
Der Tod der 18-jährigen Muriel Furrer gibt weiterhin zu reden.Bild: keystone
Die Organisatoren der Rad-WM in Zürich wollen nach dem tödlichen Unfall der Nachwuchsfahrerin Muriel Furrer Druck auf den Weltverband aufsetzen. So sagten sie, dass GPS-Tracking wohl sinnvoll gewesen wäre.
02.10.2024, 11:1402.10.2024, 13:15
Zum Unfallhergang wollten sich die Organisatoren zwar nicht äussern, wie sie am Mittwoch vor den Medien sagten. Die Untersuchung liege bei der Staatsanwaltschaft. Man sei nicht Partei, sondern nur Zulieferer von Informationen.
Über den Unfall sprachen die Organisatoren dennoch. So sagte Sportchef Olivier Senn, dass sich angesichts mehrerer tödlicher Unfälle im Radsport etwas ändern müsse. Sollte die Untersuchung zeigen, dass das OK Fehler gemacht habe, «werden wir Verantwortung übernehmen». Senn betonte: «Was wir machen konnten, haben wir gemacht. Aber die Beurteilung, ob dies wirklich so war, muss die Staatsanwaltschaft vornehmen.»

Die Anteilnahme nach dem fatalen Unfall ist gross.Bild: keystone
Keine negativen Rückmeldungen zur Strecke erhalten
Es gebe das Szenario, Rennen wegen schlechter Bedingungen abzusagen. Das sei in diesem Fall aber nicht Thema gewesen, sagte Senn. Er ergänzte auch, dass die Abfahrt, im Gegensatz zu einer anderen Teilstrecke beim Zeitfahren, im Vorfeld nicht auf Kritik gestossen war. «Es fanden Trainings statt, einige Fahrer kamen schon vor der WM zur Besichtigung. Es gab null negative Rückmeldungen.»
Die Sicherheit sei auf höchstem Niveau gewesen. Dass solche Unfälle nicht bemerkt werden, sollte nicht passieren, es könne aber vorkommen, sagte Senn. «Mehrere Tausend Velofahrer fuhren während dieser WM am Unfallort vorbei. Es gab einen Sturz, leider einen sehr tragischen. Aber es gab nur einen.»
Es gelte, daraus die richtigen Lehren zu ziehen, denn es werde immer Stürze geben. Aber man müsse genügend Ressourcen investieren, dass deren Folgen nicht so schwerwiegend seien, forderte Senn. «Rückblickend wäre ein GPS-Tracking die perfekte Lösung gewesen. Aber es ist müssig, zurückzublicken. Wir müssen aus diesem und den letzten Unfällen Dinge für die Zukunft verändern und das ist unser Antrieb, hier nicht nachzulassen und Druck beim Weltverband zu machen, dass sich etwas tut.»

Die Abfahrt, in der Furrer ihr Leben verlor.Bild: keystone
800'000 Fans bei Pogacars Triumph
Als Organisator der Tour de Suisse fühlt sich Senn dieser Tage oft an den tödlichen Sturz von Gino Mäder im vergangenen Sommer erinnert. «Da dauerte es leider Monate, bis wir wussten, was konkret geschehen ist. Ich wünsche mir, vor allem für Muriel Furrers Familie, dass es nun schneller geht. Aber wir müssen vorerst mit einer Ungewissheit leben.»
Hinsichtlich des Zuspruchs der Rad-WM zeigten sich die Organisatoren sehr zufrieden. Man habe die Ziele bei weitem übertroffen, sagte Daniel Rupf, der Gesamtprojektleiter. «Am Sonntag waren es geschätzt 800'000 Zuschauende entlang der gesamten Strecke von Winterthur bis nach Zürich, ausländische Medienschaffende schätzten die Zahl gar auf eine Million.»
Unter der Woche habe man auf mehr Fans gehofft, auch das schlechte Wetter habe aber einen Strich durch die Rechnung gemacht. Insgesamt gab das OK eine geschätzte Zahl von rund 1,2 Millionen Zuschauerinnen für Zuschauer für 53 Rennen an.
Das von vielen direkt Betroffenen scharf kritisierte Verkehrskonzept habe funktioniert, hielten die Organisatoren fest. Auch die Stadt Zürich zog am Mittwoch eine positive Bilanz bezüglich Zusammenarbeit. Das Verkehrskonzept habe sich bewährt, teilte der Stadtrat mit. Die Behörden hätten mit über 1000 Personen Kontakt wegen Mobilitätsfragen gehabt. Für den Unmut über die teilweise «beträchtlichen Einschränkungen» habe der Stadtrat Verständnis.
Um eine vertiefte Bilanz zu ermöglichen, geben Stadt und Kanton Zürich eine Studie in Auftrag. Diese soll die ökonomischen, ökologischen und sozialen Auswirkungen der Rad-WM untersuchen. Die Resultate sollen 2025 vorliegen. Der Stadtrat erhofft sich davon wertvolle Erkenntnisse für die Planung und Durchführung von grossen Veranstaltungen in der Zukunft. (ram/sda)
Das war die Medienkonferenz:
«Mehrere Tausend Velofahrer fuhren während dieser WM am Unfallort vorbei. Es gab einen Sturz, leider einen sehr tragischen. Aber es gab nur einen.
Wir müssen die richtigen Lehren ziehen. Es wird immer Stürze geben. Aber wir können und müssen Ressourcen investieren, dass deren Folgen nicht so schwerreichend sind.»
«Unter dem Aspekt und dem Grundsatz, dass man eine inklusive Rad- und Para-Cycling-WM in Zürich durchführen will, dann waren die Einschränkungen angemessen. Eine der Lehren ist jedoch, dass bevor man sich für eine Grossveranstaltung bewirbt, man mit den relevanten Stakeholdern bespricht.
Man darf aber nicht vergessen, dass es eine Gemeinderatsabstimmung mit drei Enthaltungen und lauter Ja-Stimmen gab über ein Konzept, das gar noch restriktiver war.»

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«Vieles in diesem Todesfall ist unklar. Viele Details sind nicht bekannt und das macht es schwierig, damit umzugehen. Es braucht nun eine gewisse Zeit, in der die Behörden ihre Arbeit machen können.
Leider muss ich wieder an den Fall von Gino Mäder erinnern, da dauerte es Monate, bis wir konkret wussten, was geschehen ist. Ich wünsche mir, vor allem für Muriel Furrers Familie, dass es schneller geht. Aber wir müssen nun vorerst mit einer Ungewissheit leben.»
«In solchen Situationen gibt es Grundsätze, einer lautet: Intern vor Extern. Erst werden Angehörige informiert, dann die Kolleginnen und Kollegen von Swiss Cycling. Deshalb dauerte es einige Stunden, bis am Donnerstagabend über den Sturz informiert wurde. Vorher zu informieren, wäre pietätlos gewesen.»
Ob er froh sei, dass die UCI nicht mehr in Zürich sei, wird Senn gefragt …
«Die Organisation einer Rad-WM ist sehr komplex. Es war nicht ganz einfach, die kommunikativen Massnahmen so zu gestalten, dass es für alle Beteiligten passt. Es war wohl offensichtlich, dass die UCI erpicht darauf war, nicht viele Informationen weiterzugeben. Es ist nun vermehrt in unserer Hand, so zu kommunizieren, wie wir es für richtig halten.»
«Wir waren nicht direkt im Austausch mit der Familie, sondern der Verband Swiss Cycling. Wir haben sehr schnell die Information erhalten, dass es der Wunsch der Familie sei, dass die WM weitergeht.»
«Wenn ein Unfall geschieht, schaut man eine Situation immer anders an. Deshalb wurden danach an diesem Ort dann Schutzmatten aufgestellt.
Wir bewegen uns in einem Umfeld, in dem es keine hundertprozentige Sicherheit gibt. Nach der Tragödie mit Gino Mäder haben wir uns sehr intensiv auch mit dieser Strecke auseinander gesetzt. Es fanden Trainings statt, einige Fahrer kamen schon vor der WM zur Besichtigung. Es gab null negative Rückmeldungen, etwa im Gegensatz zur Abfahrt im Zeitfahren. Auch jetzt haben wir aus Athletensicht die Meldung erhalten, dass die Abfahrt zu gefährlich sei.»

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«Es gibt ein Schlecht-Wetter-Protokoll bei der UCI, die von Mannschaften, Athleten, Organisatoren oder UCI aufgerufen wird und dann wird entschieden, ob ein Rennen gekürzt oder abgesagt werden soll. Niemand rief das Protokoll vor diesem Rennen auf.»
«Verantwortung kann man dann übernehmen, wenn man weiss, was passiert ist. Stand heute, was man das nicht. Die Staatsanwaltschaft ist in Abklärung. Wir als OK stehen wir für den Teil hin, für den wir verantwortlich sind. Wenn zum Schluss kommt, dass wir etwas falsch oder nicht gemacht haben, übernehme ich selbstverständlich die Verantwortung dafür.»
«Es war ein sehr verzetteltes Feld. Ich weiss nicht, wo und wie Muriel Furrer gefahren ist. Das darf nicht, aber das kann passieren, dass jemand einfach verschwindet.»
«Wir haben im Vorfeld ein Sicherheitskonzept erarbeitet und wir haben am Morgen vor dem Rennen aufgrund des Wetters zusätzliche Leute in der Abfahrt hingestellt. Ich glaube nicht, dass mehr Leute dort mehr hätten erreichen können. Was wir machen konnten, haben wir gemacht. Aber die Beurteilung, ob dies so war, muss die Staatsanwaltschaft vornehmen.»
«Wir wissen nicht mehr als das, was in der Medienmitteilung der Staatsanwaltschaft zu lesen war.
Die Kantonspolizei hat mit der UCI zusammen die Informationen, die zur Verfügung standen, analysiert haben. Wir können nicht sagen, mit wem die Ermittler gesprochen haben und mit wem nicht.»
«Rückblickend wäre ein GPS-Tracking die perfekte Lösung gewesen. Aber es ist müssig, zurückzublicken. Wir müssen aus diesem und den letzten Unfällen Dinge für die Zukunft verändern und das ist unser Antrieb, hier nicht nachzulassen und Druck beim Weltverband zu machen, dass sich etwas tut.»
«Es gab definitiv zu viele dieser Unfälle, auch wenn jeder ein Einzelfall war. Da muss eine intensive Diskussion stattfinden, der Ball liegt beim Weltverband UCI. Wir werden sehen, wie schnell es vorwärts geht. Aber wir werden Druck aufsetzen, dass sich etwas bewegt. So Fälle dürfen nicht mehr passieren.»
Die Fragerunde ist eröffnet. Erste Frage: Wie werden die Zuschauerzahlen an der Strecke gemesessen?
«Wir haben einerseits Fernsehbilder. Und da, wo wir Hotspots hatten, wurde es aufgerechnet. An der Zürichbergstrasse zum Beispiel war es einfach zu berechnen. Wir haben auf beiden Seiten zwei Kilometer lang Gitter aufgestellt, da können wir berechnen, dass es auf beiden Strassenseiten jeweils 4000 Zuschauer hat in einer Reihe und dann zählt man, in wie vielen Reihen die Zuschauenden stehen. Aber natürlich sind es am Ende geschätzte Zahlen, die auf Erfahrungen basieren.»
«Die Bestürztheit und die Fassungslosigkeit über den tragischen Unfalltod von Muriel Furrer wird für immer mit der Rad-WM in Zürich verbunden sein.»

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«Was hinterlässt ihr mit dieser WM? Die sieben Projekte, die wir gemeinsam mit Stadt, Kanton und dem Schweizer Radverband durchgeführt haben, werden ein Erbe für den Schweizer Radsport hinterlassen, aber auch für Zürich, beispielsweise mit neuen Velo-Routen, die geschaffen wurden.»
«Wenn ich die beiden Fan-Zonen und Public Viewings in Witikon anschaue, die organisiert wurden, die wurden für die dortige Bevölkerung zu Treffpunkten.
Das Verkehrskonzept, an dem auch während der WM gearbeitet wurde, ging auf, der oft prognostizierte Kollaps ist nicht eingetroffen. Wir sind stolz, dass das in Zusammenarbeit mit den Behörden funktioniert hat. Es war sehr komplex, es waren sehr viele Departemente und Dienstabteilungen der Stadt und des Kantons involviert. Die Beteiligten dürfen darauf stolz sein, dass es geklappt hat.
Die internationalen Medien waren sehr zufrieden, die Abläufe haben funktioniert. Wir ziehen wirklich ein sehr positives Fazit. Wir können sagen: Zürich kann so einen Grossanläss organisieren.»

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«Wir haben die Ziele hinsichtlich der Zuschauenden haben wir bei weitem übertroffen. Am Sonntag waren es geschätzt 800'000 Zuschauende entlang der gesamten Strecke von Winterthur bis nach Zürich, ausländische Medienschaffende schätzten die Zahl gar auf eine Million.
Unter der Woche haben wir uns mehr erhofft, wir hatten im Schnitt knapp 30'000 pro Rennen. Das schlechte Wetter war natürlich nicht dabei förderlich, sich an die Strecke zu begeben.»

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«Tadejs Pogacar Sieg am Sonnag war eines der spannendsten und besten Rennen der letzten Zeit, es sorgte sehr lange für Spannung. Zusammen mit der Zuschauerkulisse war das ein einigermassen versöhnlicher Abschluss der Veranstaltung und vor allem für all jene, die viel daran gearbeitet haben, dass die WM überhaupt stattfinden konnte.
Sportlich kann man ein positives Fazit ziehen. Die WM brachte die Rennen, die wir und der Radsport uns erhofft haben. Aber alles immer unter dem Eindruck des tragischen Unglücks, das wir erleben mussten.»

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«Die WM war hinsichtlich der Inklusion ein grosser Erfolg. Schon das Auftaktrennen sorgte für Begeisterung.
Der Para-Sport hatte seinen Platz und seine Aufmerksamkeit innerhalb der Veranstaltung. Wir haben von den Athletinnen und Athleten sehr viele positive Rückmeldungen erhalten. So etwas wie in Zürich haben sie noch nie erlebt an einer WM. Sie verdienen diese Aufmerksamkeit. Wir hoffen, dass die Entwicklung so weitergeht.
Das Schweizer Team nahm Medaillen beinahe sackweise nach Hause, was auch für uns Veranstalter natürlich besonders schön ist.»
«Das Wetter hat leider nicht immer mitgespielt. Gerade das Frauen-Rennen am Samstag verlangte sehr viel Energie. Aber die Besten haben sich durchgesetzt und die Sieger waren verdient und würdig. Das war unser Anspruch: Wir wollten Strecken, die keine Zufallssieger hervorbringen. Und so kam es auch heraus.»
«Zürich 2024 ist eine ganz spezielle Veranstaltung gewesen. 53 Rennen innerhalb von neun Tagen, eine anspruchsvolle Zeitfahrstrecke, die würdige Sieger hervorbrachte. Packende Strassenrennen mit dem Abschluss am Sonntag auf einer Strecke, die einer WM wirklich würdig war und die auch die richtigen, die verdienten Sieger hervorbrachte.»

«Die Fassungslosigkeit bleibt da. Deshalb ist es nicht ganz einfach, jetzt schon eine erste Bilanz zu ziehen.
Speziell am Sonntag erlebten wir ein grossartiges Radsport-Spektakel. Hunderttausende Leute standen entlang der Strecke und wollten ein Volksfest. Sie haben den Radsport in einem würdigen Rahmen zelebriert.
Wir haben am ersten wie auch am zweiten Wochenende ein Spektakel erleben dürfen. Die Gesamtbetrachtung, auch hinsichtlich der Inklusion, haben wir in Zürich neue Massstäbe, auch für andere Sportarten, setzen können. In diesem Bereich gehen wir bestimmt positiv in die Geschichte ein.»
«Das Reden fällt mir immer noch nicht einfach. Wir möchten seitens des Organisationskomitees noch einmal unser Beileid aussprechen. Die WM in Zürich wird immer mit dem Tod von Muriel Furrer verbunden sein.»

Bild: keystone-sda
Daniel Rupf, der Gesamtprojektleiter der Rad-WM.
Olivier Senn, der Sportliche Leiter der Rad-WM.
Die Rad-WM in Zürich ist am Sonntag mit dem Triumph des Slowenen Tadej Pogacar im Strassenrennen der Männer zu Ende gegangen.
Die Titelkämpfe wurden überschattet vom tödlichen Sturz der 18-jährigen Zürcherin Muriel Furrer, zu dem viele Fragen offen sind.
Womöglich kann das lokale OK der Rad-WM mehr Licht ins Dunkel bringen. Es wird zudem erwartet, dass die Organisatoren an ihrer Bilanz-Medienkonferenz auch ein Fazit zu den zahlreichen Strassensperrungen, die für grossen Unmut bei der betroffenen Bevölkerung gesorgt haben, äussern.
Todesfälle im Radsport
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Todesfälle im Radsport
Velorennfahrer leben gefährlich – nicht nur im alltäglichen Strassenverkehr. Allein seit 2000 kamen 35 Profis bei Unfällen im Rennen ums Leben, zuletzt Nachwuchsfahrerin Muriel Furrer an der Rad-WM in Zürich. Eine Übersicht mit den bekanntesten Fällen.
quelle: ap/ap / christophe ena
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