Paris–Roubaix. Zwei Städte, zwei Worte, die in dieser Kombination ein Mythos sind. 256,6 Kilometer müssen die teilnehmenden Radprofis bei der diesjährigen Austragung durch «die Hölle des Nordens» zurücklegen, ehe sie im Vélodrome André-Pétrieux in Roubaix vom Sattel steigen und sich unter eine der in der Szene berühmten Duschen der Radrennbahn begeben dürfen.
Rund ein Fünftel der Strecke, exakt 54,5 Kilometer, besteht aus Kopfsteinpflaster von manchmal fragwürdiger Beschaffenheit. Die Unterlage hat in mythischen Passagen wie dem Wald von Arenberg oder dem Carrefour de l'Arbre nichts mit den schön verlegten «Bsetzisteinen» zu tun, wie man sie auf Schweizer Dorfplätzen findet. Auf den Feldwegen im Norden Frankreichs sind die Lücken zwischen den Steinen manchmal so gross, dass der Weg mehr aus Lücken als aus Steinen zu bestehen scheint.
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Auf Wegen wie diesen ist es von Vorteil, Pneus mit relativ wenig Luft drin zu fahren. So können Schläge besser absorbiert werden. Andererseits werden trotzdem noch 200 Kilometer auf Strassen absolviert, wo mehr Luft in den Pneus bevorzugt wird. Deshalb müssen die Teams einen Kompromiss eingehen, wenn die Mechaniker am Morgen des Rennens die Reifen pumpen.
Bei zwei Equipen könnte sich dieses Problem in diesem Jahr aber nicht stellen. Jumbo-Visma und das Team DSM haben zuletzt Systeme getestet, die den Fahrern ermöglichen, während des Rennens den Reifendruck zu verändern. Eine Revolution.
Und mit Jumbo-Visma um den belgischen Teamleader Wout van Aert hat das Produkt ausgerechnet jenes Team, das die Klassiker in diesem Frühjahr dominiert hat. Mit dem KAPS-System von Hersteller Gravaa kann mittels Knopfdruck am Lenker während der Fahrt Luft abgelassen oder wieder in den Reifen gepumpt werden. Kontrolliert wird die Befüllung mit einem Blick auf den Velocomputer, der den Reifendruck anzeigt.
Der Clou des Ganzen ist eine kleine Membranpumpe, die in die Nabe von Vorder- und Hinterrad eingebaut ist. Betrieben wird diese Pumpe mittels einer Nockenwelle dadurch, dass sich die Räder drehen. Gravaa sagt, für 14,5 psi (1 bar) benötige es eine Fahrt von einem Kilometer.
Entwickelt wurde das System ursprünglich für in Belgien populäre Sand-Rennen. Da ist die Unterlage mal fest, mal weich, jedenfalls ist sie häufig unterschiedlich. So wie bei Paris– Roubaix.
Der Gewichtsnachteil von jeweils rund 250 Gramm pro Nabe werde durch die Funktion mehr als aufgewogen, behauptet der Hersteller. Dank jederzeit richtigem Reifendruck spare man viel Kraft. Nach Tests auf der Originalstrecke ermittelte Gravaa nach eigenen Angaben, dass das System für das gesamte Rennen den enormen Leistungsvorteil von 20 Watt bringen soll.
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Laut dem belgisch-niederländischen Portal wielerflits soll Dylan van Baarle, der Paris–Roubaix im Vorjahr gewonnen hat, das System seit einiger Zeit im Training testen. Er sei sehr zufrieden damit. Sein Jumbo-Visma-Teamkollege Edoardo Affini bestritt in der vergangenen Woche das Rennen Dwars door Vlaanderen damit. Das Team DSM setzt mit Scope Atmoz auf ein ähnliches Produkt.
Der Weltverband UCI hatte die Fabrikate bereits im vergangenen Jahr zugelassen. Welche Fahrer am Sonntag auf das neue System setzen werden, ist noch offen. Entscheiden werden sie nach den Eindrücken von Trainings auf der Strecke.
Superstar Wout van Aert lobte die Innovation. Der 28-Jährige wollte jedoch nicht verraten, ob er KAPS im Rennen einsetzen wird. «Ich denke, es kann ein grosser Vorteil sein», meinte van Aert nach einer Besichtigungsfahrt am Donnerstag, «aber wir wollen nicht schon alle Geheimnisse verraten». Dafür legte er offen, dass er wie schon bei Mailand – Sanremo mit nur einem Kettenblatt (mit 54 Zähnen) antreten wird.
Gegen ein wenig Unterstützung durch die Technik hätte der Belgier wohl nicht viel. Der Sturz an der Flandern-Rundfahrt habe doch mehr Auswirkungen gehabt, als er zunächst gedacht habe, sagte van Aert. Er habe Probleme mit dem Knie und den Rippen. «Ich fühle mich leider nicht grossartig. Aber meine Kondition ist gut und ich hoffe, ich bin bereit für das Finale.» Meteorologen sagen für Sonntag übrigens trockenes Wetter voraus.
Da die UCI das Gewicht der Fahrräder auf mindestens 6.8 kg festgelegt hat und moderne Räder bei „unbegrenztem“ Budget problemlos unter 6.3 kg kommen ist das keinerlei Nachteil. Es wird einfach kein Ballast am Rad montiert…
Je nachdem wie schlimm er ist könnte das gehen, wenigstens bis eine gute Möglichkeit zum Radwechsel kommt.
Bin gespannt auf das Rennen. Das Wetter soll ja gut werden.
Ich freue mich wie ein Saugoof auf den Sonntag. Am morgen werde ich noch 3 Stunden trainieren, am Nachmittag mir die Hölle zu Gemüte führen.
Bei den Frauen tippe ich auf unsere Marlene Reusser. Soloankunft mit rund 50 Sekunden Vorsprung. Sie rollt unglaublich effizient und ästhetisch über die Strasse..