Der direkte Weg von Einsiedeln nach Abtwil führt über den Seedamm, den Rickenpass, durch das Toggenburg und das Fürstenland. Er ist auch für Hobbyfahrer problemlos zu bewältigen und selbst wer zu Fuss gehen würde, benötigte keine acht Tage dafür.
Deshalb führt die Landesrundfahrt in die Innerschweiz, ins Freiburgerland und ins Wallis, via Engadin in den Aargau und schliesslich in die Ostschweiz, wo der Sieger der 86. Tour de Suisse gekürt wird. Mehr als 1100 Kilometer mit über 18'000 Höhenmetern stehen auf dem Programm. Das ist dann definitiv eher etwas für Profis.
Kaum war die letztjährige Ausgabe mit dem Gesamtsieg von Geraint Thomas beendet, begann David Loosli mit der Planung der diesjährigen Strecke. Der Berner, der bis 2011 selber mehrere Jahre lang als Radprofi im Sattel sass, hatte dabei ein mehr oder weniger weisses Blatt Papier vor sich.
«Das Datum wird vom Weltverband bestimmt und unser erster Schritt ist es, Etappenorte für alle acht Tage zu finden», schildert Loosli. Einerseits erhält die Organisation Bewerbungen interessierter Orte, zum anderen werden selber mögliche Etappenorte angefragt. Schon in diesem Stadium hat der Streckenplaner mögliche Routen im Kopf.
Sind alle Start- und Zielorte bekannt, beginnt die Feinarbeit. «Nun geht es darum, die Orte sinnvoll zu verbinden. Zunächst gehe ich unbelastet an die Sache heran und zeichne eine Karte, wie mir die Tour de Suisse gefallen würde», erzählt Loosli. Sein Ziel ist eine sportlich ausgewogene Rundfahrt, die allen Fahrertypen etwas bietet: «Selbstverständlich enthält ein Rennen in unserem Land Berge. Aber auch Sprinter und Zeitfahrer sollen ihre Gelegenheiten erhalten.»
Dass in diesem Jahr sowohl die erste als auch die letzte Etappe ein Zeitfahren ist, kommt nicht von ungefähr. Die Organisatoren sind sich bewusst, dass mit Stefan Küng und Stefan Bissegger zwei Schweizer zu den Topfavoriten in dieser Disziplin gehören. Und ein Einheimischer im Leadertrikot verspricht beste Werbung, Loosli will das gar nicht verhehlen: «Natürlich wäre das für uns das Beste, was passieren kann.»
Zumindest kann der Veranstalter es also versuchen, ein wenig Einfluss aufs Rennen zu nehmen. So wie der 43-Jährige auch darauf hofft, dass es durch seine Streckenplanung bis zum letzten Tag spannend bleibt.
Hat Loosli sämtliche Etappen skizziert, setzt er sich mit einem Kollegen ins Auto, um sämtliche Wege abzufahren. Der eine lenkt, der andere notiert. «Ich achte dabei darauf, dass es eine möglichst sichere Tour wird. Ich wähle möglichst gute Strassen, achte auf Hindernisse und Gefahrenstellen.» Ist er zufrieden, geht er mit seinem Vorschlag zur Polizei, die die Strecke bewilligen muss – und auf den früheren Ausdauerprofi kommt ein Behördenmarathon zu. Jeden Kanton muss er separat anfragen. «Einige haben Freude, wenn die Tour de Suisse kommt, und gehen sehr pragmatisch vor, bei anderen ist der Aufwand relativ gross und es braucht von allen Beteiligten viele Kompromisse.»
Korrigiert werden muss beispielsweise, wenn zum Zeitpunkt der Tour de Suisse eine grosse Baustelle eingeplant ist, die umfahren werden muss. Manchmal gibt es Bahnübergänge oder wichtige Nationalstrassen, die fürs Rennen tabu sind, weshalb Loosli Alternativen braucht. Häufig können dann die lokalen Organisationskomitees helfen, die ihre Gegend wie den eigenen Hosensack kennen. So hat Loosli, der viel von der Schweiz gesehen hat, schon manche «Perle» entdeckt.
Probleme verursacht dem Streckenplaner die Tatsache, dass Strassen für die 364 Tage des Alltags gestaltet werden und nicht für den einen Tag im Jahr, an dem sie von einem Velorennen befahren werden. Die Zahl der verkehrsberuhigenden Elemente hat ebenso zugenommen wie jene der Kreisel. Gerade Massensprints, bei denen das Feld mit einer Geschwindigkeit von rund 70 km/h in Richtung Ziel rast, sind schwierig. So gibt es in diesem Jahr nur eine prädestinierte Sprintankunft, jene in Nottwil.
Die 7. Etappe, die in Weinfelden endet, hätte sich aus Sicht der Organisatoren ebenfalls als mögliche Sprintankunft anerboten. Doch behördliche Auflagen zwangen sie, eine Strecke mit vier Kreiseln auf den letzten zwei Kilometern zu wählen. «Da kann ich nicht mit gutem Gewissen das ganze Feld durchjagen», betont Loosli, der deshalb aus Sicherheitsgründen vor dem Ziel noch einen kurzen Hügel befahren lässt, an dem sich mutmasslich ein kleineres Feld absetzen wird, das danach den Sieg unter sich ausmacht.
Grundsätzlich ist die Streckenplanung so kurz vor der Rundfahrt abgeschlossen. Allerdings besteht stets die Eventualität, dass etwa ein Alpenpass nicht befahren werden kann. Zwar sind die Wetterprognosen gut, aber im Bündnerland könnte es der Felssturz bei Brienz notwendig machen, die Etappe über den Albulapass nach La Punt anzupassen.
David Loosli bleibt gelassen: Für diesen Fall hat er längst einen Plan B in der Hinterhand.
Weltmeister Remco Evenepoel ist einer der grössten Namen im Feld der 154 Teilnehmer. Der junge Belgier musste den Giro d'Italia als Leader wegen einer Corona-Infektion verlassen. Falls er wieder fit ist und sich dazu entschieden hat, die Tour de Suisse auf Sieg zu fahren, ist Evenepoel wohl der erste Anwärter auf den Gesamtsieg. Letztmals am Start steht der Slowake Peter Sagan. Mit 18 Etappensiegen ist der dreifache Weltmeister Rekordhalter der Schweizer Landesrundfahrt.
Die Einheimischen haben mehrere Eisen im Feuer. Der erste Leader könnte nach dem flachen Zeitfahren in Einsiedeln Stefan Küng oder Stefan Bissegger heissen. Gino Mäder, Marc Hirschi und Mauro Schmid rechnen sich Chancen auf einzelnen Etappen oder auch in der Gesamtwertung aus.
Wie im Vorjahr findet erneut eine (halb so lange) Tour de Suisse der Frauen statt. Deren erste zwei Etappen finden an den gleichen Orten statt wie die letzten beiden Teilstücke der Männer. Die Entscheidung um den Gesamtsieg fällt in den Etappen 3 und 4 in Ebnat-Kappel im Toggenburg.
Walensee / Zürichsee Region
Zwei für die Schweiz untypisch flache Regionen, die neben Wassersport auch allen Radsportlern viel bieten
Lol
Wo ist es am Walensee flach?
Beim Zürichsee kann man zwar rundherum fahren, ein Radfahrerparadies sieht aber anders aus.