Medwedew in New York mit seinem Finalerfolg gegen Djokovic seine Premiere erlebt.