Es ist bereits weit nach Mitternacht, als sein Trainer Goran Ivanisevic zum Telefon greift und Videomaterial bestellt. Der Grund: Novak Djokovic ist unzufrieden mit seiner Returnleistung gegen den Polen Hubert Hurkacz. Diese Detailversessenheit ist eines seiner Erfolgsgeheimnisse. Auch im Alter von 36 Jahren sucht Djokovic Möglichkeiten, sich zu verbessern.
Als Titelverteidiger und Mass aller Dinge steht er in Wimbledon unter besonderer Beobachtung, nicht immer behagt Djokovic das. «Ich hätte im Training gerne mehr Privatsphäre. Das würde es mir erlauben, Dinge auszuprobieren und offener mit meinem Team zu reden», sagte er nach seinem Halbfinal-Vorstoss, wo er auf den Italianer Janik Sinner trifft.
Trainiert wird in Wimbledon im Aorangi Park, zu dem Zuschauerinnen keinen Zugang haben, eine gewählte Anzahl Journalisten, die Spieler und ihre Entourage hingegen schon. Also auch die Spieler, die Djokovic an seinem achten Triumph beim Rasenklassiker hindern wollen. Er sagt: «Ich bin im Training nicht völlig entspannt, weil ich weiss, dass meine Rivalen mir über die Schulter schauen.» Konkret: Djokovic fühlt sich beobachtet.
Djokovic sagt: «Jeder Schlag wird analysiert und beurteilt, weil er das nächste Duell mit Alcaraz oder wem auch immer beeinflussen könnte.»
Dazu passt die Erzählung, wonach der Vater des 20-jährigen Spaniers dabei gesichtet worden sein soll, wie er Djokovics Training gefilmt habe. Unsportlich, Betrug, nicht erlaubt, monieren die Anhänger des Serben. Dabei ist das Filmen nicht verboten. Und das Internet überschwemmt mit Videos von Trainingseinheiten. Dazu kommt: Wie Djokovic spielt, wie gut, wie präzis, wie unnachahmlich ist nun wirklich kein Geheimnis mehr.
Belege für den Vorfall gibt es nicht, danach befragt wurde Carlos Alcaraz nach seinem Halbfinal-Vorstoss dennoch. Möglicherweise treffe es zu, dass sein Vater Carlos senior Djokovic beim Training gefilmt habe, sagte der Spanier. «Mein Vater ist ein riesiger Tennisfan und schaut nicht nur meine Spiele. Er schaut alle Spiele, alle Trainings von jedem, jeden Tag.»
Geben ihm solche Handyvideos, so sie tatsächlich existieren sollten, einen Vorteil, sollten die beiden am Sonntag im Final aufeinandertreffen? «Ich denke nicht. Ich habe viele Videos von Djokovic auf jeder Plattform. Ich denke, es ist kein Vorteil für mich», sagt Alcaraz auf die Nachfrage
Novak Djokovic ist in Wimbledon seit 2016 ungeschlagen. 2017 musste er wegen einer Verletzung im Viertelfinal aufgeben. Zuletzt gewann er das Turnier vier Mal in Folge (2020 fand das Turnier coronabedingt nicht statt).
Gewinnt der 36-Jährige erneut, schlägt er gleich zwei Fliegen auf einen Streich: Er wäre dann neben Björn Borg (1976 bis 1980) und Roger Federer (2003 bis 2007) erst der dritte Spieler in der Open Era (seit 1978), der das bedeutendste Tennisturnier der Welt fünf Mal in Folge gewinnt. Mit seinem achten Titel würde Djokovic zudem mit Roger Federer gleichziehen, dem Rekordsieger bei den Männern. Alles andere als das wäre überraschend.
Alcaraz tritt erst zum dritten Mal in Wimbledon an. Bei der Premiere 2021 verlor er in der zweiten Runde gegen die damalige Weltnummer 2, Daniil Medwedew. Im Vorjahr unterlag er im Achtelfinal dem Italiener Jannik Sinner, der danach eine 2:0-Satzführung gegen Djokovic verspielte.
Nun fühlt sich Alcaraz auf der exklusiven Unterlage weitaus wohler. Vor einer Woche gewann er in Queen's sein erstes Turnier auf Rasen und verdrängte damit Djokovic wieder von der Spitze der Weltrangliste.
Nach dem Turniersieg sagte Alcaraz, um seine Beinarbeit auf Rasen zu verbessern, schaue er sich Videos von Roger Federer und Andy Murray an, weil sie sich auf der Unterlage am besten bewegen würden. Djokovic sei keine Referenz für ihn. Dieser rutsche auch auf Rasen wie auf Sandplätzen, für ihn sei das nicht möglich. Er versuche gar nicht erst, das zu kopieren.
Es wurde nichts verbotenes gemacht, alles hat seine Richtigkeit und Spartacus braucht trotzden Aufmerksamkeit..
Kann es sein, dass Djoko die Opferrolle braucht, um zu Höchstleistungen auflaufen zu können?
Sein psychisches Doping?