Die Menschentraube wird immer grösser. Wenn Beat Feuz in Kitzbühel spricht, ist das Interesse gross. Wenn er etwas kritisiert, wird es richtig eng. Also hören wir zu.
Feuz, der Doppelsieger aus dem Vorjahr, der in der Abfahrt auch schon viermal Zweiter war und damit so etwas wie der Prinz der Streif ist nach König Didier Cuche, sagt: «Ich bin nicht so Fan davon, dass man Klassiker verändert. Die sollte man lassen, wie sie sind.»
Von hinten drängen weitere Zuhörer dazu. Hat er gerade die Streckenführung kritisiert, die doch verändert wurde, um die Abfahrt nach dem schlimmen Sturz von Urs Kyenbühl im Vorjahr sicherer zu machen?
Ja, hat er. Und nicht nur er. Dominik Paris, dreifacher Abfahrtssieger auf der Streif, fand nicht «viel Schlaues» beim neuen Kurs. Feuz sagt: «Bis letztes Jahr ist es dort darum gegangen, ob man gewinnt oder nicht.» Und jetzt?
Gemeint ist die Passage nach der Hausbergkante, kurz vor der Traverse in Richtung Ziel. In der sogenannten Kompression, in der es die Fahrer nach der Landung oft nach unten drückte, stürzten 2016 die Favoriten Aksel Lund Svindal und Hannes Reichelt schwer. Wer auf der Streif gewinnen wollte, musste dort bereit sein, alles zu riskieren, so lautete ein ungeschriebenes Gesetz.
Feuz erklärte ein Jahr später: «Meine Linie nach dem Hausberg und bei der Einfahrt in die Traverse war die Siegerlinie. Aber es kann auch die Abschusslinie sein.» Er flog mit deutlicher Bestzeit ab und in das Sicherheitsnetz.
Und jetzt soll das anders sein? Eine Analyse der Organisatoren nach dem Sturz von Kryenbühl ergab, dass die Geschwindigkeit beim Zielsprung zu hoch war. Und sie fragten sich, wie sie das ändern können.
Die Lösung fanden sie in der Kompression. Im Sommer veränderten Bagger das Terrain. Dadurch ist nun mehr Platz vorhanden, was eine rundere Kurve möglich macht und damit – zumindest in der Theorie – für ein tieferes Tempo sorgt.
Im ersten Training, das am Mittwoch noch bei prächtigen Bedingungen stattfand, zeigte sich, dass die erhoffte Reduktion tiefer ausfiel. Die gemessenen Spitzengeschwindigkeiten waren über 140 km/h und damit nur um etwa 5 bis 10 km/h tiefer als im Vorjahr. Marco Odermatt meinte: «Wenn wir schon jetzt im Training so schnell sind, wird das Tempo im Rennen wieder gleich hoch sein.»
Die neue Kurve vor der Traverse erinnert viele Athleten an einen Super-G – und verärgert damit die besten Abfahrer. Feuz sagt: «Es ist immer noch schwierig zu fahren. Aber es ist alles runder. Ich bin mir nicht sicher, ob es etwas nützt. Man wird weiterhin riskieren müssen – und man wird sehen, was dann passiert.»
Der 34-Jährige, der am Sonntag zum zweiten Mal Vater einer Tochter wurde, befürchtet, dass es auch weiterhin zu Stürzen kommen könnte. Und damit umsonst in die Strecke und in den Mythos der Streif eingegriffen wurde.
Diese Kritik wird vom Internationalen Skiverband ernstgenommen. So erklärt FIS-Renndirektor Markus Waldner: «Die neue Streckenführung ist ja nicht definitiv. Vielleicht können wir nächstes Jahr noch ein paar Anpassungen vornehmen, vielleicht war es ein bisschen zu viel.»
Den Organisatoren in Kitzbühel wird oft vorgeworfen, dass sie Stürze vermarkten und der FIS, dass sie dies dulde. Nun haben beide reagiert und ernten erneut Kritik. Niels Hintermann sagt: «Man darf sie dafür auch mal loben.»
Ansonsten sehe ichs wie Hintermann: Wird Nichts verändert, gibts Kritik. Wird was verändert, gibts Kritik. Ich finds wichtig, zeigen FIS und OK Bereitschaft, für die Sicherheit der Fahrer*innen zu sorgen.
Ich persönlich finde, dass das Problem der Zielsprung ist, also hätte man auch da ansetzen müssen und nicht in der Traverse. Der Zielsprung bietet auch Spektakel klar. Aber das Tempo war ja nicht das Hauptproblem, sondern der hohe Luftstand. Also Kante entschärfen, flacher springen. Einfach gesagt, schwer umgesetzt, auch das ist mir klar.