Die Rad-Weltmeisterschaft in Zürich sollte ein grosses Fest werden. Doch sie wird zu einer riesigen Trauerfeier. Die Radfahrerin Muriel Furrer ist an der Heim-Weltmeisterschaft im Rennen der Juniorinnen am Donnerstag gestürzt. Am Freitag um 14.47 folgt die traurige Gewissheit ihres Todes. Muriel Furrer wurde nur 18 Jahre alt.
Eigentlich hätte die WM auch für Muriel Furrer ein grosses Fest werden sollen. Sie warb auf einem grossen Poster für die Heim-WM. Dazu hat sie viele Rückmeldungen erhalten. «Es ist sehr cool, dass viele, die sonst weniger mit dem Radsport zu tun haben, wissen, dass ich mitmachen kann», sagte sie dem «Zürcher Oberländer».
Die Strecke hat die talentierte Velofahrerin in- und auswendig gekannt. Sie sagte: «Die Aufstiege und vor allem auch der City Circuit, das kommt mir entgegen.» Ein richtiges Heimspiel sollte es werden für Muriel Furrer, die gleich um die Ecke im zürcherischen Egg wohnte. Schon seit dem letzten Winter hat sie gemeinsam mit ihrer Teamkollegin und besten Freundin Lara Liehner begonnen, auf der Weltmeisterschaftsstrecke zu trainieren.
Doch die Erfüllung des Traums der Heim-Weltmeisterschaft wird für Furrer und ihre Angehörigen zu einem Albtraum. «Es ist ein sehr trauriger Tag», sagt Olivier Senn, der Direktor des lokalen Organisationskomitees, an einer Medienkonferenz am späteren Freitagnachmittag.
Was genau passiert ist, darüber kann nur spekuliert werden. Offizielle Aussagen zum Unfallhergang gibt es keine. Die Antworten auf die fünf gestellten Fragen an der Medienkonferenz lassen mehr offen, als sie beantworten. Peter Van den Abeele, Sportdirektor des Weltradverbands UCI, sagt: «Es laufen Untersuchungen.»
Und so wird lediglich verkündet, dass im Sinne der Familie die Weltmeisterschaft in Zürich weitergeführt wird. Einzig die Fahnen wehen auf Halbmast, und die Medaillenzeremonien finden am letzten WM-Wochenende in kleinerem Rahmen statt. Zudem wird auf jegliche Abendveranstaltungen verzichtet, darunter auch eine Galanacht der UCI.
Darum bleibt vorerst auch offen, weshalb die 18-jährige Muriel Furrer im Waldstück gestürzt ist. Passiert sein soll es in einer Linkskurve. Doch erst rund eine Stunde später soll sie mit der Rega ins Spital geflogen worden sein. Sie erlitt beim Sturz ein schweres Schädel-Hirn-Trauma und wurde notoperiert. Dennoch konnte das junge Leben nicht mehr gerettet werden. Am Freitag erlag sie viel zu jung ihren Verletzungen.
Auch wenn die Bedingungen beim Dauerregen in Zürich schwierig waren, und der Untergrund glitschig, muss fatales Pech im Spiel gewesen sein. Schliesslich hatte sie die Strecke gut gekannt, zudem galt sie als ausgezeichnete Technikerin. Normalerweise mochte sie diese Bedingungen. Vor der Radquer-EM im November 2023 sagte sie «Züri Ost»: «Es wäre cool, wenn es schlammig und nass wird. Bei solchen Verhältnissen kann ich meine technischen Fähigkeiten ausspielen.»
Mit Muriel Furrer verliert die Schweiz ein Radtalent mit grossem Potenzial. Üblicherweise fuhr sie Radquer und Mountainbike. An der Mountainbike-EM in Rumänien im Mai holte sie mit dem Schweizer Team Bronze. Im Juni wurde sie an den Schweizer Meisterschaften bei den Juniorinnen Zweite im Strassenrennen und Zeitfahren.
Später sprach sie von einer sehr «intensiven» Zeit, die sie nun mit einer erfolgreichen WM krönen wollte. Sie hatte sich dabei keinen bestimmten Rang zum Ziel gesetzt. Sie sagte nur: «Mein Ziel ist, alles zu geben, an mich zu glauben und mit viel Commitment zu fahren.»
An diesem Freitag in Zürich überschattet die Todesnachricht alles an der Rad-Weltmeisterschaft. Zum Zeitpunkt der Nachricht läuft das U23-Rennen der Männer. SRF überträgt es unkommentiert. Der Schweizer Hoffnungsträger Jan Christen ist lange auf Siegeskurs, er verpasst aber die angestrebte Medaille. Als Christen die Ziellinie überquert, winkt er entschuldigend dem Publikum zu. Zu jenem Zeitpunkt weiss er noch nichts von der traurigen Nachricht von Muriel Furrer. Die Stimmung rund um das Zürcher Seebecken ist an der Heim-WM erdrückend. Zwar jubeln einige Fans den Radfahrern zu, dennoch rückt der Sport an diesem Freitag in den Hintergrund.
Für den Schweizer Radsport ist der Todesfall auch ein trauriges Déjà-vu. Rund 15 Monate nach dem tödlichen Sturz des Schweizer Spitzenfahrers Gino Mäder an der Tour de Suisse trauert die Schweizer Radfamilie schon wieder. Die Parallelen zum Todesfall von Mäder sind gross. Wieder ist es ein grosses Rennen in der Schweiz, wieder passierte der Sturz an einem Donnerstag, wieder folgt die Todesnachricht am Freitag.
Auch Olivier Senn fühlt sich an diesen Fall zurückerinnert. An der Medienkonferenz sagt der Mann, der auch an der Tour de Suisse Direktor ist: «Es geht jetzt um Muriel Furrer. Aber klar, ich kann nicht verneinen, dass die Gedanken ähnlich sind wie damals.» Sandra Mäder, die Mutter von Gino Mäder, fühlt sich ebenso zurückerinnert. Sie sagt, dass sie mit der Familie Furrer mitfühle. «Ich weiss genau, wie sich die Familie jetzt fühlt. Ich habe riesiges Mitgefühl. Wenn ich daran denke, was diese Familie durchmachen muss, da wird mir schlecht.»
Für Sandra Mäder kamen viele Gefühle wieder hoch, von damals. «Ich habe das Gefühl, dass jetzt alles nochmals passiert ist.» Am Samstag wollte die Familie Mäder eigentlich gemeinsam an das Eliterennen der Frauen, doch jetzt fühlt sich Sandra Mäder nicht mehr bereit dazu. «Mir geht das alles sehr nah. Aber meine Gefühle sind jetzt nichts zu denen, welche die Familie Furrer durchmachen muss.»
Die Fälle von Muriel Furrer und Gino Mäder haben ferner gemeinsam, dass der Rennleitung kein Vorwurf gemacht werden kann. Die Streckenführung war nicht anders als bei anderen Rennen. Dennoch bleibt ein ungutes Gefühl. Zuletzt haben sich Todesfälle im Radsport gehäuft. Fünf Wochen nach Mäder verstarb der 17-jährige Italiener Jacopo Venzo bei einer Junioren-Rundfahrt in Österreich. In der diesjährigen Österreich-Rundfahrt verunglückte der 25-jährige Norweger André Drege. Und jetzt also Muriel Furrer.
Fakt ist, die Radfahrerinnen und Radfahren fahren in immer höheren Tempi auf dünnen Rädern, sind nur mit einem Helm geschützt. Andere Sportarten wie Ski Alpin oder Formel 1 investieren seit Jahren viel in die Sicherheit. Im Radsport passiert weniger. Besonders drastisch ist am Todesfall von Muriel Furrer, dass an Rädern der Juniorenklasse, anders als bei den Profis, keine Tracker mit Geotracking angebracht sind. Bei einem Profi wäre der Unfall wohl früher entdeckt worden.
Doch diese Gedanken rücken in den Hintergrund. Sie gelten nun einer jungen Sportlerin, die viel zu früh von dieser Welt gegangen ist. (aargauerzeitung.ch)
Dieser Unfall muss lückenlos aufgeklärt werden. Zu vieles stimmt hier nicht. Warum all die Maulkörbe an die Helfenden dieses Anlasses? Warum diese maximal kurz angebundene PK?
Im Fall von Gino Mäder wurde offen und empathisch kommuniziert. Hier?
Überall nur Kritik an allem und jeden, teilweise mich echt fadenscheinigen Argumenten.
Hier wird der Tod einer jungen Frau benützt um den eigenen Frust loszuwerden. Dazu kommen Vorwürfe wegen fehlender Sicherheit.
Aber die gleichen Leute motzen auch, wenn für Alltagsvelofahrer etwas für mehr Sicherheit gemacht wird (und sie ihre Autofreiheit nicht leben können).
Dabei wären da viel gössere Möglichkeiten um das Leben der Schwächeren sicherer zu machen.
Ein Radrennfahrer weisst was er tut und fährt nun mal an der Grenze, kennt das Risiko.