Unfaires Publikum und «eine Ratte» als Gegner – Tennis in Paris sorgt für grosse Emotionen
Das ATP-Masters-Turnier in Paris schreibt einmal mehr seine eigenen Geschichten. Weltnummer 1 Carlos Alcaraz scheiterte bei seinem ersten Auftritt in der französischen Hauptstadt am überraschenden Briten Cameron Norrie. Jannik Sinner kann damit den Platz an der Spitze der Weltrangliste mit dem Turniersieg zurückholen.
Was aber ganz besonders auffällt, ist das französische Publikum. Dieses hat gerade in der Tennis-Szene den Ruf, nicht das angenehmste oder fairste zu sein – und das bestätigt sich auch in diesem Jahr. Gestern bekam das besonders der Spanier Alejandro Davidovich Fokina zu spüren. Er kriegte es in Paris mit dem jungen Franzosen Arthur Cazaux zu tun. Dass das Publikum frenetisch auf der Seite des eigenen Spielers ist, ist normal.
Doch das Publikum in der Halle in Paris-Bercy feuerte nicht nur Cazaux an, sondern bejubelte auch jeden einzelnen Fehler von Davidovich Fokina. Selbst wenn der 26-Jährige den Aufschlag neben die Linie oder ins Netz setzte, brachen Jubelstürme aus. Die französischen Fans versuchten den Basel-Finalisten mit Zwischenrufen aus dem Konzept zu bringen.
Davidovich Fokina liess sich davon aber nicht aus der Ruhe bringen und gewann das Spiel in zwei Sätzen mit 7:6 und 6:4. Erst nach dem Matchball erlaubte sich der Spanier Emotionen. Er legte den Kopf auf beide Hände wie ein Kissen und signalisierte dem französischen Publikum so: «Gute Nacht.» Die Fans quittierten die Geste mit Buhrufen. Davidovich Fokina dürfte also auch heute beim Achtelfinal gegen Alexander Zverev kaum viel Unterstützung geniessen.
Aufgeladene Stimmung gab es auch bei einem anderen Spiel, bei dem ein Franzose involviert war. Corentin Moutet goss schon vor der Partie gegen den Kasachen Alexander Bublik Öl ins Feuer. «Ich bin hochmotiviert, um ihn nach Hause zu schicken», sagte der Franzose. Die beiden gerieten schon beim letzten Aufeinandertreten aneinander. Moutet, der selbst immer wieder für Ausraster auf dem Platz gut ist, fügte an: «Bublik steht mit seinem Verhalten einfach nicht für die Werte, die ich vertrete.»
Während des Spiels hatte Moutet als Lokalmatador natürlich das Publikum im Rücken. Und sein eigenes Verhalten war nicht über alle Zweifel erhaben, so jubelte er bei Doppelfehlern seines Gegners. Als Bubliks Box ihn darauf hinwies, meinte dieser nur lapidar: «Ja, er ist auch eine verdammte Ratte.»
Am Ende setzte sich der Kasache in zwei Sätzen mit 6:3 und 7:5 durch. Der Handschlag am Netz blieb für die Verhältnisse der zwei Spieler erstaunlich ruhig. Doch danach konnte Bublik sich einen Seitenhieb nicht verkneifen. «Er sprach zu viel vor dem Spiel, da musste ich ihn bestrafen. Ich hatte keine andere Wahl. Er wollte mich nach Hause schicken. Es ist schön für ihn, dass er in Paris wohnt, da ist es nicht so weit mit dem Taxi», sagte die Weltnummer 16 im Interview auf dem Platz.
Bei der traditionellen Unterschrift auf der Kameralinse schrieb Bublik: «On the way home» – auf dem Weg nach Hause. Heute trifft der Kasache auf die Weltnummer 4 Taylor Fritz – mal schauen, ob er das Kofferpacken weiter herauszögern kann. (abu)


