Die Sanierung der Bobbahn in Cortina d'Ampezzo hat am 19. Februar offiziell begonnen. Angesichts der Umstrittenheit dieses Projekts wagte es jedoch kein Politiker, für den ersten Spatenstich nach Cortina zu reisen.
Zunächst verzögerte sich das Projekt aufgrund der Covid-19-Pandemie, doch auch nachher stand es in der Schwebe – ob die Bobanlage überhaupt nötig sei, wurde vom IOC von Anfang an angezweifelt. In Europa gibt es bereits genügend Infrastruktur für den Bobsport und dass Italien seine Bobbahnen zerfallen liess, stimmte das Komitee gegenüber dem Projekt auch nicht gerade wohlwollend – denn nicht nur die Bobbahn in Cortina, sondern auch diejenige in Cesana, die für die Olympischen Spiele 2006 in Turin gebaut wurde, waren sich selbst überlassen worden.
Cortina. Dolomiti. Abbattimento larici secolari. Pista da bob. Olimpiadi. Follia pura! Vergogna. pic.twitter.com/knwh550rbu
— Matteo Gracis (@matteogracis) February 21, 2024
Angesichts des Zustandes der italienischen Bobbahnen sahen sich Organisatoren der Olympischen Spiele jenseits der italienischen Grenze um und wurden in St. Moritz und in Innsbruck fündig. Dass ein Teil der Wettkämpfe der Olympischen Spiele 2026 ausgelagert werden soll, missfällt jedoch der ultrakonservativen Regierung unter Georgia Meloni – unter dem Slogan «Made in Italy» sollen nämlich alle Wettkämpfe auf heimischen Boden stattfinden.
So wurde Anfang des Monats die Erneuerung der Bahn beschlossen. Umgesetzt wird das Projekt vom Baugiganten Pizzarotti. Kostenpunkt: 81,6 Millionen Euro. Die «Repubblica» schätzt jedoch, dass für den Bau mindestens 124 Millionen Euro verschlingen wird, da weitere Arbeiten, zum Beispiel an der Tribüne, noch nicht einkalkuliert seien.
Dass so viele öffentliche Gelder für die Bobbahn gesprochen wurden, stösst in Italien auf Kritik. Stein des Anstosses ist nicht nur die Befürchtung, dass die Anlage aufgrund der Betriebskosten und des geringen Interesses an der Sportart nach dem Turnier wieder sich selbst überlassen wird, sondern auch, dass sie schlimmstenfalls gar nicht rechtzeitig fertig wird. Die Spiele beginnen zwar erst in knapp zwei Jahren, die Anlage muss jedoch bereits in 13 Monaten funktionsfähig sein, damit die Test-Events am Ende der nächsten Saison stattfinden können. Eine Frist, die nach Ansicht einiger Experten trotz aller Bemühungen nur schwer oder gar nicht einzuhalten sein wird.
Mehrere lokale Medien berichten, dass 90 Skandinavier, die es sich gewohnt sind, in der Kälte zu arbeiten, entsandt wurden. Insgesamt werden 150 bis 200 Personen Tag und Nacht, sieben Tage die Woche arbeiten, um das Unmögliche zu schaffen.
Das Projekt bereitet auch aus ökologischer Sicht Sorgen. Macht es Sinn, die Alpen einzig und allein für die Olympischen Spiele zuzubetonieren? Als abschreckendes Beispiel für einen solchen Eingriff in die natürliche Umgebung dient dabei die Bahn in Cesana Torinese weiter westlich.
Die Bauarbeiten im Ort in der Provinz Belluno in Venetien begannen am Montagmorgen zaghaft. Von den Arbeitern der Firma Pizzarotti und des Subunternehmers, die für die Einrichtung der Unterkünfte für die Arbeiter auf der Baustelle zuständig wären, fehlte jede Spur. Ein verlorener erster Tag.
Auch Politiker, darunter Matteo Salvini, der stellvertretende Vorsitzende des Ministerrats, waren beim symbolischen Spatenstich nicht anwesend. Lediglich Cristina Guarda, Regionalrätin der Grünen war da. Sie schloss sich einer friedlichen Kundgebung an, die von mehreren Umweltgruppen organisiert wurde. Rund 200 Personen nahmen an der Veranstaltung teil.
Die italienischen Zeitungen «Il Fatto Quotidiano» und «La Repubblica» berichteten, dass die örtlichen Behörden das Gebiet, das am Montag von Carabinieri und DIGOS bewacht wurde, bereits vor Arbeitsbeginn mit Absperrbändern umzäunt hatten. Das Betreten des Geländes hätte also zu einer Anzeige wegen Verletzung von Privateigentum führen können.
Die Demonstranten ketteten sich zwar nicht an die Bäume, könnten aber dennoch eine Verzögerung der Bauarbeiten bewirken. Dies würde es noch schwieriger machen, den Zeitplan einzuhalten.
500 Lärchen, von denen einige 100 Jahre alt sind, müssen im Zuge des Wiederaufbaus der Bobbahn weichen. Dies empört viele Italiener. Es ist zwar üblich, Bäume zu fällen, damit sich der Wald regenerieren kann oder um Bauholz zu gewinnen, dass das Lärchenholz für die Sanierung einer umstrittenen Infrastruktur verwendet wird, stösst aber vielen sauer auf.
Mit dem Fällen der Bäume wurde das Unternehmen von Luca Ghedina beauftragt. Er ist der Bruder von Kristian Ghedina, Vizeweltmeister in der Abfahrt und Gewinner von 13 Weltcup-Rennen, darunter auch Kitzbühel. Der Mann ist dafür bekannt, dass er einst stolz mit seinem Jeep ein Wolfsrudel jagte.
Zufall oder nicht: Die Kettensäge wurde am Mittwoch zum ersten Mal angeworfen, just am Tag, an dem das Internationale Olympische Komitee nach Cortina reiste, um den Fortschritt der verschiedenen Baustellen zu überprüfen.
Die Fällung wurde von Celloklängen begleitet. Der Maestro Mario Brunello wollte «den Bäumen eine Stimme geben und um Mitgefühl bitten», berichtete «La Stampa».
Buon giorno amici carissimi 🌹☀️🎶🎵
— 𝕊𝕥𝕖𝕗𝕒𝕟𝕠 💚🤍❤️🍊🍋 (@StefanoSplendo2) February 24, 2024
Il violoncellista Mario Brunello è salito a Cortina per protestare contro l'abbattimento di 200 larici per la realizzazione della pista da bob in vista delle olimpiadi 2026. pic.twitter.com/o71OggUIF3
Das Internationale Olympische Komitee ist am Freitag aus Italien abgereist. Die Mitglieder der Kommission, die zur Kontrolle der Infrastruktur gekommen waren, beendeten die Woche mit einer Pressekonferenz – und wiederholten ihre Bedenken bezüglich des Baus der Bobbahn in Cortina.