Die Disqualifikation von Novak Djokovic an den US Open beschäftigt die Tenniswelt weiterhin. Die Weltnummer 1 flog aus dem Turnier, nachdem er eine Linienrichterin abgeschossen hatte.
Aufgrund von Handlung und Resultat sei ihm keine andere Wahl geblieben, als Djokovic zu disqualifizieren, sagte der Oberschiedsrichter. Ob Absicht im Spiel war, sei nicht so entscheidend wie die Tat und ihre Auswirkung selber.
Nun wird diskutiert, ob die Regel angepasst werden muss. Hätte Djokovic die Frau verfehlt, wäre er mutmasslich mit einer anderen, weniger harten Strafe belegt worden. Justine Henin, siebenfache Grand-Slam-Siegerin und heute TV-Expertin, hält eine Regeländerung für verkehrt.
«Wenn wir eine weichere Regel haben, wo liegen dann die Grenzen?», fragt die Belgierin. «Wir müssen das irgendwie kontrollieren und Grenzen setzen, damit diese Dinge nicht weitergehen. Wir müssen im Sport den Respekt für jeden bewahren.»
Im Klartext: Wer wie Novak Djokovic in Kauf nimmt, jemanden treffen zu können, der muss mit der Konsequenz leben, wenn er tatsächlich jemanden trifft. «Ich würde die Regel nicht ändern», hält Henin fest.
Boris Becker ist gleicher Meinung. Der «Eurosport»-Experte, der sich als Djokovics Ex-Trainer nach wie vor als Mitglied der Familie Djokovic bezeichnet, hält das Regelwerk für genug klar: «Ob nun absichtlich oder unbeabsichtigt, man kann während eines Matches keinen Offiziellen abschiessen.»
In der «Daily Mail» sagte Becker ausserdem, er habe ihn als Coach damals davor gewarnt, nicht mit Sachen um sich zu werfen oder im Frust Bälle wegzuschlagen: «Ich sagte ihm, er könne schreien, so viel er wolle, oder sein Racket zertrümmern, aber es nicht werfen und auch nicht den Ball wegschlagen, wenn er wütend ist. Ich machte mir Sorgen, dass so etwas passieren könnte, wie es nun passiert ist.»
Beckers Erklärung für den Ausraster: «Novaks grösste Stärken können gleichzeitig seine Schwächen sein. Er ist ein emotionaler Spieler mit der Mentalität eines Strassenkämpfers. Dieses Feuer ist es, das ihm geholfen hat, 17 Grand-Slam-Titel zu holen.» Und dann kam der Deutsche auch noch darauf zu sprechen, dass sein ehemaliger Schützling stets in Konkurrenz zu Roger Federer und Rafael Nadal auftritt: «Er spielt in der Ära von zwei Tennisgöttern und wirkt wie ein ungebetener Gast. Ich glaube, es stört ihn, weniger beliebt zu sein als die beiden.»
Djokovic, der sich schon in der Vergangenheit ähnliche Ausraster leistete, war nach dem Ausschluss der obligatorischen Medienkonferenz ferngeblieben. Später veröffentlichte er ein Statement, in dem er sich bei der Linienrichterin entschuldigte. Er fühle sich «traurig und leer», schrieb der 33-Jährige. (ram)