Die Stimme von Franjo von Allmen ist hörbar angeschlagen. Kein Wunder: Er hatte schliesslich genügend Gründe, zu feiern. Am Sonntag wurde der 23-jährige Berner Weltmeister in der Abfahrt, am Mittwoch in der Team-Kombination. Am Morgen danach sitzt er vor einer kleinen Medienrunde und entschuldigt sich: «Meine Stimme braucht dringend etwas Pause.»
Sie kamen als Debütant an die WM und reisen als Doppelweltmeister wieder ab. Es ist alles unglaublich schnell gegangen. Auch für Sie?
Franjo von Allmen: Es ist schwierig momentan, das alles «einzuordnen». Ich erlebte so viel Neues, sehr viele Emotionen und lange Tage, in denen Dinge dazugekommen sind, die ich vorher nicht gekannt habe.
Eine Glatze zum Beispiel. Wie viele haben die Rasur schon bereut?
Ich glaube nicht viele. Jetzt, da alles ab ist, ist es ja auch halb so wild.
Es war – glaubt man den Bildern – eine legendäre Party nach Ihrem Weltmeistertitel in der Abfahrt. Wie fanden Sie Ihren Fokus wieder?
Das war nicht ganz einfach. Wir haben recht ausgelassen gefeiert, wenn man bedenkt, dass ich noch ein Rennen fahren musste. Aber es ist diese Mischung, dieses Kopflüften, das es für mich ausmacht. Wir hatten am Vortag der Team-Kombination noch ein Riesenslalom-Training, das hat sicher wieder etwas Spannung in mich gebracht.
Haben Sie eine Erklärung, warum das Feiern im Skisport so zelebriert wird? Andere Sportler verstecken sich für eine Party lieber im Keller.
Ich weiss nicht, ob es immer so war oder ob es in Zukunft auch so sein wird. Aber wir sind momentan ein gutes, eingespieltes Team, das sehr gerne zusammen ist und darum auch gerne zusammen ausgeht.
Aber auch Sie könnten in der Disco einen VIP-Raum mieten.
Es gibt Momente, in denen man gerne für sich ist, aber wir sind auch nur Menschen und feiern darum zwischendurch mit anderen Leuten.
Die Bilder, die danach überall veröffentlicht werden, stören Sie nicht?
Ich finde es manchmal schade, dass im Ausgang so viele Fotos und Videos gemacht werden müssen. Aber es ist etwas, das in der heutigen Zeit unumgänglich ist. Darum habe ich gelernt, damit umzugehen.
Sie haben das Team erwähnt. Woran liegt es, dass es so harmoniert?
Wir sind eine zusammengewürfelte Gruppe von Athleten, die aus der ganzen Schweiz kommen. Es ist also nicht selbstverständlich, dass alle so gut miteinander auskommen. Aber schlussendlich sind wir zwei Drittel des Jahres zusammen unterwegs, und dann spielt sich das Ganze schon ein, man lernt einander besser kennen. Und wenn die schönen Erfolge dazukommen, schweisst das natürlich zusammen.
Ist es wirklich so leicht erklärt?
Es ist eine etwas spezielle Situation, weil wir alle recht jung sind. Im Weltcup ist es nicht selbstverständlich, dass alle in etwa im gleichen Alter sind. Von daher war der Zusammenhalt schon von früher da.
Die Besichtigung vor den Rennen machen Sie aber lieber allein. Wieso?
Weil ich nicht so Ski fahre wie Marco Odermatt. Ich mache mein eigenes Ding, habe meine eigene Linie. Mich verunsichert es, wenn ich auf die anderen höre. Es ist der Weg, der mir am meisten bringt.
Sie machen die Fehler lieber selbst?
Genau, learning by doing. (Lacht.)
War es eigentlich immer Ihr Traum, Skiprofi zu werden?
Nein, überhaupt nicht. Wir sind früher am Jaunpass Ski gefahren. Da ging es mir nur um die Freude. Unsere Mutter hat uns die Ski nach der Schule an die Bushaltestelle gebracht, damit wir keine Zeit verlieren.
Wann wurde aus dem Spass mehr?
Als ich bei den Rennen merkte, dass ich vorne dabei sein und trotzdem mit meinen Kollegen Spass haben kann. Wir haben oft fast die Rangverkündigung verpasst, weil wir noch auf den Ski waren.
Sie haben neben dem Skisport eine Lehre als Zimmermann gemacht. War es Ihnen schon immer wichtig, ein zweites Standbein zu haben?
Ja, das war es. Ich bin sehr froh, dass ich eine Rückfallebene habe. Etwas, das ich gerne mache, und etwas, das ich auch später wieder machen kann und will. Eine Skikarriere ist nicht selbstverständlich.
Kann man den Beruf des Zimmermanns per Fernstudium lernen?
(Lacht.) Das war nicht ganz einfach. Es war wichtig, dass ich einen Lehrbetrieb hatte, der meine Skikarriere unterstützte. Denn es kamen einige Absenzen zusammen – sei es im Betrieb oder in der Schule.
In Kitzbühel erleben Sie den grossen Schickimicki. An der WM einen riesigen Trubel. Könnten Sie wirklich einfach zurück auf die Baustelle?
Zu 100 Prozent. Dort sind genau die Leute, die mich als normalen Menschen und nicht als Weltmeister sehen. Ich würde sogar gerne in diesem Sommer ein paar Wochen als Zimmermann arbeiten, wenn das geht. Es ist etwas, das wieder Normalität in das Ganze bringt. Ein Ort, an dem du die alten Köpfe siehst und normal «schnurren» kannst.
Zu Ihrem Leben als Skifahrer gehört es, in der Öffentlichkeit zu stehen. Fast ihre ganze Lebensgeschichte wurde schon erzählt. Stört Sie das?
Als öffentliche Person kommt man nicht darum herum. Aber es ist nicht unbedingt das, was ich mir erträumt habe. Es ist etwas, das dazugehört und das wir auch für die Vermarktung nutzen können.
Zu Ihrer Lebensgeschichte gehört, dass Ihr Vater starb, als Sie 17 Jahre alt waren. Sie werden häufig damit konfrontiert. Wie schwierig ist das?
Das ist etwas, worüber ich nicht gerne spreche. Das wurde öffentlich bereits abgehandelt, und jetzt ist auch einmal gut. Die Medien haben Schlagzeilen gebracht, bei denen ich mir an den Kopf fasste. Ich will nun meine Schlagzeilen schreiben. Die Vergangenheit ist jetzt vorbei.
Apropos Vergangenheit: Sie sind der insgesamt dreizehnte Schweizer Weltmeister in der Abfahrt. Wie gut kennen Sie alle Ihre Vorgänger?
Einen Feuz kenne ich natürlich schon. Aber sonst setze ich mich wenig mit prominenten Namen auseinander. Für mich zählt der persönliche Kontakt. Alles andere hat für mich jetzt keine Wahnsinnsbedeutung.
Der ORF nennt Sie bereits Superstar. Haben Sie Angst, dass die Erwartungen durch Ihre Erfolge nun ins Unermessliche steigen?
Druck hat man ja eigentlich immer. Schon vor der WM kamen viele Leute auf mich zu und sagten: «Jetzt holst du die Goldmedaille.» Das war nicht ganz einfach. Vor dem WM-Super-G (von Allmen wurde Zwölfter; Anm. d. Red.) habe ich es zu nahe an mich herangelassen und konnte nicht ganz performen, nicht ganz das Skifahren zeigen, das ich wollte. Aber schlussendlich ist es ein Ansporn. Und ich kann es ja selbst steuern, wie stark ich den Druck von aussen zulassen will.
Es heisst, es gibt als Skifahrer kaum etwas, das Sie nervös macht. Sind Sie immer so cool? Oder gibt es Dinge, die Sie aus der Ruhe bringen?
Wenn ich ein Interview auf Französisch geben muss, bin ich schon nervös. (Lacht.) Aber ja, Nervenstärke ist definitiv etwas, das man durch den Sport lernt. Und ich versuche, das ins normale Leben zu übertragen. Stand jetzt habe ich dadurch viele Situationen in meinem Leben gut im Griff, und wenn nicht, dann tue ich einfach so. (Lacht.)
Sie leben mit Ihrem Bruder zusammen. Wie dürfen wir uns diese Wohngemeinschaft vorstellen? Wer macht den Haushalt, wer kocht?
Wir haben zum Glück ein liebes Grosi, das jeden Mittwoch putzt. (Lacht.) Wir sind jetzt nicht die Ordentlichsten, aber wenn du nicht viel daheim bist – auch mein Bruder ist sehr oft weg -, gibt es gar nicht wahnsinnig viel zu machen. Und wenn wir zusammen daheim sind, schauen wir schon, dass wir gemeinsam etwas zum Znacht essen.
Ein Manager sagte vor der WM zu dieser Zeitung, ein Weltmeistertitel könne bis zu einer Million Franken einbringen. Glauben Sie das auch?
Das klingt für mich jetzt schon etwas unrealistisch.
Aber einiges wird es schon sein. Geben Sie gerne Geld aus?
Ich bin schon ein extremer Lebemensch. Es ist sicher wichtig, dass man in jungen Jahren mit so viel Geld sinnvoll umgeht, dass man es gut anlegt, aber man kann es ja auch nicht mit ins Grab nehmen.
Dann sehen wir Sie bald im Ferrari?
(Lacht.) Nein, nein, das dann schon nicht.
Mit Red Bull haben Sie den potentesten Kopfsponsor im Weltcup. Wie kam es dazu, dass Sie schon so früh unter Vertrag genommen wurden?
Das war vor einem Jahr hier in Saalbach. Ich ging beim Weltcup-Finale an den Kühlschrank und fragte, ob ich ein Red Bull haben darf. Es stellte sich heraus, dass ich Patrick Riml (Alpin-Direktor bei Red Bull; Anm. d. Red.) gefragt hatte. Nur kannte ich ihn damals nicht.
Und dann?
Wir kamen ins Gespräch. Es hat ihn gefreut, dass ich zuerst gefragt habe, ob ich eine Dose haben darf. Er meinte, dass das heute keine Selbstverständlichkeit mehr sei. Und der Rest hat sich dann ergeben.
Wie sehr profitieren Sie vom Förderprogramm des Getränkegiganten?
Es gibt sehr viele Möglichkeiten, die ich als Athlet nutzen könnte. Ich muss mich da aber erst noch zurechtfinden. Gut für mich ist, dass ich Marco (Odermatt hat denselben Kopfsponsor; Anm. d. Red.) im Team habe. Er zeigt mir, was möglich ist und wie man es nutzen kann.
Zum Beispiel, indem Sie zwischenzeitlich den Helikopter nutzen?
Ja, den haben Marco und ich schon genutzt. Das sind Sachen, die andere Partner nicht bieten können. Dinge, die man in Momenten, in denen das Reisen viel Energie kostet, extrem gut gebrauchen kann.
alles geili siächä näää nänänänänä
jamannn ;))))