Toronto vor dem Gewinn der World Series – Kanadier wollen Trump den Stinkefinger zeigen
Dieser Werbespot macht Donald Trump fuchsteufelswild. Während des entscheidenden siebten Spiels der Baseball-Halbfinals zwischen den Toronto Blue Jays und Seattle ist auf den grossen Video-Bildschirmen des Rogers Centre plötzlich Ronald Reagan zu sehen, republikanischer US-Präsident von 1981 bis 1989.
Ontario’s Reagan ad just played during first Blue Jays World Series game — and just as Trump left White House for Asia pic.twitter.com/CwImSnFnOD
— Danny Kemp (@dannyctkemp) October 25, 2025
Er sagt darin, dass Zölle auf den ersten Blick zwar patriotisch wirken, aber nur für eine sehr kurze Zeit etwas bewirken würden. Es war ein Werbespot der kanadischen Provinz Ontario, deren Hauptstadt Toronto ist. Die Botschaft ist klar: Kanada wehrt sich gegen Trumps Zölle, und der Sport ist sehr politisch geworden.
Die Toronto Blue Jays gewannen nach Rückstand gegen Seattle, und es ist fast schon eine Ironie der Geschichte, dass sie ausgerechnet jetzt erstmals seit ihren beiden Titelgewinnen 1992 und 1993 wieder in den World Series stehen, in dem der «Weltmeister» im Baseball, dieser traditionsreichsten aller amerikanischen Sportarten, gekürt wird. Gegner sind die fast übermächtigen Los Angeles Dodgers, Titelverteidiger und mit vier Siegen in den letzten acht Jahren das erfolgreichste Team der Gegenwart.
Entscheidung fällt in Toronto
Nach fünf Spielen der Best-of-7-Serie steht es 3:2 für die Kanadier. Damit geht es für das nächste Spiel in der Nacht auf Samstag zurück nach Toronto. Da erwartet die Amerikaner der mittlerweile gewohnt frostige Empfang. Die Kanadier gelten gemeinhin als höflichste Menschen auf der Welt, doch der Handelskrieg, den Donald Trump gegen ihr Land angezettelt hat, lässt sie gegenwärtig die guten Manieren vergessen.
Nicht erst seit den Baseball-Playoffs werden US-Teams, die in den grossen Profiligen in Kanada antreten, gnadenlos ausgepfiffen, während der amerikanischen Hymne wird gebuht. War es bisher eine gesunde Rivalität zwischen den beiden Ländern, besonders von Seiten des bevölkerungsmässig kleineren und weniger mächtigen Kanada, ist es nun vielerorts offene Ablehnung. Die Anzahl der Ferienreisenden in die USA ist in diesem Sommer um ein Drittel zurückgegangen, viele Supermärkte haben amerikanische Produkte aus den Regalen genommen.
Das überträgt sich auf den Sportplatz. Unvergessen die Szenen im Februar, als die Hockey-Teams der USA und Kanadas in Montreal und Boston zweimal im Rahmen des «4 Nations Face-Off» aufeinandertrafen und sich emotionsgeladene Duelle inklusive Faustkämpfen lieferten. Nun könnten die Kanadier also im Baseball dem ungeliebten Nachbarn den Stinkefinger zeigen.
Sympathien für Toronto auch in den USA
Sogar in den USA gibt es in Trump-kritischen Kreisen nicht wenige, die den Toronto Blue Jays den Überraschungssieg gönnen würden. Zum einen sind sie der Underdog, dem sowieso meist die Sympathien zufliegen, zum anderen sehen sie die Symbolkraft. So publizierte die Zeitung «Boston Globe» vor dem Start der Finalserie einen Kommentar mit dem Titel «Warum ich für einen Sieg der Toronto Blue Jays in der World Series die Daumen drücke».
Die Kolumnistin stellt dabei auch in den Raum, dass die Los Angeles Dodgers über die traditionelle Einladung des Meisters ins Weisse Haus gar nicht so erfreut wären und eine Niederlage ihnen die schwierige Frage abnehmen würde, ob sie den Affront riskieren sollten, eine solche abzulehnen. Los Angeles ist eine demokratische Hochburg und die Mehrheit der Einwohner alles andere als Fans von Donald Trump, nicht erst, seit dieser in der kalifornischen Metropole die Nationalgarde gegen Demonstrierende einsetzen liess.
Ohtani wird nicht gebraucht
Die Wogen gehen aber auch sonst hoch zwischen Los Angeles und Toronto. Als der japanische Superstar Shohei Ohtani, genannt «Shotime», vor zwei Jahren einen neuen Arbeitgeber suchte, waren auch die Blue Jays interessiert. Doch Ohtani wählte die Glamourwelt von Los Angeles (und 700 Millionen Dollar Lohn für zehn Jahre) und zeigte Toronto die kalte Schulter. Das haben die Fans nicht vergessen und liessen ihn dies beim 11:4-Sieg im ersten Spiel mit «We-Don't-Need-You»-Sprechchören (wir brauchen dich nicht) wissen.
Für Zunder ist also in dieser Schlussphase der World Series gesorgt. Vor allem für die Kanadier hätte ein Triumph diesmal einen besonders süssen Geschmack – auch wenn die grosse Mehrheit der Spieler in Torontos Kader US-Amerikaner sind. (abu/sda)
