Am Montagmorgen erfuhr Heinz Günthardt, dass ihn das Schweizer Fernsehen nicht mehr braucht. «Aus heiterem Himmel kam die Mitteilung nicht. Aber dass SRF die Trennung nun so abrupt vollzieht, hat mich überrascht», sagt er. Der vormalige Profispieler kommentiert für SRF Tennismatches seit 1985. Die Übertragung der grossen Turniere wurde ausgeweitet, als Roger Federer in den Nullerjahren in die Weltspitze vorstiess.
Der Zürcher Günthardt kommentierte die Spiele zusammen mit Stefan Bürer. Die beiden überzeugten das Fernsehpublikum mit ihrer Sachkenntnis, gutem Deutsch und Sinn für Humor. Es gibt SRF-Kommentatoren, die sich auf keinem der drei Gebiete auszeichnen.
SRF Sport hat sich dazu entschlossen, das Kommentatorenteam im #Tennis zu reduzieren. Künftig begleitet SRF Sport das nationale und internationale Tennisgeschehen ohne fixen Experten. #srfsport #srftennis https://t.co/YHTiMJmIZm
— SRF Sport (@srfsport) July 12, 2021
Das Schweizer Fernsehen will künftig «ohne fixen TV-Experten» auskommen, wie es mitteilt. Es begründet den Schritt damit, dass mittelfristig «Livespiele mit Schweizer Beteiligung einen kleineren Platz im Programm einnehmen werden».
Mit anderen Worten rechnet das Schweizer Fernsehen damit, dass Roger Federer bald abtritt – möglicherweise schon Ende Jahr. Darum will SRF die Tennis-Berichterstattung reduzieren. Mitte Juni gab Kommentator Stefan Bürer bekannt, dass er in die Geschäftsleitung des Eishockeyklubs Rapperswil Jona Lakers wechselt. Nun hört auch Heinz Günthardt im Herbst bei SRF auf. Der Sender verliert damit auf einen Schlag ein eingespieltes Duo.
Ein weiterer möglicher Grund für die Absetzung Günthardts ist seine Entlöhnung. Sie soll recht hoch sein, erzählt man sich am Leutschenbach. Wenn künftig kein Experte mehr neben dem Tennis-Kommentator sitzt, sinken die Kosten. Das entspricht dem Sparkurs, den das Schweizer Fernsehen eingeschlagen hat.
Günthardt wird im Tagesansatz entlöhnt. Hinzu kommen Spesen. Der Tennisexperte verweist darauf, dass seine letzte Lohnerhöhung 20 Jahre zurückliege. Bei den zum Teil sehr langen Tagen – das Schweizer Fernsehen zeigte manchmal zehn Stunden Tennis am Stück – sei der Lohn nicht überrissen. Es habe Jahre gegeben, in denen er insgesamt 340 Stunden auf Sendung gewesen sei.
Mühe bereitet Günthardt auch die Annahme der SRF-Verantwortlichen, dass nach Federers Karrierenende nicht mehr viel los sei im Schweizer Tennis. «Viktorija Golubic hat in Wimbledon gerade den Viertelfinal erreicht. Belinda Bencic ist erst 24 und könnte Grand-Slam-Turniere gewinnen», sagt der Experte. Auch Jil Teichmann hat schon Turniere gewonnen.
Und bei den Herren stossen junge Talente nach. Der 18-jährige Dominic Stricker machte kürzlich nach starken Leistungen in Genf und Stuttgart einen gewaltigen Sprung auf der ATP-Weltrangliste. Wie Stricker sind Leandro Riedi und Jérôme Kym jünger als 20 – alle drei könnten es weit bringen. Wobei natürlich nicht damit zu rechnen ist, dass einer von ihnen während der Jahre den Herren-Tennissport dominiert wie Roger Federer.
Heinz Günthardt hätte sich mit den Zuständigen am Leutschenbach gerne über die Frage unterhalten, wie es weiter geht mit der Tennis-Berichterstattung auf SRF. Und ob für ihn vielleicht einzelne Einsätze als Experte weiterhin möglich wären. «Beides war am Montag kein Thema an der Unterredung.» Günthardts Engagement wurde vor zwei Jahren zurückgeschraubt: Ihm blieben noch die vier Grand-Slam-Turniere und die Wettbewerbe in der Schweiz.
Bei anderen grösseren Events in Europa und den USA trat er nicht mehr als Experte auf. Nun kommt es im September zum letzten Einsatz nach 36 Jahren: US Open in New York. Heinz Günthardt und Stefan Bürer werden aber nicht in den USA sein, sondern vom Leutschenbach aus kommentieren. Dann ist für beide Schluss.
SRF hat bis Ende 2022 die Rechte an den Übertragungen aus Wimbledon und von den US Open. Ob auch die Grand-Slam-Turniere in Paris und Australien gezeigt werden können, ist noch unklar; die Verhandlungen mit den Rechteinhabern laufen. SRF will an den vier Grossturnieren weiterhin alle Spiele mit Schweizer Beteiligung und «ausgewählte Topspiele» zeigen. Das erklärt Dani Bolliger, Bereichsleiter Live bei SRF Sport, auf Anfrage.
Ausserdem plant der Sender, weiterhin über Turniere in der Schweiz zu berichten und über Halbfinals und Finals anderer Anlässe mit Schweizer Beteiligung. Die Ankündigung klingt nicht nach einer radikalen Reduktion der Berichterstattung.
Was spricht also dagegen, einen jüngeren Kommentator mit Günthardt zusammenzubringen? Die Sportabteilung des Schweizer Fernsehens hat zwei Probleme: Sie verliert im Kampf um Übertragungsrechte grosse Veranstaltungen wie die Champions League an die Konkurrenz. Und profilierte Köpfe – wie Steffi Buchli und Jann Billeter – verlassen das Unternehmen. Da könnte man meinen, dass der Sender den Vertrag mit einem profilierten Experten wie Günthardt gerne verlängert. Die Verantwortlichen am Leutschenbach sehen es aber anders. Sie wollen Einsparungen vornehmen.
Was ist denn das für ein Journalismus, basierend auf Gerüchten..!?