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Australian Open: Azarenka hatte Panikattacken – nun ist sie im Halbfinal

epa10426206 Victoria Azarenka of Belarus celebrates after winning her quarter final match against Jessica Pegula of the USA at the Australian Open tennis tournament in Melbourne, Australia 24 January  ...
Sie gewann schon zweimal das Australian Open, nun steht sie dort wieder im Halbfinal: Wiktoryia Asaranka. Bild: keystone

Sie kämpfte mit Panikattacken und ums Sorgerecht – dann fand Asaranka zurück zum Erfolg

Zehn Jahre nach einem traumatischen Erlebnis und dem zweiten Sieg bei den Australian Open greift die Weissrussin Wiktoryia Asaranka nach ihrem dritten Erfolg. Gezeichnet vom Leben, aber mit sich im Reinen.
25.01.2023, 19:55
Simon Häring, Melbourne / ch media
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Braungebrannt, die langen blonden Haare für einmal nicht kunstvoll zu Zöpfen verarbeitet, dazu eine verspiegelte Sonnenbrille im Gesicht und ein T-Shirt des Fussballvereins Paris Saint-Germain tragend, weil ihr Sohn Leo ein Anhänger des französischen Meisters ist. Wer Wiktoryia Asaranka am Mittwochabend nach ihrem 6:4, 6:1-Sieg gegen die Amerikanerin Jessica Pegula im Viertelfinal der Australian Open vor den Medien sitzen sieht, könnte meinen, sie stehe grundsätzlich auf der Sonnenseite des Lebens.

January 20, 2023, MELBOURNE, AUSTRALIA: Victoria Azarenka of Belarus talks to the media after the third round of the 2023 Australian Open Grand Slam tennis tournament MELBOURNE AUSTRALIA - ZUMAa181 20 ...
Asaranka bei der Medienkonferenz im PSG-Shirt.Bild: www.imago-images.de

Zuvor hatte Asaranka die Zuschauerinnen und Zuschauer in der Rod Laver Arena erst mit ihrem Spiel und dann mit den Antworten unterhalten, die sie im Platzinterview gegeben hatte. Leo sei zu Hause in den USA geblieben, weil er zur Schule müsse. Wo, gegen wen und wie gut sie gerade Tennis spiele, sei dem Sohn ohnehin egal. «Er will nur, dass ich sehr bald nach Hause komme», sagte sie. Doch er müsse sich noch ein paar Tage gedulden. Und dann fiel ihr auch noch ein, dass ihr Hund an diesem Tag Geburtstag habe.

«Ein Tennisplatz löst bei mir viele dieser Ängste aus.»

Sie war wirklich glänzend aufgelegt, die frühere Nummer 1 der Welt. Schliesslich steht Asaranka erstmals seit zwei Jahren im Halbfinal eines Grand-Slam-Turniers. Dass sie eine so lange Durststrecke zu bewältigen hatte, begründete sie auch damit, dass sie mit Panikattacken und Ängsten zu kämpfen gehabt habe. Später führte sie diese Gedanken weiter aus.

«Für mich ist es so – wahrscheinlich für alle, aber für mich besonders –, dass ein Tennisplatz viele dieser Ängste auslöst», gestand sie. «Immer, wenn ein hoher Stressmoment kommt, kommen seltsame Emotionen auf den Platz.» Manchmal denke sie: «Was zur Hölle denke ich hier auf dem Platz?» Die Furcht, zu versagen – sie sei ihr ständiger Begleiter.

Für sie gehe es darum, nicht mehr vor diesen Ängsten wegzulaufen. Nicht so, wie sie das im Frühling 2022 getan hatte. In Miami hatte sie mitten in einer Partie der Tschechin Linda Fruhvirtova die Hand gegeben. Sie war nicht verletzt. Sie habe sich verloren gefühlt, dort draussen auf dem Platz.

«Sind weder Bösewichte noch Helden»

Sportlerinnen würden, sagte Asaranka, viel zu oft von Aussenstehenden für ihre Leistung kritisiert und vorschnell verurteilt. «Doch wir sind weder Bösewichte noch Helden. Wir sind normale menschliche Wesen, die durch viele Dinge gehen.» Asaranka weiss, wovon sie spricht. Jahrelang stritt sie mit dem Vater ihres Sohnes um das Sorgerecht und durfte ihren Wohnort Kalifornien nicht verlassen. Sie verpasste deswegen auch zweimal die Australian Open und hatte mit dem Gedanken gespielt, aufzuhören.

Dass sie ausgerechnet jetzt, zehn Jahre nach ihrem zweiten und letzten Erfolg bei den Australian Open, wieder in der Erfolgsspur ist, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. 2013 hatte sie sich in der entscheidenden Phase des zweiten Satzes im Halbfinal gegen Sloane Stephens während zehn Minuten in der Kabine behandeln lassen. Danach nahm sie der Amerikanerin den Aufschlag ab, gewann das Spiel und danach das Turnier.

Zehn Jahre nach traumatischen Erlebnis

Daraufhin musste sich Asaranka die Kritik gefallen lassen, sie habe diese Auszeit in erster Linie aus taktischen Gründen genommen, um Stephens aus dem Rhythmus zu bringen. Darauf angesprochen sagte sie nun: «Das war das Schwierigste, das ich als Sportlerin je durchmachen musste. Ich brauchte zehn verdammte Jahre, um darüber hinwegzukommen.» Aber auch: «Ich bin im Frieden mit mir.» Derlei Kritik perle nun von ihr ab.

«Ich habe eines gelernt: Und zwar, alles zu akzeptieren, was ich durchmache.»

Als sie danach gefragt wurde, wie sie es geschafft habe, diese Ereignisse hinter sich zu lassen, sagte die 33-Jährige: «Ich habe eines gelernt: Und zwar, alles zu akzeptieren, was ich durchmache.» Da sei keine Wut mehr, keine negativen Emotionen, auch keine Angst. «Diesen Prozess geniesse ich.» Das sei zwar klischiert und viele würden das sagen. Auch sie habe das oft gesagt. «Aber ich habe es selber nicht verstanden. Jetzt tue ich es.»

Bildnummer: 12620928 Datum: 26.01.2013 Copyright: imago/Icon SMI
26 January 2013 : Victoria Azarenka poses the winners trophy after winning the Australian Open during Day 13 of the womens final at Ro ...
2013 gewann Asaranka zum zweiten Mal in Serie das Australian Open.

2012 und 2013 hatte Viktoria Asaranka in Melbourne gewonnen, nach dem ersten Triumph war sie die Nummer 1 der Welt geworden. Die Rivalinnen damals hiessen Maria Scharapowa, Serena Williams, Caroline Wozniacki oder Agnieszka Radwanska. Sie alle sind schon zurückgetreten. Asaranka aber ist immer noch da. Und könnte am Samstag ihren dritten Australian-Open-Sieg feiern, zehn turbulente Jahre nach ihrem vorerst letzten.

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