Lebensweisheiten von Dr. Roger – Federer begeistert mit seiner Rede am Dartmouth-College
Manche Menschen müssen nicht studieren, um sich Doktor nennen zu dürfen. So auch der ehemalige Tennis-Profi Roger Federer. Nachdem die Universität Basel dem 20-fachen Grand-Slam-Sieger 2017 den Ehrendoktortitel verliehen hatte, wurde ihm diese Ehre nun auch an der US-Eliteuniversität Dartmouth zuteil. Federer selbst setzte ab dem Alter von 16 Jahren voll und ganz aufs Tennis und hatte somit nie selbst eine Universität besucht. Dank des Ehrendoktortitels hatte der 42-Jährige am vergangenen Sonntag dennoch die Möglichkeit, die College-Absolventinnen und -Absolventen in Dartmouth mit einer Rede in ihren neuen Lebensabschnitt zu entlassen.
Humorvoll und gespickt mit viel Tennisweisheit
Federer gab gleich zu Beginn seiner Rede zu, dass es für ihn erst das zweite Mal sei, dass er einen Fuss in ein College setze und er sich deshalb ein bisschen ausserhalb seiner Komfortzone bewege. Auch die schwarze Robe, die er zur Feier trug, sei gewöhnungsbedürftig für jemanden, der die letzten 35 Jahre fast täglich Shorts getragen habe. Die Aufmerksamkeit der Schülerinnen und Schüler hatte Federer spätestens dann, als er eine gewagte Parallele zwischen seinem ehemaligen Beruf und dem College zog, denn Dartmouth, so der Tennisspieler, sei das Wimbledon des Beerpongs.
.@rogerfederer reminded us that while talent is important, "most of the time, it’s not about having a gift. It’s about having grit."
— Dartmouth 🌲 (@dartmouth) June 10, 2024
His full speech to our #Dartmouth24s: https://t.co/LnfvfytbNr pic.twitter.com/o0IRqLfOQR
Federer fand eine weitere Parallele zwischen seiner Karriere und dem College. Genau wie für die Absolventinnen und Absolventen sei für ihn mit seinem Rücktritt zwar ein Lebensabschnitt zu Ende gegangen, ein neuer habe aber gerade erst begonnen. Und genau wie die Schülerinnen und Schüler müsse er noch herausfinden, «wie dieser nächste Abschnitt aussehen soll». Zu seinen Beschäftigungen als Tennis-Pensionär gehörten momentan, so Federer, vor allem seine Vaterpflichten, Staubsaugen und «Online-Schach gegen Fremde».
Der Baselbieter erinnerte sich an seine erste Rede als 17-Jähriger im Schweizer Davis-Cup-Team. Damals habe er nur ein «Ich bin froh, hier zu sein» rausgebracht. Federer hat in den vergangenen Jahren wohl auch rhetorisch dazugelernt, denn dieses Mal dauerte seine Rede rund 25 Minuten. Nach einer Einleitung gespickt mit vielen humorvollen Anekdoten schlug Dr. Roger aber ernsthaftere Töne an und gab den Schülerinnen und Schülern Lehren mit auf den Weg, die er aus seiner Tenniskarriere gezogen hat.
Eine seiner Weisheiten siehst du hier:
Für seine Rede bekam Roger Federer in den sozialen Medien viel Lob. Seine Worte seien «inspirierend», «poetisch» und «kraftvoll». Damit du nicht die ganzen 25 Minuten anschauen musst, haben wir für dich die wichtigsten Lebensweisheiten des «Maestro» zusammengefasst.
Nichts ist perfekt
Federer erklärte den Absolventinnen und Absolventen, dass Perfektion selbst für einen der besten Tennisspieler der Geschichte eine Illusion sei. Seine Aussage verdeutlichte er mit einer Statistik:
«Mit anderen Worten: Selbst die besten Tennisspieler gewinnen kaum mehr als die Hälfte der Punkte, die sie spielen. Wenn man im Durchschnitt jeden zweiten Punkt verliert, lernt man, den einzelnen Schlägen weniger Gewicht zu geben.»
«Selbst ein grossartiger Schlag, ein Rückhand-Smash, der auf der Top-10-Liste der ESPN landet – auch das ist nur ein Punkt.»
«Wenn du um einen Punkt spielst, muss das in diesem Moment das Wichtigste der Welt sein. Aber wenn es vorbei ist, ist es vorbei. Diese Einstellung ist entscheidend, denn sie gibt dir die Freiheit, dich voll und ganz dem nächsten Punkt zu widmen.»
Niederlagen gehören dazu
Roger Federer kennt sich zwar mit dem Gewinnen besser aus als mit dem Verlieren, doch auch ein grosser Spieler erlebt grosse Niederlagen. Vor den Absolventinnen und Absolventen sprach Federer über die Niederlage, die ihn in seiner Karriere am meisten schmerzte.
«Einige Niederlagen schmerzen mehr als andere. Ich wusste, dass ich nie mehr die Chance erhalten würde, Wimbledon sechs Mal am Stück zu gewinnen. [...] Die Leute sagten plötzlich: Er hatte einen guten Lauf. Kommt jetzt die Ablösung? Aber ich wusste, was zu tun war: Ich musste weiter arbeiten und weiter kämpfen.»
Was mühelos aussieht, erfordert oftmals viel Training
Roger Federer wurde während seiner Karriere oft nachgesagt, dass sein Spiel mühelos aussehe. Das sei ein Mythos, erklärte der Ausnahmekönner:
«Den Ruf, dass mir alles leicht fällt, hatte ich wohl auch, weil ich mich vor den Partien relativ locker aufwärmte. Die Leute hatten also nicht das Gefühl, dass ich hart trainiere. Aber ich hatte vor dem Spiel hart trainiert, dann, wenn niemand zuschaute.»
«Vielleicht kennt ihr das auch vom College. Es gibt Leute, die eine Bestnote nach der anderen schreiben, obwohl es scheint, als hätten sie sich gar nicht richtig angestrengt. Und du hast währenddessen die Nächte durchgearbeitet, dich mit Koffein vollgepumpt und in einer Ecke der Bibliothek geweint. Ich hoffe aber, dass ihr – wie ich – gemerkt habt, dass Mühelosigkeit ein Mythos ist.»
(kat)