Der Davis Cup liegt im Sterben und niemand weiss, wie man ihn wiederbelebt
Ekstatisch küsste Flavio Cobolli am Sonntagabend den Boden der Super Tennis Arena auf dem Messegelände in Bologna. 10'500 italienische Fans feierten den dritten Triumph im Davis Cup in Folge – den ersten zuhause. Es war aus Sicht des Internationalen Tennisverbandes das perfekte Szenario.
Ein Szenario allerdings, das nur kurz die Probleme im 125 Jahre alten Traditions-Wettbewerb überdecken kann. 2018 stimmten die Mitgliedsverbände der ITF einer Revolution zu, einer kompletten Neuausrichtung des Davis Cups. Der spanische Fussball-Weltmeister Gerard Piqué unterbreitete mit seiner Investmentfirma Kosmos ein Angebot, das die Funktionäre nicht ablehnen konnten. Drei Milliarden Dollar für 25 Jahre stellte Kosmos in Aussicht.
Ein Rohrkrepierer
Das traditionelle Format des Davis Cups – vier über das ganze Jahr verteilte Runden über jeweils drei Tage mit vier Einzeln und einem Doppel auf drei Gewinnsätze mit Heimvorteil für eines der beiden Teams – war als nicht mehr zeitgemäss erachtet worden. Die grossen Stars verzichteten meist auf mehrere oder auch alle Partien, die Heimverbände konnten die Partien oft nicht mehr kostendeckend austragen.
Der stete Wechsel des Belags oder auch des Kontinents passte je länger je weniger in den eng getakteten Spielplan der Spitzenprofis. Kosmos organisierte den Davis Cup neu in einer einzigen Woche – mit 18 Teams, die an einem neutralen Ort, in diesem Fall Malaga, um den Titel spielten.
Stimmung kam nur in den seltensten Fällen auf. Das Konzept erwies sich als Rohrkrepierer, das Manna fiel nicht wie erhofft vom Himmel. Kosmos wollte die Bedingungen neu aushandeln, die ITF löste den Vertrag 2023 auf, erst im letzten März einigten sich die beiden Parteien in ihrem Rechtsstreit auf einen Vergleich.
Erinnerungen an die Stierkampfarena
Die Baustellen sind damit aber nicht behoben, eine Rückkehr zum alten Format ist keine Option. An neuen Varianten wird gepröbelt. Seit diesem Jahr gibt es zwei Qualifikationsrunden (eine Anfang Februar, eine Mitte September), die wieder als Heimspiele in einem der beiden Länder ausgetragen werden, jedoch nur noch über zwei Tage und mit Partien auf zwei Gewinnsätze.
Das «Final 8» mit Viertel- und Halbfinals sowie Final mit jeweils noch zwei Einzeln findet jedoch noch immer an einem zentralen Ort statt, aktuell eben in Bologna. Steht Italien im Final, ist das gut, doch Russland gegen Kroatien vor vier Jahren oder zwölf Monate später Kanada gegen Australien sorgen natürlich für keine Stimmung.
«Ich habe gegen Nadal in einer Stierkampfarena gespielt», trauert Alexander Zverev den alten Zeiten nach. In Bologna war der Deutsche als einziger Top-Ten-Spieler dabei, doch er übte scharfe Kritik. «Es ist im Grunde ein Show-Turnier, das man Davis Cup nennt. Der wahre Davis Cup sind die Hin- und Rückspiele mit Heimatmosphäre.»
Nur noch alle zwei, drei Jahre
Selbst die italienischen Stars Jannik Sinner und Lorenzo Musetti sagten ab, ebenso der Weltranglistenerste Carlos Alcaraz. Sinner führte Italien immerhin zu den Triumphen in den letzten beiden Jahren, und auch Alcaraz betont, dass er den Davis Cup einmal gewinnen will. Die Lösung sehen die beiden darin, den Teamwettkampf nur noch alle zwei, drei Jahre auszutragen.
Ob damit der Patient Davis Cup kuriert werden kann, ist höchst ungewiss. Der Kalender im Tennis ist lang und fordernd, zudem liegt bei Exhibitions enorm viel Geld bereit, das sich die Spitzenprofis trotz der Klagen über die vielen Spiele nicht entgehen lassen wollen. Da geniesst der Davis Cup keine Priorität.
