Manchmal schlägt das Leben so viele Haken, dass der Erfolg am Ende umso süsser schmeckt. Und je steiniger der Weg, desto wertvoller der Triumph. Camille Rast musste sehr viel leiden, ehe ihre Leidenschaft sie zum Gewinn des WM-Titels führte.
«Ich hatte immer ein super Umfeld», sagte sie nach ihrem Erfolg in Saalbach. «Es hat mich immer wieder von unten nach oben gebracht. Ohne so ein Umfeld wäre man dazu nicht in der Lage.»
Am Anfang steht 2017 die Diagnose Pfeiffersches Drüsenfieber. Es zwingt die junge Athletin, eben erst Junioren-Weltmeisterin im Slalom geworden, zur Ruhe. Die Krankheit bringt sie körperlich und mental an ihre Grenzen.
Camille Rast erleidet eine Depression und sagt, sie sei «innerlich tot» gewesen. Trotz aller Qualen schleppt sie sich durchs Sommertraining. Doch im Februar 2018 zieht sie die Notbremse: Saisonabbruch, psychologische Hilfe.
«Ich hatte Angst vor meinen eigenen Gedanken, vor der Dunkelheit, der Einsamkeit», schilderte sie im Magazin «Sportlerin». «Ich hatte keinen Spass, keine Lust, keine Ideen, war total leer und ohne Perspektiven. Für mich war klar: Das war es mit Ski.»
Eine Therapie hilft, aber Ängste und Unsicherheiten bleiben. Ein Wendepunkt kommt im darauffolgenden Spätsommer, als sie auf einer Solo-Mountainbike-Reise erstmals wieder Freude am Leben spürt.
Auch die Lust aufs Skifahren kehrt zurück und Camille Rast ist immer noch schnell. 2019 gewinnt sie an der Junioren-WM, dieses Mal im Riesenslalom, die Silbermedaille. Aber auf dieses Hoch folgt der nächste Rückschlag: Bei einem Sturz reissen Kreuz- und Innenbandriss im rechten Knie.
Mit nun 20 Jahren muss Rast erneut aussetzen und zusehen, wie es Gleichaltrigen gelingt, sich im Weltcup festzusetzen. Eineinhalb Jahre dauert es, bis sie nach der Knieverletzung wieder Rennen fahren kann, doch gute Resultate lassen auf sich warten. Auch ein Skimarkenwechsel bringt keinen Durchbruch. Die Gefahr wächst, dass sie als ewiges Talent in der zweiten Reihe bleibt.
Doch ans Aufhören denkt sie längst nicht mehr. Rast kämpft – und sie kämpft sich zurück. Letzten Winter endlich der Durchbruch mit mehreren Spitzenresultaten. Als die aktuelle Saison beginnt, freut sie sich über eine perfekte Vorbereitung ohne Verletzung, ohne Krankheit, «ich bin richtig gesund».
Wozu eine kerngesunde Camille Rast fähig ist, zeigt sie von Anfang an. Erst schafft sie es zum ersten Mal in ihrer Karriere auf ein Weltcup-Podest, und dann setzt sie noch einen drauf. In Killington feiert sie am 1. Dezember 2024 ihren ersten Weltcupsieg, dem sie in Flachau einen zweiten folgen lässt. Die 25-Jährige reiste als Führende der Slalom-Disziplinenwertung an die WM nach Saalbach.
Camille Rast, die einst beinahe aufgehört hätte, ist ganz oben angekommen. Nun ist sie die erste Schweizer Slalom-Weltmeisterin seit Vreni Schneider, die 1991 in … Saalbach triumphierte.
Davor gewann Erika Hess 1982 und 1987 zwei Mal Gold, und um weitere Schweizer Weltmeisterinnen in dieser Disziplin zu finden, muss man weit zurück blicken. 1932 gewann Rösli Streiff, 1935 Anny Rüegg, 1956 Renée Colliard. Und nun also Camille Rast, die zur sechsten Slalom-Weltmeisterin aus der Schweiz wurde.